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END-lich Leben und Sterben: Vortrag und Diskussion zu Fragen menschlicher Existenz

„END-lich Leben und Sterben“ war der Titel des Abends, zu dem die Evangelische Klinikseelsorge des Dekanats Mainz zusammen mit der evangelischen Altenheimseelsorge Anfang Januar eingeladen hatte. Für den Impulsvortrag konnten der frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche Deutschland, Pfarrer Nikolaus Schneider und seine Ehefrau, Theologin und Pädagogin Anne Schneider, gewonnen werden. Beide zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich mit dem Thema Sterben und Tod nicht nur theoretisch intensiv auseinandergesetzt haben, sondern auch persönlich geprägt wurden.

2005 starb ihre Tochter Meike 22jährig an Leukämie, einige Jahre später erkrankte Anne Schneider selber an Krebs. Nicht nur privat, sondern auch öffentlich setzte sich das Ehepaar daraufhin kontrovers mit Fragen zu Tod und Sterben sowie mit dem Thema Sterbehilfe auseinander. Zunächst kam die Frage auf, wie mit Tod und Sterben in unserer Gesellschaft umgegangen wird. Das Ehepaar referierte über manche Tabuisierung und Verdrängung, konnte aber auch von guten Erfahrungen während der Leidenszeit ihrer Tochter berichten. Anne Schneider: „Zur Erleichterung dieser schweren Lebensphase braucht es einfühlsames und hilfreiches Verhalten vieler einzelner Menschen, etwa von Ärzten, Pflegenden, Seelsorgern und Angehörigen. Ebenso notwendig sind fürsorgende Strukturen, z. B. im Hinblick auf die Palliativmedizin, auf Hospize und Intensivstationen und gut ausgebildete sowie gut bezahlte Pflegekräfte.“

Ausgehend von Überlegungen über den Tod im Allgemeinen (als „große Wandlerin“, so die Schriftstellerin Cornelia Funke oder als „letzter Feind, der vernichtet werden wird“ – 1. Kor. 15, 26) fragt Nikolaus Schneider nach der Rolle von ExistenzAutonomie und Beziehungen und nach der Tragfähigkeit des eigenen Gottvertrauens. Angesichts von qualvollen und vorzeitigen Sterbeprozessen werden menschliche Entscheidungen nötig. Das Ehepaar sieht sich dabei „nicht zuletzt durch Martin Luther dazu ermutigt, in theologisch-ethischen Fragen selbst zu denken“. Nikolaus Schneider kann – bei allem Respekt vor menschlichen Einzelentscheidungen – einen „Freitod“ nicht als Ausdruck menschlicher Würde und Freiheit sehen und warnt davor, dass (Hilfe zur) Selbsttötung zum Normalfall werden könnte und dadurch „Leben unter bestimmten Umständen nicht mehr als lebenswert“ qualifiziert würde. Dagegen lehnt seine Frau das grundsätzliche „Nein“ der Kirche zur Sterbehilfe ab. Ihr ist die „Selbstbestimmung und Entscheidungsfreiheit mit Blick auf eine eventuelle Verkürzung“ des Sterbens wichtig. Die eigene Freiheit soll „durch theologische Verurteilungen und durch staatliche Gesetze nicht allein deshalb beschnitten werden, weil diese Freiheiten unter Umständen missbraucht werden könnten“. Nikolaus Schneider hebt hervor, dass ärztliche Suizidbeihilfe nicht generell als organisiert zu bewerten sei, sondern dass es hier viele theologisch-ethische und rechtliche Grauzonen gäbe. „Der behandelnde Arzt, die Pflegenden und die begleitenden Angehörigen sollen meines Erachtens ohne Angst auf Strafverfolgung den Schutzraum der Grenzsituation in Anspruch nehmen dürfen“, so Schneider.

Die anschließende Diskussion mit dem Publikum machte deutlich, wie sehr eigene Erfahrungen unsere Sichtweise bestimmen und wie Grenzfälle eine sensible ethische Urteilsfindung sowie einen respektvollen Diskurs verlangen. Tabuisierungen helfen hier nicht weiter, wie Anne Schneider es ausdrückt: „Verdrängen und Vermeiden von Sterbeprozessen und von Beziehungen zu Sterbenden banalisieren unser Leben“. Sich der Endlichkeit des Lebens zu stellen befördert ein bewusstes Leben in Verantwortung und Dankbarkeit. Beide Referenten trägt das Vertrauen: „Glaube, Liebe und Hoffnung sind stärker als der Tod.“ Die auch musikalisch (die Gruppe „Ohrwurm“ gestaltete das Rahmenprogramm) beschenkten Zuhörer konnten nach einem Abendlied vieles zum Nachdenken mit nach Hause nehmen.
UM.Sicht 35, S. 20                                                Autorin: Renata Kiworr-Ruppenthal


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