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Einfluss der COVID-19-Pandemie auf die Inzidenz, Diagnosen und Versorgung von pädiatrisch-onkologischen Patient*innen in Deutschland im Jahr 2020: Ergebnisse vom Deutschen Kinderkrebsregister und einer qualitativen Befragung

Kein Rückgang neu diagnostizierter Krebsfälle im Kindes- und Jugendalter während des COVID-19-Pandemiejahres 2020 in Deutschland

In einer aktuellen Studie unter Federführung des Deutschen Kinderkrebsregisters wurde der Einfluss der COVID-19-Pandemie auf neu diagnostizierte Krebsfälle im Kindes- und Jugendalter sowie auf die pädiatrisch-onkologische Versorgung in Deutschland untersucht. Analysiert wurden Daten zur Inzidenz von Krebs bei unter 18-Jährigen und die Daten einer qualitativen Befragung unter einzelnen pädiatrischen Onkolog*innen. Die Studie wurde im Journal The Lancet Regional Health – Europe veröffentlicht.

Studien aus anderen europäischen Ländern, den USA und Lateinamerika berichteten massive, schädliche Effekte der Pandemie auf Krebs bei Erwachsenen auf, wie beispielsweise einen Rückgang an Diagnosen und Anstieg von krebsbedingten Todesfällen durch vermutlich verspätete Diagnosen und Behandlungen. Die Empfehlung, nicht dringende medizinische Leistungen aufzuschieben, und die Ansteckungsangst könnten auch in Deutschland zu ähnlichen Effekten geführt haben.

Die Analysen der aktuellen Studie zeigten, dass die monatliche Anzahl der Fälle 2020 entweder vergleichbar oder auch häufig erheblich höher war als in den fünf vorherigen Jahren – in neun von zwölf Monaten wurden sogar mehr Fälle als das Maximum von 2015-2019 verzeichnet. Die altersstandardisierte Inzidenzrate lag 2020 in allen Diagnose- und Altersgruppen deutlich höher als die der vorherigen fünf Jahre.

Die Ergebnisse der qualitativen Analysen zeigten, dass die kinderonkologische Versorgung (diagnostische Prozeduren, rechtzeitige Diagnose und Behandlung) in Deutschland durch pandemiebedingte Maßnahmen und Einschränkungen nicht bedenklich beeinträchtigt war. Allerdings wurde häufig genannt, dass Maßnahmen zur psychosozialen Unterstützung und nicht dringende Termine teilweise reduziert oder aufgeschoben wurden. Die Befürchtung, dass Kinderkrebsdiagnosen und deren Behandlung erst verspätet stattgefunden haben könnten, wird durch diese Ergebnisse nicht bestätigt.

Mögliche Gründe zum Anstieg der Inzidenz könnten sich unter der weiteren Beobachtung in den nächsten Jahren zeigen, wodurch potentiell auch Erkenntnisse zu Erkrankungsmechanismen abgeleitet werden könnten. Speziell für die akute B-Zell lymphoblastische Leukämie könnten somit das Infektionsgeschehen und die pandemiebedingten Isolationsmaßnahmen diesbezüglich eine besondere Bedeutung bekommen.

 

Referenz:

Friederike Erdmann, Maike Wellbrock, Claudia Trübenbach, Claudia Spix, Martin Schrappe, Joachim Schüz, Desiree Grabow, Michael Eichinger

Impact of the COVID-19 pandemic on incidence, time of diagnosis and delivery of healthcare among paediatric oncology patients in Germany in 2020: evidence from the German Childhood Cancer Registry and a qualitative survey

doi.org/10.1016/j.lanepe.2021.100188