Mangelhafte Kenntnisse bei der Wiederbelebung

Studie der Klinik für Anästhesiologie der Universitätsmedizin Mainz deckt große Defizite bei den Erste-Hilfe-Kenntnissen in der Bevölkerung auf

Die Kenntnisse von Laien in Bezug auf die Herz-Lungen-Wiederbelebung weisen ernstzunehmende Defizite auf. Das hat eine Studie der Klinik für Anästhesiologie der Universitätsmedizin Mainz ergeben, die kürzlich in der Fachzeitschrift Emergency Medical Journal veröffentlicht wurde. Darin haben die Mediziner 89 Passanten mit einem Herzstillstand bei einer Notfall-Trainingspuppe konfrontiert und um Hilfe gebeten. Keiner der Teilnehmer folgte den gängigen Wiederbelebungs-Leitlinien für Erst-Helfer korrekt – unabhängig davon, wann sie den letzten Erste-Hilfe-Kurs besucht hatten. 10 Prozent der Befragten konnten keine gültige Notrufnummer nennen. Die Mediziner fordern daher neue Konzepte, um mehr Menschen zu Auffrischungskursen in Erster-Hilfe zu motivieren sowie eine weitere Vereinfachung der Wiederbelebungsregeln für Laien.

In Deutschland ist die Teilnahme an einem Kurs zu lebensrettenden Sofortmaßnahmen Mindest-Voraussetzung für den Führerscheinerwerb – regelmäßige Auffrischungs-Kurse sind hingegen nicht vorgeschrieben. In solch einem Kurs wird auch die Technik der Herz-Lungen-Wiederbelebung trainiert. Das zugrunde liegende Prinzip der alternierenden Mund-zu-Mund-Beatmung und Herzdruckmassage hat sich dabei in den letzten Jahren nicht geändert – sondern wurde lediglich in Details modifiziert. In Europa sterben jährlich etwa 700.000 Menschen durch plötzlichen Herzstillstand. Die sofortige Behandlung eines Herzstillstandes durch Herz-Lungen-Wiederbelebung ist essentiell, um das Überleben des Patienten zu gewährleisten und schwere neurologische Folgeschäden zu vermeiden. Bis zum Eintreffen des Notarztes kommt Erst-Helfern hierbei eine besondere Bedeutung zu. „Mit unserer Studie wollten wir daher die Fähigkeiten bezüglich Erste-Hilfe-Maßnahmen in der Bevölkerung evaluieren“, erläutert Dr. Rüdiger R. Noppens, Oberarzt an der Klinik für Anästhesiologie und Mitautor der Studie. „Das Ergebnis kann helfen, das Notfall-Training für Erst-Helfer zu verbessern und nachhaltiger zu gestalten.“

Für ihre Studie haben die Mediziner insgesamt 89 Passanten mit der fiktiven Notfallsituation „Sie sind alleine und finden eine nicht ansprechbare Person“ konfrontiert und um Hilfe gebeten, wobei das „Opfer“ eine Notfall-Trainingspuppe war. Sie beobachteten die Teilnehmer und dokumentierten deren Maßnahmen in einem standardisierten Bewertungsbogen, der den gängigen Wiederbelebungsrichtlinien folgt. Anschließend notierten die Mediziner Alter, Geschlecht sowie Datum des letzten Erste-Hilfe-Kurses des Teilnehmers und fragten nach Kenntnis einer gültigen Telefonnummer für den Notfall.

„Die gängigen Empfehlungen zur Wiederbelebung einer bewusstlosen Person sehen Maßnahmen wie Mund-zu-Mund-Beatmung, Herzdruckmassage oder Not- und Hilferuf in einer bestimmten Reihenfolge vor“, erläutert Dr. Tim Piepho, Notarzt der Klinik für Anästhesiologie und Mitautor der Studie. „Keiner der Teilnehmer folgte den Empfehlungen korrekt und in der richtigen Reihenfolge, vielmehr wurden die meisten Schritte beliebig nacheinander durchgeführt.“ 43 Prozent der Beteiligten prüften die Ansprechbarkeit des „Opfers“, 65 Prozent führten eine Herzdruckmassage und 63 Prozent eine Mund-zu-Mund-Beatmung durch. Die Durchführung einer sofortigen und effektiven Herzdruckmassage durch den Erst-Helfer ist dabei besonders wichtig, um ein Überleben nach Herzstillsand zu gewährleisten.

Darüber hinaus wandten Teilnehmer, die ihren letzten Erste-Hilfe-Kurs vor mehr als zehn Jahren absolviert hatten, seltener Herzdruckmassage und Mund-zu-Mund-Beatmung an. „Obwohl unsere Studie nicht zum Ziel hatte, einen optimalen Abstand für Erste-Hilfe-Auffrischungskurse festzulegen, konnten wir doch zeigen, dass alle Teilnehmer, die einen Erste-Hilfe-Kurs innerhalb der letzten drei Jahre absolviert hatten, Mund-zu-Mund-Beatmung sowie die Herzdruckmassage durchführten“, sagt Univ.-Prof. Dr. Christian Werner, Direktor der Klinik für Anästhesiologie. In der Teilnehmergruppe, deren letzter Kurs mehr als drei Jahre zurücklag, war dies schon nicht mehr der Fall. „Ein weiteres Ergebnis, welches uns besonders überrascht hat, ist, dass zehn Prozent der Teilnehmer keine gültige Notrufnummer nennen konnten“, so Dr. Noppens. „Die Kenntnis einer solchen Nummer sollte eigentlich selbstverständlich sein.“

„Insgesamt hat unsere Studie ergeben, dass die meisten Erst-Helfer gängige Wiederbelebungsrichtlinien nicht ausreichend beherrschen“, fasst Prof. Werner die Ergebnisse zusammen. „Gerechtfertigt wäre daher nach unserem Dafürhalten die Einführung regelmäßiger Auffrischungskurse in Erster Hilfe. Alternativ sollten mehr Menschen zur Auffrischung dieser Kenntnisse motiviert und die Qualität der Kurse verbessert werden Unsere Studie legt nahe, dass die gängigen Erste Hilfe Richtlinien für Laien möglicherweise zu komplex sind – hier wäre eine Diskussion über eine weitere Vereinfachung sinnvoll.“

Kontakt
Dr. Rüdiger Noppens, Oberarzt an der Klinik für Anästhesiologie, E-Mail: noppens@uni-mainz.de

Pressekontakt
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Über die Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Die Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz ist die einzige Einrichtung dieser Art in Rheinland-Pfalz. Mehr als 60 Kliniken, Institute und Abteilungen sowie zwei Einrichtungen der medizinischen Zentralversorgung – die Apotheke und die Transfusionszentrale – gehören zur Universitätsmedizin Mainz. Mit der Krankenversorgung untrennbar verbunden sind Forschung und Lehre. Rund 3.500 Studierende der Medizin und Zahnmedizin werden in Mainz kontinuierlich ausgebildet. Weitere Informationen im Internet unter www.unimedizin-mainz.de