II. Gingiva / B. Mikroskopische Merkmale / 2. Gingivales Bindegewebe

a. Gingivale Fasern


Bei den meisten Fasern handelt es sich um Kollagenfasern, wobei zu einem geringeren Anteil auch elastische Fasern und Oxytalanfasern vorkommen. Elastische und Oxytalanfasern sind im allgemeinen auf perivaskuläre Bereiche begrenzt. Oxytalanfasern werden jedoch auch innerhalb kollagenreicher Regionen wie der Lamina propria als dünne Faserbündel gefunden.

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Abb. 25: Transmissionselektronenmikroskopische Abbildung des gingivalen Bindegewebes. Beachten Sie die vergleichsweise starke Verdichtung der Kollagenfasern, die den größten Bereich in der Abbildung einnehmen. Der Umfang einer großen Kollagenfaser (CF), die aus hunderten Kollagenfibrillen besteht, ist markiert. C, kapilläres Blutgefäß, das einen Erythrozyten enthält; FB, Fibroblasten


KollagenfasernKlicken Sie in das Bild

Abb. 26: Die transmissionselektronenmikroskopische Abbildung des gingivalen Bindegewebes zeigt die Interzellularbrücken (ICJ) zwischen zytoplasmatischen Strängen aus benachbarten Fibroblasten. Die Fibroblasten bilden ein zelluläres Verbundnetzwerk. Ihre Interzellularspalten sind mit Fasern und geleeartiger Grundsubstanz gefüllt. Die Fibroblasten sind für die Bildung von Fasern und Grundsubstanz verantwortlich. Sie sind auch fähig, Fasern und Grundsubstanz während des Umbaus des gingivalen Gewebes zu entfernen.

Die meisten Fasern im gingivalen Bindegewebe bestehen aus Kollagen. Dabei handelt es sich vor allem um Kollagen Typ I, dem am häufigsten vorkommenden Typ im menschlichen Körper. Die strukturelle Einheit des Typ I-Kollagens ist eine typisch quergestreifte Fibrille mit einem charakteristischen Bandenmuster, das sich alle 64 nm wiederholt. Die Querstreifung resultiert aus der Anordnung der Kollagenmoleküle, die die einzelne Fibrille bilden (Abb. 27).

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Abb. 27: Transmissionselektronenmikroskopische Abbildung von Fibrillen aus Kollagen Typ I in Querschnitten (A) und in Längsschnitten (B). Die typische Querstreifung des Typ I-Kollagens ist gut an längsgeschnittenen Fasern erkennbar.

 

Typ I-Kollagenfibrillen organisieren sich normalerweise zu Fibrillenbündeln, d.h. Fasern. Sie werden in der gesamten Lamina propria gefunden. Kollagenfasern vom Typ III sind dünner als jene vom Typ I und kommen vor allem in der Nähe der Basallaminae von Gefäßkanälen und Epithelgeweben vor. Sie lassen sich leicht durch Silberfärbung darstellen und sind wahrscheinlich mit den meisten argyrophilen (silbergefärbten) Fasern in silbergefärbten Schnitten identisch. Sie werden auch als retikuläre Fasern bezeichnet (Abb. 28).
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Abb. 28: (unbekannte Quelle): Schematische Darstellung von retikulären Fasern (oben) und charakteristischen Fasern aus Kollagen Typ I (unten). Jeder Fasertyp besteht aus einem Bündel von Fibrillen, die die Struktureinheit der Fasern darstellen. Die Fibrillen in retikulären Fasern sind zahlenmäßig geringer und dünner (Durchmesser ca. 40 Nanometer) als jene in charakteristischen Fasern aus Kollagen Typ I (Durchmesser ca. 80-90 Nanometer). Kollagenfasern können mehrere hundert Fibrillen enthalten und einen Durchmesser von mehreren Mikrometern erreichen.


Ankerfibrillen, elastische und Oxytalanfasern

Kollagen Typ VII kommt in Ankerfibrillen, die sich in engem Kontakt mit epithelialen Basallaminae befinden, vor (Abb. 12). Zusätzlich zu den bisher genannten fibrillären Kollagenformen tritt Kollagen Typ IV, eine amorphe Kollagenform, auf. Kollagen Typ IV kommt in den Basallaminae von Epithel und Blutgefäßwänden, vor allem in der Lamina densa, vor.

Die anderen Fasertypen im Parodont sind elastische Fasern und Oxytalanfasern. Elastische Fasern sind eher selten in der Lamina propria anzutreffen. Sie sind vielmehr ein typischer Bestandteil der alveolären Submukosa. Elastische Fasern bestehen aus zwei bedeutenden Komponenten: den aus Fibrillin bestehenden Mikrofibrillen und der amorphen Komponente Elastin. Elastin gibt der Faser ihre elastischen Eigenschaften.

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Abb. 29: Schnitt durch perivaskuläres Bindegewebe. Die Interzellularspalten enthalten sowohl elastische (EF) als auch Kollagenfasern (CF).

 


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Abb. 30: Stärkere Vergrößerung der in Abb. 29 dargestellten elastischen Fasern. Beachten Sie, dass sich die elastischen Fasern aus zwei verschiedenen Struktureinheiten zusammensetzen: einer mikrofibrillären Komponente (MF), die aus dem Protein Fibrillin besteht, und einer amorphen Komponente (AE), die aus dem Protein Elastin besteht und den Fasern ihre elastischen Eigenschaften gibt. Mit der Reifung der elastischen Fasern steigt das Verhältnis von Elastin zu Fibrillin an. In der Gingiva sind die meisten elastischen Fasern unreif und schwach entwickelt. 
                                                                  

Oxytalanfasern sind ein den elastischen Fasern verwandter Fasertyp. Oxytalanfasern scheinen lediglich aus einer mikrofibrillären Komponente zu bestehen und dadurch sehr unreifen elastischen Fasern zu ähneln.

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Abb. 31: Schnitt durch gingivales Bindegewebe, in dem Oxytalanfasern (OF) zwischen Kollagenfasern (CF) gefunden werden können. Oxytalanfasern bestehen wie elastische Fasern aus Mikrofibrillen, jedoch ohne amorphe Elastinkörperchen.

 



Klassifikation und anatomische Verteilung gingivaler Fasern

Die Kollagenfasern der Gingiva werden in 8 primäre Fasergruppen entsprechend der Abb. 32 unterteilt.

Abb. 32: Schematische Darstellung der primären Fasern der Gingiva. Diese bestehen vor allem aus Kollagenfasern. Die dentogingivalen Fasern (A) inserieren im supraalveolären Wurzelzement und strahlen in das benachbarte Bindegewebe aus. histo42Ba_sm.jpg (6361 bytes)Die dentoperiostalen Fasern (B) inserieren im supraalveolären Wurzelzement und strahlen ins Periost des benachbarten Alveolarfortsatzes. Die alveologingivalen Fasern (C) inserieren am Alveolarknochenkamm und strahlen in das benachbarte gingivale Bindegewebe aus. Die zirkulären Fasern (D) nehmen einen zirkulären Verlauf um die einzelnen Zähne. Die semizirkulären Fasern (E) inserieren an den Approximalflächen eines Zahnes und nehmen einen semizirkulären Verlauf mit Insertion an der gegenüberliegenden Seite desselben Zahnes. Die transgingivalen Fasern (F) inserieren an der Approximalfläche eines Zahnes und strahlen zur oralen oder vestibulären Seite aus. Die intergingivalen Fasern (G) verlaufen entlang der oralen und vestibulären Fläche des Zahnbogens. Die transseptalen Fasern (H) verlaufen von der Approximalfläche eines Zahnes zu der des benachbarten Zahnes.