Pädiatrische Neurochirurgie

Pädiatrische Neurochirurgie

Pädiatrische Neurochirurgie

Dr. med. Malte Ottenhausen, MBA, FEBNS
Dr. med. Malte Ottenhausen, MBA, FEBNS
Funktionen:

Oberarzt


Sekretariat

 

 

 

 

Wissenswertes

Das Spezialgebiet der Pädiatrischen Neurochirurgie (Kinderneurochirurgie) ist seit den 1970er Jahren an der Neurochirurgischen Universitätsklinik Mainz etabliert.

Als besonderes Teilgebiet der Neurochirurgie befasst sich die Pädiatrische Neurochirurgie mit den speziellen Problemen neurochirurgisch erkrankter Kinder und Jugendlicher. Die Besonderheiten dieses Spezialbereiches ergeben sich zum einen daraus, dass gewisse neurochirurgische Erkrankungen ausschließlich oder zuerst im Säuglings- und Kindesalter auftreten (z. B. angeborene Fehlbildungen des Nervensystems, Wachstumsstörungen der Schädelknochen etc.), zum anderen daraus, dass auch bei Erwachsenen vorkommende neurochirurgische Erkrankungen im Kindesalter häufig gewisse Besonderheiten aufweisen (z.B. wachsende Schädelbrüche, Hirngeschwülste, Störungen des Hirnwasserkreislaufs etc.). Daher widmet sich eine eigene Gruppe von Neurochirurgen speziell der Behandlung von Patienten dieser Altersgruppe.

Die neurochirurgisch erkrankten Kinder werden grundsätzlich in enger Kooperation mit der Kinderklinik und den Ärztinnen und Ärzten der dort vertretenen Spezialdisziplinen (z. B. Neuropädiater, Kinderonkologen, Kinderradiologen etc.) behandelt. Die Kinder liegen im Falle einer stationären Behandlung auf einer der Stationen der Kinderklinik und werden in der Neurochirurgischen Klinik in einem eigenen, speziell auch für Frühgeborene, Neugeborene und Säuglinge eingerichteten Operationssaal operiert; die Narkose erfolgt durch besonders in der Kinderanästhesie erfahrene Narkoseärztinnen bzw. -ärzte.

Im Bereich Pädiatrische Neurochirurgie an der Neurochirurgischen Universitätsklinik Mainz wird das ganze Spektrum kinderneurochirurgischer Erkrankungen abgedeckt. Schwerpunkte sind insbesondere die Behandlung von Störungen des Hirnwasserkreislaufs (Hydrozephalus), vorzeitigen Verschlüssen der Schädelnähte (Kraniosynostosen) und Hirntumoren, ferner die Therapie des sog. angeborenen offenen Rückens (Spina bifida).

Um die Operationen möglichst schonend und gleichzeitig effektiv durchführen zu können, steht eine Reihe spezieller (Zusatz-)Techniken zur Verfügung, die, wenn erforderlich, während des Eingriffs zum Einsatz kommen. Hierzu zählen u.a. die Neuroendoskopie, die Neuronavigation, die Stereotaxie, das intraoperative Monitoring, die intraoperative Ultraschalluntersuchung oder die intraoperative Computertomographie. Diese Techniken lassen sich häufig auch sinnvoll miteinander kombinieren. Anwendungsbeispiele werden über die entsprechenden Links gezeigt.

Arbeitsgemeinschaft Spina Bifida und Hydrocephalus e.V. ASBH e.V.



Kraniosynostosen


Bei vorzeitigem Verschluss einer Knochennaht des Schädeldaches (sog. prämature Kraniosynostose) wird das Knochenwachstum, das von diesen Nähten ausgeht, gestört und es kommt zu meist typischen Verformungen des Schädels, u. U. auch zu einer Verengung des Schädelinnenraumes (Kraniostenose) mit Erhöhung des Schädelinnendruckes und im schlimmsten Falle einer Beeinträchtigung des Hirnentwicklung. Hier stehen verschiedene operative Verfahren zur Verfügung, um durch ein Entfernen der verschlossenen Naht einschließlich des angrenzenden Knochens oder durch eine "Remodellierung" verschiedener Regionen des Schädels der Verformung des Schädels bzw. einer Verengung des Schädelinnenraums entgegenzuwirken. Die häufigsten vorzeitigen Nahtverschlüsse betreffen die Pfeilnaht (Sutura sagittalis) und die Stirnnaht (Sutura metopica). Ersteres führt zur Ausbildung eines Lang- oder Kahnschädels (Dolichozephalus, Skaphozephalus), letzteres zur Ausbildung eines Dreieckschädels (Trigonozephalus). Die Operationen sollten möglichst im ersten Lebensjahr durchgeführt werden.

Skaphozephalus/Dolichozephalus

Von der Pfeilnaht (Sutura sagittalis, s. Abb. 1) geht insbesondere das Breitenwachstum im hinteren Schädelbereich aus, so dass bei vorzeitigem Verschluss dieser Naht der Schädel zu schmal und zu lang wird (Langschädel, Dolichozephalus, s. Abb. 2) oder sich das Schädeldach kielartig verformt (Kahnschädel, Skaphozephalus).

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Abbildung 3 zeigt in der Ansicht von oben einen 4 Monate alten Säugling mit deutlich längsverformtem Kopf. Ursache ist ein vorzeitiger Verschluss der Pfeilnaht (vgl. Abb. 2). Die Aufnahme 8 Wochen nach der Operation (Abb. 4) zeigt deutlich die Normalisierung (Verbreiterung) der Schädelform.

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Trigonozephalus

Von der Stirnnaht (Sutura metopica, s. Abb. 5) geht insbesondere das Breitenwachstum im vorderen Schädelbereich aus, so dass bei vorzeitigem Verschluss dieser Naht der Schädel im Stirnbereich zu schmal und im Hinterhauptsbereich verhältnismäßig breit wird (Dreieckschädel, Trigonozephalus, s. Abb. 6). Unter anderem führt das auch zu einem zu engen Abstand zwischen den Augenhöhlen (Hypotelorismus).

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Das vor der Operation aufgenommene Photo eines 6 Monate alten Säuglings (Abb. 7) zeigt in der Ansicht von oben die typische dreieckige Form des Schädels bei vorzeitigem Verschluss der Stirnnaht (vgl. Abb. 5). Die Aufnahme 4 Wochen nach der Operation (Abb. 8) zeigt die Normalisierung insbesondere im Bereich der Stirnregion.

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Hydrozephalus

Im Inneren des Schädels bzw. der Wirbelsäule sind Gehirn und Rückenmark von einer wasserklaren Flüssigkeit umgeben, dem sog. Nervenwasser oder Hirnwasser (lateinisch: Liquor cerebrospinalis, kurz: Liquor).
In der Schädelhöhle befindet sich der Liquor zum einen außerhalb des Gehirns: äußere Hirnwasserräume (Subarachnoidalraum, mit mehreren umschriebenen Erweiterungen, sog. Zisternen), zum anderen innerhalb des Gehirns: innere Hirnwasserräume (insgesamt vier Hirnkammern oder Ventrikel).

Das Hirnwasser wird in den vier Hirnkammern gebildet (Liquorproduktion). Es fließt dann über die beiden seitlichen Hirnkammern in die dritte, schließlich in die vierte Hirnkammer und danach in die äußeren Hirnwasserräume (Hirnwasserkreislauf, Liquorzirkulation). Dort wird es wieder ins Blut zurück aufgenommen (Liquorresorption) (s. Abb. 1).

Innere und äußere Liquorräume

Abbildung 1: Innere und äußere Liquorräume mit schematischer Darstellung der Liquorproduktion (grüne Pfeile), Liquorzirkulation (blaue gepunktete Pfeile) und Liquorresorption (orangefarbene Pfeile).

 

Die Bildung des Liquors und seine Rückaufnahme ins Blut stehen normalerweise in einem Gleichgewicht. Wird dieses Gleichgewicht durch eine Behinderung der Liquorzirkulation oder eine Minderung der Liquorresorption gestört, so kommt es zu einem Aufstau des Hirnwassers mit Erweiterung der Hirnkammern und Erhöhung des Schädelinnendruckes. Man bezeichet diese Erkrankung als Hydrozephalus ("Wasserkopf") (s. Abb. 2).
Die Erhöhung des Schädelinnendruckes führt u.a. zu Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen und Bewusstseinsstörungen und ist in ausgeprägten Fällen lebensgefährlich. Bei Säuglingen kommt es wegen der noch nicht geschlossenen Schädelnähte auch zu einer Vergößerung des Kopfumfanges und Vorwölbung der Fontanelle.

Erweiterung der Hirnkammern

Abbildung 2: Erhebliche Erweiterung der Hirnkammern (im Bild weiß) bei einem Säugling mit Hydrozephalus (links). Zum Vergleich normales Bild mit engen Hirnkammern (rechts).

Da ein dauerhaft erhöhter Druck im Schädelinneren das Gehirn schädigt und im schlimmsten Fall zum Tode führen kann, ist eine Behandlung unumgänglich. Während eine kurzfristige Senkung des Schädelinnendruckes gerade bei Kindern auch durch spezielle Medikamente erreicht werden kann, ist eine langfristige Behandlung nur durch eine neurochirurgische Operation möglich.

Die Art der neurochirurgischen Behandlung des Hydrozephalus wird wesentlich bestimmt durch die Ursache der Hirnwasserkreislaufstörung. Liegt eine Minderung der Liquorresorption - bei im übrigem ungehinderter Liquorpassage innerhalb des Schädels - vor (sog. malresorptiver Hydrozephalus), so muss der Liquor in eine andere Körperhöhle abgeleitet werden. Das Standardverfahren ist hier die Anlage eines ventrikuloperitonealen Shunts (VP-Shunt), über den der Liquor in die Bauchhöhle abfließen kann. Hierbei wird ein dünner Kunststoffkatheter in eine der seitlichen Hirnkammern am Kopf eingelegt, dieser Katheter wird unter der Kopfhaut weitergeführt und mit einem Ventil verbunden, welches ebenfalls unter der Kopfhaut liegt. An dieses Ventil wird ein Bauchhöhlenkatheter angeschlossen, welcher ebenfalls unter der Haut verlaufend vom Kopf über Hals und Brust bis in die Bauchhöhle führt, wohin das unter Druck stehende Hirnwasser dann abgeleitet wird (s. Abb. 3).



Shunt

Abbildung 3a: Schematische Darstellung eines ventrikuloperitonealen Shunts (VP-Shunt) mit den drei typischen Shuntkomponenten (Ventrikelkatheter: grün; Ventil: violett; Peritonealkatheter: gelb)

 

 

Abbildung 3b

Abbildung 3b: Kernspintomogramm des Schädels bei einem 6½  Monate alten Säugling mit ausgeprägtem Hydrozephalus (links). Die Kontrolle 1½ Jahre nach Shuntversorgung zeigt einen erheblichen Rückgang der Ventrikelweite.

 

Dieses Verfahren wird seit Jahrzehnten praktiziert. Es ist allerdings bekannt, dass in nahezu der Hälfte der jungen Patienten (insbesondere, wenn der erste Shunt im Säuglingsalter gelegt wird), innerhalb der ersten zwei Lebensjahre ein oder mehrere weitere chirurgische Eingriffe (Shuntrevisionen) wegen Fehlfunktion oder Infektion des Systems benötigt werden.

Häufige Ursachen eines malresorptiven Hydrozephalus im Kindesalter sind Hirnblutungen, Hirnhautentzündungen oder angeborene Fehlbildungen des Nervensystems.

Ist der Hydrozephalus jedoch dadurch verursacht, dass - bei ungestörter Liquorresorption - der Liquorfluss innerhalb des Schädels behindert ist (sog. Verschlusshydrozephalus oder Okklusivhydrozephalus), so kann durch das Beheben der Abflussblockade oder Schaffung eines künstlichen Umgehungsweges innerhalb des Schädels der Hydrozephalus neurochirurgisch behandelt werden. Im Idealfall ist hierzu nur ein einmaliger Eingriff mit einem Endoskop notwendig, ohne dass ein Shunt angelegt werden muss. Dies ist z. B. möglich bei der sog. Aquäduktstenose, d.h. der teilweisen oder vollständigen Abflussbehinderung (= Stenose) im Verbindungsgang zwischen dritter und 4. Hirnkammer (= Aquädukt) (s. Abb. 4). Andere Ursachen eines Verschlusshydrozephalus sind z. B. Tumoren oder Zysten.

 

 

Okklusivhydrozephalus

Abbildung 4: Eine häufige Form des Okklusivhydrozephalus wird durch eine teilweise oder vollständige Verlegung des Aquädukts (Aquäduktstenose; Pfeil) hervorgerufen. Die vorgeschalteten ersten drei Hirnkammern sind aufgestaut, die darunter gelegene 4. Hirnkammer ist normal weit.



Das neurochirurgische Standardverfahren in der Behandlung ist hier die Durchführung einer sog. endoskopischen Ventrikulozisternostomie (kurz: Ventrikulostomie oder ETV) (s. Abb. 5).

dritte Hirnkammer

Abbildung 5: Mit Hilfe eines von oben über die seitliche Hirnkammer eingeführten Endoskopes wird die dritte Hirnkammer erreicht und dort der Boden der Hirnkammer gefenstert, so dass Liquor hindurchfließen kann.



Hierbei wird mit Hilfe eines dünnen Sichtrohres (Endoskop), welches während der Operation in die Hirnkammern eingeführt wird, eine Fensterung im Boden der 3. Hirnkammer geschaffen, die es dem Hirnwasser erlaubt, sozusagen an der Engstelle des Verbindungsganges zwischen 3. und 4. Hirnkammer vorbei, in die äußeren Hirnwasserräume abzufließen (s. Abb. 6 und 7).

Sicht durch das Endoskop

Abbildung 6: Sicht durch das Endoskop auf den Boden der dritten Hirnkammer. a: vor, c: nach der Ventrikulostomie (Pfeil). b: Mit einem Ballonkatheter (grün bzw. transparent) wird die Öffnung aufgeweitet.

äußeren Hirnwasserräume

Abbildung 7: Durch die Öffnung im Boden der 3. Hirnkammer kann der Liquor direkt in die äußeren Hirnwasserräume abfließen (blaue Pfeile), unter Umgehung der Engstelle im Aquädukt (schwarzer Pfeil).



Dieses Verfahren der Ventrikulozisternostomie kann in jedem Lebensalter (sogar bei Neugeborenen) angewandt werden (s. Abb. 8), hat aber bei Säuglingen eine geringere Erfolgsaussicht als bei älteren Kindern bzw. Erwachsenen. Wenn der Hydrozephalus nach Ventrikulostomie (bzw. ggf. nach wiederholter Ventrikulostomie) weiter besteht, muss ein Shunt (s. o.) gelegt werden.

Aquäduktstenose

Abbildung 8: Vier Monate alter Säugling mit Aquäduktstenose 3 Tage vor (links) und 10 Monate nach (rechts) Ventrikulostomie. Der Aquädukt ist verengt (Aquäduktstenose; schwarzer Pfeil); nach der Ventrikulostomie erkennt man am Boden der dritten Hirnkammer einen ausgeprägten Liquorfluss (schwarze Pfeilspitzen). Das Kind ist seit der Operation (02/2001) gesund und ohne Shunt.


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