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Der MELD-Score und seine Auswirkungen auf die Leberallokation

Die Lebertransplantation hat sich als effektive, wenn nicht sogar als die effektivste Therapie akuter und chronischer Lebererkrankungen mit ausgezeichneten Langzeitergebnissen etabliert. Die Akzeptanz und breite Indikationsstellung führte in den letzten zwei Jahrzehnten  zu einer zunehmend größer werdenden Lücke zwischen Patienten auf der Warteliste und geeigneten Organspendern. Die Organverteilung (Allokation) folgt Regeln, deren Grundsätze im Deutschen Transplantationsgesetz festgelegt und durch eine Kommission bei der Bundesärztekammer präzisiert worden sind.

Grundsätzlich erhält der Patient, nicht etwa das Transplantationszentrum, die Leber zugeteilt. Während der Wartezeit befindet sich der Patient auf einer gemeinsamen Liste, die von Eurotransplant in Leiden/Niederlande geführt wird. Der Patient, der in dieser Liste die höchste Dringlichkeit aufweist, erhält eine Leber, gleichgültig, durch welches Transplantationszentrum er gemeldet wurde.

Die höchste Dringlichkeit haben Patienten in akut lebensbedrohlicher Situation (High Urgency, HU). Es droht ohne Transplantation der Tod in wenigen Tagen. Sie werden daher vorrangig vor allen anderen Patienten bei der Organzuteilung berücksichtigt. Indikationen für eine Zuerkennung des HU-Status können sein

  •  akutes Leberversagen
  • akutes Transplantatversagen innerhalb von 14 Tagen nach Transplantation
  • akute Dekompensation bei Morbus Wilson und Budd-Chiari-Syndrom
  • lebensbedrohliches Lebertrauma
  • anhepatischer Zustand als Folge eines akuten Leberversagens mit toxischem Lebersyndrom

Bei Jugendlichen ab einem Alter von 12 Jahren und Erwachsenen auf der Warteliste mit einer chronischen Lebererkrankung wird die Beurteilung der Dringlichkeit einer Lebertransplantation durch den MELD-Score eingeschätzt. MELD steht für Model for Endstage Liver Disease und wurde ursprünglich als Einschätzung für das Überleben nach Anlage eines transjugulären intrahepatischen portosystemischen Shunt (TIPS) im Jahre 2000 eingeführt (Malinchoc et. al, 2000). In nachfolgenden retro- und prospektiven Studien konnte gezeigt werden, dass mit dem MELD-Score die Schwere einer chronischen Lebererkrankung im Endstadium sehr gut eingeschätzt werde kann (s. Abb1).

Graphik zur 3-Monats-Sterblichkeit in Abhängigkeit vom MELD-Score
3-Monats-Sterblichkeit in Abhängigkeit vom MELD-Score

Ein geringer MELD-Score bedeutet ein geringeres und ein hoher MELD-Score ein größeres Risiko, innerhalb der nächsten 3 Monate zu versterben. Der MELD-Score ist somit Ausdruck der Dringlichkeit für eine Lebertransplantation und wird aus den Laborwerten von Serumkreatinin, Serumbilirubin und Prothrombinzeit (International Normalized Ratio, INR) mit Hilfe der Formel

6,3 + [0,957 x ln (Kreatinin) + 0,378 x ln (Bilirubin) + 1,12 x ln (INR) + 0,643] x 10

berechnet und als sogenannter labMELD bezeichnet. Die Aktualisierung der Laborwerte für die Berechnung des labMELD ist abhängig von der Dringlichkeit und somit von der Höhe des MELD-Scores (Tab.1) Patienten mit einem initial niedrigeren MELD-Score, bei denen zwischenzeitlich einer Verschlechterung der Leberfunktion mit Nachweis eines höheren MELD-Score eintritt, können zu jedem Zeitpunkt „höher“ gemeldet werden. Somit wird  gewährleistet, dass vorrangig die Patienten auf der Warteliste transplantiert werden, die eine höhere Dringlichkeit besitzen .

Tab. 1

Aktualisierung des labMeld in Abhängigkeit vom Meld-Score

Aktueller MELD-Score

Rezertifizierung des labMeld nach

Meldung vor Ablauftermin

Laborwerte bei Dateneingang

höher als 25

7 Tage

2 Tage

nicht älter als 48 Stunden

zwischen 24 und 18

30 Tage

7 Tage

nicht älter als 7 Tage

zwischen 18 und 11

90 Tage

14 Tage

nicht älter als 14 Tage

kleiner als 11

365 Tage

30 Tage

nicht älter als 30 Tage

Für schätzungsweise 15-20% der Patienten wird die Dringlichkeit für eine Lebertransplantation durch den labMELD nicht adäquat ausgedrückt. Die Bundesärztekammer hat die folgenden Erkrankungen als sogenannte Standard Exception definiert, die auf Antrag des Transplantationszentrums und bei Einhaltung bestimmter Kriterien ein MELD-Score zugewiesen bekommen:

  • Hepatozelluläres Karzinom (HCC)
  • Familiäre Amyloidotische Polyneuropathie (FAP)
  • Zystische Fibrose (CF)
  • Hepatopulmonales Syndrome (HPS)
  • Primäre Hyperoxalurie Typ 1 (PH1)
  • Polyzystische Lebererkrankung (PLD)
  • Nicht metastasiertes Hepatoblastom
  • Funktionsstörungen des Hanstoffzyklus
  • Small-for-size Syndrom nach LTx

Dieser zugewiesene MELD-Score wird als matchMELD bezeichnet und entspricht einem MELD-Score, wie er sich hinsichtlich Dringlichkeit und Erfolgsaussicht für vergleichbare Patienten mit anderen Lebererkrankungen berechnet (Tab. 2) Der matchMELD wird entsprechend einer Zunahme der 3-Monatssterblichkeit  alle 3 Monate auf Antrag des Transplantationszentrums erhöht, falls der Patient zwischenzeitlich noch nicht transplantiert wurde. Hat ein Patient einen höheren labMELD als der festgesetzte matchMELD, so wird dieser höhere labMELD-Score bei der Allokation berücksichtigt. 

Tab. 2

Zuordnung des Match-melds nach der 3-Monatssterblichkeit

3-Monats-Sterblichkeit

match-MELD

10 %

20

15 %

22

20 %

23

25 %

25

30 %

26

35 %

27

40 %

28

45 %

29

50 %

30

55 %

31

60 %

32

65 %

33

70 %

34

80 %

35

90 %

37

95 %

39

100 %

42

Bei Kindern unter 12 Jahren erfolgt die Allokation grundsätzlich mithilfe eines matchMELD, sodass eine Transplantation nach Möglichkeit innerhalb von drei Monaten durchgeführt werden kann. Hierzu wird der initiale matchMELD einer 3-Monatssterblichkeit von 15 % entsprechend festgesetzt. Sind Kinder unter 12 Jahren nach drei Monaten auf der Warteliste noch nicht transplantiert, wird der matchMELD entsprechend einer Zunahme der 3-Monats-Mortalität um 10 % erhöht. Hat ein Kind unter 12 Jahren einen höheren labMELD als der nach den vorgenannten Regeln festgesetzte matchMELD, so wird dieser höhere labMELD-Score bei der Allokation berücksichtigt.

Bei Patienten mit einem gleichen MELD-Score wird der Empfänger bevorzugt, aus dessen Region auch die Organspende kommt. Danach erfolgt die Allokation hinsichtlich der zusammenhängenden Tage der Wartezeit mit diesem MELD-Score, ggf. nach Wartezeit mit einem unmittelbar vorausgehenden höheren MELD-Score und schließlich nach der Gesamtwartezeit.