Neue Studie an der Universitätsmedizin Mainz: Depressionen und Herzerkrankungen

Studie erforscht neue psychotherapeutische Behandlungsansätze bei Herzpatienten mit depressiven Verstimmungen

Depressionen und Herzerkrankungen: Diese beiden Krankheitsbilder bedingen sich oft gegenseitig. So haben Menschen mit Depressionen oder depressiven Verstimmungen ein etwa doppelt so hohes Risiko eine koronare Herzerkrankung zu erleiden oder sind bei einer bestehenden Herzerkrankung anfälliger für Komplikationen. Eine durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft geförderte Studie erforscht neue psychotherapeutische Behandlungsansätze gezielt für solche Patienten – die also bereits eine Herzerkrankung haben und unter depressiven Verstimmungen leiden. An dieser Studie mit dem Titel „Psychotherapie zur Risikoverminderung bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit“ sind insgesamt zehn klinische Studienzentren beteiligt – an der Universitätsmedizin Mainz hat die Studie gerade begonnen.

Beteiligt an der Studie sind die Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie sowie die II. Medizinische Klinik und Poliklinik – die Kardiologie der Universitätsmedizin Mainz. „Psyche und Herz – diese beiden Dinge gehören in vielerlei Hinsicht zusammen“, betont Prof. Manfred Beutel, Direktor der Psychosomatischen Klinik. „So reduziert die Depressivität beispielsweise die Überlebenszeit nach einem Herzinfarkt. Zudem beeinflussen Depressionen direkt bestimmte Körperfunktionen wie etwa das Stresshormon Cortisol oder chronische Entzündungsprozesse, die wiederum die Entstehung von Herzerkrankungen bzw. Arteriosklerose fördern. Daher sind Studien, die sich gezielt mit depressiven Herzpatienten beschäftigen, enorm wichtig. Im Rahmen der aktuellen Studie sind wir als eines von deutschlandweit zehn Studienzentren beteiligt – darüber hinaus führen wir in Mainz die Qualitätssicherung der psychotherapeutischen Behandlung durch. Hierzu werden die Behandlungen auf Video aufgenommen und hinsichtlich der Qualität und Kompetenz der Durchführung in einem aufwendigen Verfahren bewertet.“

Dass bisherige kontrollierte klinische Studien zur medikamentösen oder psychotherapeutischen Behandlung von depressiven Herzpatienten leider nur unzureichende Ergebnisse erbrachten, liegt nach Auffassung der Mainzer Psychosomatiker daran, dass spezifische Risikomerkmale wie ein ungesunder Lebensstil und bestimmte Persönlichkeitseigenschaften nicht gezielt bearbeitet wurden. Als ein besonders herzschädliches Persönlichkeitsmerkmal hat sich in den letzten Jahren ein Muster von vermehrt negativen Gefühlen sowie ständigen Sorgen und gleichzeitig starker Hemmung im Ausdruck eigener Gefühle und im Umgang mit anderen Menschen erwiesen. Daher finden die negativen Emotionen bei diesen Menschen keinen Ausweg – und machen krank. Ein solches Verhaltensmuster wird beschrieben als „Distressed Personality Type“.

„In unserer Studie wählen wir daher einen neuen Ansatz: Wir bieten erstmals eine gestufte Psychotherapie an“, erläutert PD Dr. Matthias Michal, Oberarzt an der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie. „Zunächst erhalten die Patienten drei Einzeltherapie-Sitzungen innerhalb von drei bis fünf Wochen. Falls sich danach die depressiven Symptome nicht bessern, schließen wir eine weiterführende, mehrmonatige Gruppentherapie an. Insgesamt betreuen wir die Patienten etwa ein Jahr lang.“ Das Neue und Innovative an diesem Ansatz ist die Störungsspezifität. Die Patienten erhalten nicht nur eine Behandlung ihrer Depressivität, sondern in der Gruppen- und Einzeltherapie werden gezielt die Probleme von Patienten mit einer koronaren Herzerkrankung und gleichzeitig vorhandenen psychischen Beschwerden angegangen. Die Psychotherapie zielt auch darauf ab, den Herzpatienten zu helfen einen besseren Umgang mit ihrer Erkrankung zu entwickeln, also beispielsweise Medikamente regelmäßig einzunehmen, krankheitsbezogene Ängste abzubauen und den Lebensstil positiv zu ändern – etwa durch Steigerung der körperlichen Aktivität, das Erlernen von Entspannungsübungen und eine allgemein gesündere Lebensweise. Insbesondere im Rahmen der psychodynamischen Gruppentherapie lernen die Herzpatienten mit ihren negativen Gefühlen umzugehen, ihrem Herzen Luft zu machen und zwischenmenschliche Beziehungen zufriedenstellender zu gestalten – um so den psychischen Druck, der auf ihnen lastet, abzubauen.

An der Studie teilnehmen werden Patienten der II. Medizinischen Klinik und Poliklinik der Universitätsmedizin Mainz. „Herz-Kreislauferkrankungen sind die häufigste Todesursache in der westlichen Welt“, erläutert Prof. Thomas Münzel, Direktor der II. Medizinischen Klinik und Poliklinik. „Im klinischen Alltag sehen wir dabei sehr oft Patienten, die neben ihrer körperlichen Erkrankung auch unter psychischen Problemen leiden. Eine gezielte Bekämpfung der psychischen Probleme ist dabei ein wichtiger Bestandteil der gesamten Therapie – und kann entscheidend zur Genesung und zur Lebensqualität der Patienten beitragen. Daher ist die neue Studie sehr wichtig für die Behandlung herzkranker Patienten.“

Die Studie läuft über einen Zeitraum von fünf Jahren und wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft mit gut 1 Million Euro gefördert. Die Studie wird an insgesamt zehn klinischen Studienzentren durchgeführt – darunter die Universitätsmedizin Mainz. Studienleiter sind Prof. Christoph Herrmann-Lingen von der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der Universitätsmedizin Göttingen und PD Dr. Christian Albus von der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der Universität Köln.