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Behandlung chronischer Koronararterienverschlüsse


Ein plötzlicher, kompletter Verschluss einer Herzkranzarterie führt zu einem Herzinfarkt, da das Herzmuskelgewebe nach dem Verschluss nicht mehr mit sauerstoffreichem Blut versorgt werden kann. Nicht selten verlaufen solche Herzinfarkte "stumm". Ein stummer Herzinfarkt weist keine oder keine eindeutigen Symptome auf und wird vom Betroffenen oft nicht bemerkt. Eine adäquate Behandlung bleibt demzufolge zumeist aus.
In anderen Fällen kann es zu einer schleichenden Zunahme der Einengung an einem  Herzkranzgefäß kommen, bis dieses komplett verschlossen ist. Sowohl ein plötzlicher als auch ein schleichend voranschreitender Verschluss führen zu einem Zustand, in dem das Herzkranzgefäß über einen längeren Zeitraum verschlossen bleibt. Dies führt zu einer Verhärtung der Verschlussstelle, welche die Wiedereröffnung des Gefäßes im Rahmen einer routinemäßig durchgeführten Herzkatheteruntersuchung mit den gängigen Standardmaterialien unmöglich macht.
Unser Körper versucht die Minderversorgung des Herzens mit sauerstoffreichem Blut zu kompensieren, indem er neue kleine Gefäße bildet oder aktiviert, die von den anderen Herzkranzgefäßen ausgehen (sog. Umgehungskreisläufe oder Kollateralen). Diese Umgehungskreisläufe können die fehlende Blutversorgung zwar teilweise widerherstellen, reichen jedoch zumeist nicht aus, um eine regelrechte Versorgung zu gewährleisten. Unter körperlicher Belastung kann es daher zu Symptomen wie Brustschmerzen und Luftnot kommen.

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Verschlossene Bereiche des rechten Herzkranzgefäßes


Damit ein solcher Verschluss als "chronisch" eingestuft werden kann, muss dieser länger als drei Monate bestehen. In vielen Fällen gibt es keinen konkreten Nachweis - die starke Verhärtung der Engstelle in Kombination mit der Bildung von Umgehungskreisläufen sind jedoch starke Hinweise. Circa 15-20% der Patienten, die sich einer Herzkatheteruntersuchung unterziehen, leiden an einem solchen chronischen Totalverschluss einer Herzkranz-arterie (kurz CTO, engl. für chronic total occlusion).

Behandlung

Im ersten Schritt überprüfen wir, ob das Herzmuskelgewebe, welches von den Umgehungskreisläufen versorgt wird, „vital“ ist, also noch ausreichend aktive Zellen aufweist. Im Falle einer Narbe, welche aus abgestorbenen und funktionslosen Zellen besteht, ist eine interventionelle katheterbasierte Behandlung nicht sinnvoll.
Der Nachweis erfolgt unter Zuhilfenahme bildgebender Verfahren (z.B. Magnetresonanztomographie).

Wenn das betroffene Herzmuskelgewebe "vital" ist und Symptome wie eine Minderung der Leistungsfähigkeit oder Brustschmerzen vorhanden sind, wird eine Wiedereröffnung des verschlossenen Herzkranzgefäßes durchgeführt. Im Vergleich zu einer normalen Behandlung einer Gefäßverengung mittels Herzkatheter ist diese Prozedur zeit- und materialaufwendig, die Behandlungsdauer kann drei bis vier Stunden betragen. Zur Maximierung des Therapie-erfolges und zur Minimierung der Komplikationsrate ist eine sorgfältige Planung des Vorgehens hierbei von enormer Bedeutung.

Die Wiedereröffnung von chronischen Verschlüssen der Herzkranzgefäße erfolgt mit Drähten unterschiedlicher Härte und Beschichtung. Die Drähte variieren von weichen flexiblen Drähten zur Sondierung und Passage von Kanälen, die mit dem bloßen Auge nicht sichtbar sind bis hin zu sehr harten und steifen Drähten, die dazu in der Lage sind, die Engstellen direkt zu passieren und somit hinter den Verschluss zu gelangen. Nicht selten ist die Verwendung verschiedener Drähte mit unterschiedlichen Eigenschaften notwendig.

In der Regel versuchen wir den Verschluss des Herzkranzgefäßes von vorne, also in der Flussrichtung des Blutes zu passieren. Gelingt dies nicht, werden wir versuchen den Verschluss aus der entgegengesetzten Richtung von hinten (über Umgehungskreisläufe) zu erreichen. Beispielsweise können wir somit die Hinterwandarterie des Herzens über kleine Gefäße der Vorderwandarterie erreichen und so den Verschluss der Hinterwandarterie sowohl von dem vorderen als auch von dem hinteren Gefäße aus behandeln. Wenn uns dies gelingt und anschließend ein Kanal im verschlossenen Bereich geschaffen werden kann, wird die Engstelle mit einem Ballon aufgeweitet und eine Gefäßstütze (Stent) implantiert. Dieser schützt das Gefäß vor einem erneuten Verschluss (s. Informationen zur Koronarintervention und Stentimplantation).

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Unsere Klinik ist seit dem Jahr 2018 Mitglied im europäischen CTO-Club. Mit mehr als 100 Fällen und einer Erfolgsrate von ca. 90% nahmen wir in 2018 den zweiten Platz der „Associated Members“ des CTO-Clubs ein - eine sehr erfreuliche Entwicklung für unsere Patienten und unsere Abteilung.