Neue Wege bei der Behandlung von Patienten mit Morbus Hunter

Universitätsklinikum Mainz behandelt als erstes Patienten mit neu zugelassenem Medikament

Eine tiefe, heisere Stimme, Herzschwäche, Schwerhörigkeit, Wachstumsverzögerungen und eingeschränkte Bewegungsfähigkeit sind für Patienten mit Morbus Hunter charakteristisch. Bisher gab es nur begrenzte Möglichkeiten die Krankheit zu behandeln. Die Kinderklinik und Kinderpoliklinik des Klinikums der Johannes Gutenberg-Universität Mainz hat jetzt erstmals Morbus-Hunter-Patienten mit einem neu zugelassenen Medikament behandelt.

Morbus Hunter ist eine seltene, fortschreitende Erbkrankheit und gehört zu den lysosomalen Speicherkrankheiten – das sind seltene Stoffwechselerkrankungen. In Deutschland gibt es rund 120 Morbus-Hunter-Patienten. Ursache der Erkrankung ist ein defektes Gen auf dem X-Chromosom. Daher sind fast ausschließlich Männer betroffen. Das defekte Gen verursacht dabei geringe bis schwere geistige Entwicklungsverzögerungen, die unter anderem mit Skelett- und Gesichtsveränderungen, Wachstumsverzögerungen und Störungen der Grobmotorik einher gehen. Die Symptome der angeborenen  Krankheit können schon bei der Geburt, aber auch erst im Wachstumsverlauf auftreten. Eine ursächliche Behandlung war bisher nicht möglich.

Seit Juli 2006 gibt es nun ein neues Medikament, dessen Wirkstoff eine Kopie des menschlichen Enzyms ist, welches bei Morbus-Hunter-Patienten defekt ist. Es handelt sich also um eine Enzymersatztherapie, bei der Patienten mit dem fehlenden Enzym versorgt werden. Nach den Ergebnissen der klinischen Studien – die vor der Einführung eines neuen Medikamentes durchgeführt werden müssen – verbessert das Medikament die Ausdauer, die körperliche Leistungsfähigkeit, die Gelenkbeweglichkeit und die Lungenfunktion der Patienten.

Hergestellt wird das Enzym durch eine biotechnologische Methode, bei der bestimmte Zellen dazu gebracht werden, das Enzym in verwertbarer Menge zu produzieren. Auf ähnliche Art und Weise werden bereits seit langem Gerinnungsfaktoren oder Insulin produziert.

„Bei fünf sehr seltenen Stoffwechselerkrankungen wird das Prinzip der Enzymersatztherapie bisher erfolgreich angewandt – Morbus Hunter ist nun die sechste Erkrankung, bei der die Enzymersatztherapie zum Einsatz kommt“, erklärt Prof. Dr. Michael Beck, Leiter der Villa Metabolica am Mainzer Universitätsklinikum. Die Villa Metabolica ist deutschlandweit das führende Zentrum auf dem Gebiet der lysosomalen Speicherkrankheiten, sie gehört zur Universitätskinderklinik und ist ein Zentrum für klinische Studien und Anwendungsbeobachtungen. „In Mainz führen wir als erste das neue Medikament ein, weil wir als eines von sechs Zentren an den internationalen Zulassungsstudien beteiligt waren. Von der neuen Therapie erhoffen wir uns, dass die Lebensqualität der Patienten deutlich besser wird“, erläutert Prof. Beck.