Die parodontale Sondierung ist eine klinische Methode, mit der der strukturelle Zustand der parodontalen Gewebe durch mechanisches Sondieren der gingivalen Sulkusregion eingeschätzt werden kann. Die Sondierungstiefe erlaubt dem Kliniker, bestimmte Vermutungen über den Gesundheitszustand des Parodonts anzustellen.
Abb. 52 (Page, R. und Schroeder, H.E., 1976): Schematische Darstellung der gesunden Gingiva. Beachten Sie die intakten Kollagenfasern (CO), die den größten Teil des Bindegeweberaums ausfüllen, und den flachen gingivalen Sulkus (GS). Wenige Entzündungszellen sind im Bindegewebe oder Saumepithel (JE) vorhanden. AC, Alveolarknochenkamm; FI, Fibroblast; JE, Saumepithel; L, Lymphozyt; N, neutrophiler Granulozyt; OE, orales Gingivaepithel; P, Plasmazelle; PDL, Desmodont; SE, orales Sulkusepithel; V, Blutgefäß.Die gesunde Gingiva hält dem Eindringen einer Parodontalsonde, die mit leichtem Druck in den Sulkus eingeführt wird, vergleichsweise gut stand (siehe Abb. 54 und 56). Die Sondenspitze kann den gingivalen Sulkus zwar etwas stauchen, aber kaum in die nichtentzündeten Gewebe eindringen.
Abb. 53 (Page, R. and Schroeder, H.E., 1976): Schematische Darstellung einer chronisch entzündeten GingivaEin Entzündungszellinfiltrat aus Plasmazellen (P) und Lymphozyten (L) hat die Kollagenfasern neben dem Saumepithel (JE) zerstört. Aus Venolen (V) treten Serum und Entzündungszellen nach außen. Fingerartige Ausstülpungen des Saumepithels erstrecken sich in das entzündete Bindegewebe. Obwohl der gingivale Sulkus (GS) noch flach ist, hält das entzündete Gewebe dem Eindringen einer in den gingivalen Sulkus eingeführten Parodontalsonde weniger stand als gesundes Gewebe. Die Sonde würde die Blutgefäße zerreißen, zu einer Sondierungsblutung führen und wahrscheinlich das Gewebe durchstoßen, bis schließlich intakte Kollagenfasern einer weiteren Penetration Widerstand entgegensetzen (siehe Abb. 55 und 56).
Abb. 54: Parodontale Sondierung einer gesunden Gingiva. Die Spitze der Pardontalsonde ist direkt unterhalb des Zahnfleischrandes, innerhalb des gingivalen Sulkus. Die Sondenspitze übt Druck auf die gingivalen Gewebe aus und bewirkt ihre Blässe (siehe zum Vergleich die Farbe der benachbarten Gingiva). Die Gewebe sind jedoch gegenüber dem Sondendruck widerstandsfähig genug, um eine Gewebepenetration zu verhindern.
Abb. 55: Parodontale Sondierung der chronisch entzündeten Gingiva eines Parodontitispatienten. Die Spitze der Parodontalsonde befindet sich ungefähr 8 mm apikal des Zahnfleischrandes. Die apikale Lokation der Sondenspitze resultiert teilweise aus dem Vorhandensein einer parodontalen Tasche und aus der Penetration von kollagenarmem, chronisch entzündetem Gewebe in der Taschenumgebung. Sondierungsblutung wird häufig beobachtet, wenn auch hier nicht vorhanden.
Abb. 56: Schematische Darstellung der Lokalisation der Sondenspitze in gesunder Gingiva (A), leicht entzündeter Gingiva (B) und stark entzündeter Gingiva (C). In nichtentzündeter Gingiva staucht die Sonde den gingivalen Sulkus, dringt jedoch nicht in die Gewebe ein. In leicht entzündeter Gingiva penetriert die Sonde das Saumepithel (JE) in unterschiedlichem Ausmaße. In stark entzündeter Gingiva kann die Sondenspitze das Epithel und das benachbarte entzündete Bindegewebe (ICT) durchdringen und endet dann auf Höhe des nichtentzündeten Bindegewebes (NCT).