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Wie die Wechselwirkung von zwei Molekülen die Entstehung von Morbus Crohn begünstigt

Neue Erkenntnis zum Entstehungsmechanismus der chronisch entzündlichen Darmerkrankung Morbus Crohn in „Gastroenterology“ veröffentlicht

Auf dem Bild ist eine Biopsie von Darmgewebe (Dickdarm) eines Morbus Crohn-Patienten dargestellt. Blau sind Zellkerne angefärbt, grün T-Zellen und rot das CYLD-Molekül, gelb eine Kolokalisation von CYLD und T-Zellen. Das Bild zeigt deutlich eine erhöhte Infiltration von entzündungsfördernden T-Zellen in das Darmgewebe von Morbus Crohn-Patienten. Interessant ist hierbei, dass diese Zellen auch das CYLD Molekül verstärkt exprimieren. Bildquelle: Katharina Gerlach und Benno Weigmann

Die Wechselwirkung zwischen den beiden Proteinen CYLD und SMAD7 im Darm spielt eine zentrale Rolle in der Entstehung von Morbus Crohn. Das haben Wissenschaftler der Universitätsmedizin Mainz gemeinsam mit Kollegen der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und Dr. Elke Glasmacher vom Helmholtz Zentrum München herausgefunden. Sie konnten zeigen, dass eine verkürzte Variante von CYLD – im Fachjargon sCYLD – mit SMAD7 interagiert und infolgedessen eine Fehlfunktion des für Morbus Crohn entscheidenden „transforming growth factor“ (TGF) beta Signalwegs ausgelöst wird. Gelänge es die Interaktion von sCYLD und SMAD7 zu verhindern, so könnte das Darmentzündungen entgegenwirken. Die Forschungserkenntnisse wurden in der renommierten Fachzeitschrift „Gastroenterology“ veröffentlicht.

Über 400.000 Menschen in Deutschland leiden an Morbus Crohn. Zu den Symptomen zählen anhaltender Durchfall und krampfartige Bauchschmerzen. Trotz intensiver Forschung ist die Ursache dieser chronisch entzündlichen Darmerkrankung noch nicht genau geklärt.

Bekannt war bislang, dass der „TGF beta“-Signalweg entzündungshemmend wirkt und zentral daran beteiligt ist, die Entstehung von Morbus Crohn zu verhindern. Darüber hinaus galt als erwiesen, dass ein verstärktes Auftreten des Moleküls SMAD7 zu Störungen im „TGF beta“-Signalweg führt. SMAD7 gilt als Gegenspieler dieses Signalweges und blockiert hierbei die Freisetzung eines entzündungshemmenden Botenstoffes (TGF-b1). Dies führt zu einer verstärkten Aktivierung von Immunzellen – wie T Zellen und Makrophagen – und kann somit eine Darmentzündung auslösen. SMAD7 liegt normalerweise in geringen Mengen vor, ist jedoch in verschiedenen  Erkrankungen wie Krebs als auch Morbus Crohn stark exprimiert.

Auch ein weiteres Molekül, CYLD, wurde in anderen Forschungsarbeiten in Zusammenhang mit Morbus Crohn gebracht. CYLD wurde zuerst als ein Tumorsuppressor entdeckt, da ein Defekt des CYLD-Gens zur Entstehung von verschiedenen Krebsarten führen kann. In mehreren Studien konnte nun aufgezeigt werden, dass eine Fehlfunktion der CYLD Aktivität zu verstärkten Entzündungsreaktionen führt und somit den Verlauf von chronischen Darmentzündungen fördert. „Ob und wie die beiden Proteine SMAD7 und CYLD wechselwirken und wie dies die Entstehung von Morbus Crohn beeinflusst, war jedoch nicht bekannt, und dies herauszufinden war Ziel unserer Arbeit“, unterstreicht der Direktor des Instituts für Molekulare Medizin an der Universitätsmedizin Mainz, Univ.-Prof. Dr. Ari Waisman, dessen Arbeitsgruppe die Forschungen durchführte. „In der Tat konnten wir erstmals zeigen, dass die verkürzte Form von CYLD – sCYLD – und SMAD7 wechselwirken und so den ‚TGF beta‘-Signalweg blockieren. Dies wiederum zieht Entzündungsprozesse im Darm nach sich.“

Zu den Forschungserkenntnissen gelangten Professor Waisman und sein Team, in dem sie Darm-Biopsien unter anderem mittels Fluoreszenzmikroskopie analysierten. „Wir haben ein erhöhtes Vorkommen sowohl von sCYLD als auch von SMAD7 in den entzündungsfördernden T-Zellen des Darms von Patienten mit Morbus Crohn gefunden“, berichtet der Erstautor der Publikation Dr. Yilang Tang. „Darüber hinaus konnten wir nachweisen, dass die Wechselwirkung beider Proteine auch zu einer Fehlfunktion wichtiger Immunzellen – wie regulatorischer T-Zellen führt, welche einen wichtigen Part in der Unterdrückung von Entzündungsreaktionen haben.“ Tatsächlich ist der TGF-beta-Signalweg essentiell für die entzündungshemmende Wirkung von regulatorischen T Zellen. Eine Blockierung des Signalweges über die sCYLD-SMAD7-Wechselwirkung unterdrückt somit die Funktion dieser Zellen und führt zu Entzündungsreaktionen.

„Insgesamt gesehen belegt unser Forschungsergebnis erstmalig, dass nicht nur die Regulation des ‚TGF beta‘-Signalwegs über SMAD7 in der Behandlung von Morbus Crohn wichtig ist. Vielmehr spielt gerade die Wechselwirkung von sCYLD mit SMAD7 eine entscheidende Rolle bei der Entstehung der Darmerkrankung“, sagt Dr. Sonja Reissig, Co-Erstauthorin der Forschungspublikation. Vor diesem Hintergrund könnte ein innovativer Therapieansatz zur Behandlung von Morbus Crohn-Patienten darin bestehen, entweder die Wechselwirkung der beteiligten Proteine zu hemmen oder die Verkürzung von CYLD zu sCYLD zu regulieren, um so der Entstehung von sCYLD und damit der chronischen Entzündung bei Morbus Crohn entgegenzuwirken.“

 

Originalpublikation: Alternative Splice Forms of CYLD Mediate Ubiquitination of SMAD7 to Prevent TGFB Signaling and Promote Colitis. Gastroenterology. Yilang Tang, Sonja Reissig,  Elke Glasmacher, Tommy Regen, Florian Wanke, Alexei Nikolaev, Katharina Gerlach, Vanessa Popp, Khalad Karram, Massimo C. Fantini, Jörn M. Schattenberg, Peter R. Galle, Markus F. Neurath, Benno Weigmann, Florian C. Kurschus, Nadine Hövelmeyer, Ari Waisman

DOI: doi.org/10.1053/j.gastro.2018.10.023

 

Bildunterzeile: Auf dem Bild ist eine Biopsie von Darmgewebe (Dickdarm) eines Morbus Crohn-Patienten dargestellt. Blau sind Zellkerne angefärbt, grün T-Zellen und rot das CYLD-Molekül, gelb eine Kolokalisation von CYLD und T-Zellen. Das Bild zeigt deutlich eine erhöhte Infiltration von entzündungsfördernden T-Zellen in das Darmgewebe von Morbus Crohn-Patienten. Interessant ist hierbei, dass diese Zellen auch das CYLD Molekül verstärkt exprimieren.

Bildquelle: Katharina Gerlach und Benno Weigmann

 

Kontakt
Univ.-Prof. Dr. Ari Waisman
Direktor des Instituts für Molekulare Medizin,
Universitätsmedizin Mainz
Tel.: 06131-17 9129
E-Mail: waisman@uni-mainz.de

 

Pressekontakt
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