In der AG Harder befassen wir uns überwiegend mit Forschungsprojekten zur Neurofibromatose Typ 1 (NF1). Neben unserem Forschungsteam an der Universitätsmedizin in Mainz besteht seit 2020 das Projekt Cure-NF an der Medizinischen Fakultät der Martin-Luther-Universität in Halle an der Saale. Wir haben die Entwicklung einer Therapie für Patienten mit einer Neurofibromatose Typ 1 (NF1) mit konkreten Spleißmutationen im
NF1-Gen zum Ziel. Hierfür arbeiten wir mit induzierten pluripotenten Stammzellen und planen eine Testung von Morpholinos an differenzierten Zellen. Der Fokus liegt auf einer lebenslang kontrollierbaren Heilung der Erkrankung (
https://www.umh.de/einrichtungen/sonstige-einrichtungen/cure-nf-research-group). In Mainz existieren weiterhin verschiedene Forschungsprojekte und Kooperationen. Die Wesentlichen Schwerpunkte sind hier aufgeführt:
1. Spektrum und Charakteristika von genetischen Varianten im Neurofibromatose Typ 1 – Gen in verschiedenen Tumorentitäten (Sara Elahi / Anja Harder)
Pathogene Varianten im Neurofibromatose Typ 1 – Gen kommen auch unabhängig von der genetisch bedingten Tumorerkrankung Neurofibromatose vor. Wir sind daran interessiert, das Spektrum dieser Varianten darzustellen und rekurrente Varianten in verschiedenen Tumorentitäten aufzudecken. Dabei interessieren wir uns u.a. für die Auswirkungen der Varianten auf die Proteinstruktur. Ziel ist es, die Funktion von Neurofibromin für andere Tumorentitäten zu entschlüsseln, diese ggf. als Treibermutation des Tumors zu definieren und die Auswirkungen in Hinblick auf optimierte therapeutische Ansätze nutzbar zu machen.
2. RNA-basierte Modifikation von Spleißmutationen im NF1-Gen (Franziska Zech / Petra Leukel / Anja Harder)
Eine kausale Therapie für die genetisch bedingte Neurofibromatose Typ 1 (NF1) ist derzeit noch nicht möglich. Ähnlich anderen Gentherapien (wie z.B. der Muskeldystrophie Duchenne) gibt es jedoch auch beider NF1 Ansätze, mithilfe von Antisense Oligonukleotiden die negativen Auswirkungen bestimmter genetischer Varianten zu verringern und den Anteil des Wildtyp-Proteins zu erhöhen und so den Verlauf der Erkrankung positiv zu beeinflussen bzw. das Auftreten bestimmter Symptome zu verhindern. Wir vergleichen humane Zellen eines gesunden Elternteils mit denen eines an NF1 erkrankten Kindes. Dabei untersuchen wir die NF1-abhängige RNA-Expression, die Expression von Neurofibromin sowie die Regulation nach Behandlung mittels sogenannter Thiomorpholinos. Im Fokus steht die pathogene Variante c.1466A>G; p.Y489C, bei der es zu alternativen Spleißen und daraus resultierendem Translationsabbruch kommt. Bei den Zellen handelt es sich um aus weißen Blutkörperchen gewonnenen, induzierten, pluripotente Stammzellen, die zu verschiedenen Zelltypen, wie zum Beispiel zu „neural progenitos cells“, sog. NPC , ausdifferenziert werden.
3. Einsatz von Deep Learning zur automatischen histologischen Diagnostik und Differentialdiagnostik von peripheren Nervenscheidentumoren (Maxim Anokhin / Fabio Hellmann / Anja Harder)
Die Fortschritte der Deep Learning-Technologie bieten eine vielversprechende Grundlage für die Entwicklung von automatisierten Diagnosewerkzeugen, die die histopathologische Bewertung peripherer Nervenscheidentumoren revolutionieren könnten. Unter der Supervision erfahrener Neuropathologen könnten diese Werkzeuge die Diagnosegenauigkeit erhöhen, die Arbeitsbelastung reduzieren und letztendlich zu verbesserten Behandlungsergebnissen für Patienten führen. Im Hinblick hierauf ist das Ziel der vorliegenden Arbeit einen Deep Learning-Algorithmus für die automatisierte Klassifikation von peripheren Nervenscheidentumoren zu entwickeln und zu evaluieren.
4. Vergleichende Neurofibromin-abhängige, räumlich aufgelöste Transkriptomanalyse in Geweben sowie Auswirkung der MEK-Inhibitor-Therapie (Daniel Tippner / Anja Harder)
Die räumlich aufgelöste Genexpression bei NF1 in verschiedenen Organen ist bisher nicht weiterführend untersucht. Wir möchten daher die oben beschriebene Methodik nutzen, um die genaue Verteilung der NF1-abhängigen Genexpression in den verschiedenen Zellen und Organisationsstrukturen der Haut und gegebenenfalls anderer Organe zu erfassen und räumlich darzustellen. Hierzu werden Gewebe von NF1-Patienten und gesunden Kontrollen miteinander verglichen. Es ist zu erwarten, dass bei Vorliegen von NF1-Mutationen viele Zellen eine veränderte Genexpression zeigen, die wir quantifizieren können und äußerst differentiell und vor allem räumlich und Zelltyp-spezifisch aufarbeiten können.
5. Benchmarking – Algorithmen zur Kategorisierung von Tumoren mittels Nanopore-Sequenzierung (Moritz M. Wanko / Stanislav J. Sys / Angelika Waßmuth / Petra Leukel / Anja Harder und Susanne Gerber)
Es gibt verschiedene technische Optionen, um die Methylierung von DNA festzustellen, wobei die Nanopore-Sequenzierung zu den Schnelleren gehört. Die so erhaltenen Methylierungsmuster können genutzt werden, um Tumorzellen zu klassifizieren, da Zellkontext und -ursprung die DNA-Methylierung charakteristisch beeinflussen. Zur Klassifizierung können wir Machine Learning nutzen, um Modelle auf Datenbanken von bekannten Tumor-Proben zu trainieren, wobei es eine Vielzahl an potentiellen Algorithmen gibt. Das Ziel ist es, diese zu vergleichen und das beste Modell zu finden, um diese in eine diagnostische Nanopore-Sequenzierungs-Pipeline zu integrieren. Wir widmen uns insbesondere dem Benchmarking und entwickeln Lösungsansätze für bislang nicht untersuchte Gewebeproben.
6. Implementierung einer bioinformatische Pipeline für die Klassifikation von Hirntumoren unter Nutzung der Nanopore-Sequenzierung (Elisabeth Bürger / Stanislav J. Sys / Angelika Waßmuth / Petra Leukel / Anja Harder und Susanne Gerber)
Die Nanopore-Sequenzierung ist in der Lage, Methylierungen an der DNA zu detektieren. Diese Eigenschaft wird genutzt, um mithilfe von „machine learning“- Methoden Methylierungsmuster zu identifizieren, die auf einen bestimmten Subtyp von Hirntumoren hinweisen können. Um die Nanopore-Sequenzdaten für die Klassifizierung von Hirntumoren verwenden zu können, müssen diese zunächst bioinformatisch aufbereitet werden. Dazu wird eine Analyse-Pipeline implementiert, die an die Bedürfnisse der Neuropathologie und den aktuellen Forschungsstand angepasst ist. Diese bioinformatische Pipeline umfasst verschiedene Schritte wie das Alignment und die Identifizierung von Varianten sowie Methylierungen. Hiernach werden diverse Forschungsfragen abgeleitet, die sich mit seltenen Methylierungsmustern befassen.
7. Zirkadiane Rhythmik in Schwannzellen und NF1-assoziierten Tumorzellen (Sandra Leisz / Anja Harder)
Untersuchungen der zirkadianen Uhr bei der Neurofibromatose Typ 1 (NF1) haben eine Rolle des MAPK-Signalwegs, der cAMP-PKA, des Kalziumspiegels und der ALK-Signalgebung aufgedeckt. Astrozyten von Säugetieren zeigen einen gestörten Rhythmus, wenn ihnen
NF1 entzogen wird. Ob die Genexpression im peripheren Gegenstück der zentralen Glia, der menschlichen Schwann-Zelle, rhythmisch ist, z. B. in normalen (
NF+/+) oder NF1-assoziierten Schwann-Zellen (
NF1+/-), ist unbekannt. Gestörte zirkadiane Rhythmen können jedoch die Tumorentstehung fördern. Bei NF1 geht das Neurofibrom von Schwann-Zellen aus. Wir konnten in normalen menschliche Schwann-Zellen eine rhythmische Expression der wichtigsten sogenannten Uhren-Gene nachweisen, was darauf hindeutet, dass normale menschliche periphere Glia eine rhythmische Uhrgenexpression aufweist. Außerdem konnten wir nachweisen, dass die normale rhythmische Expression der essentiellen Uhren-Gene in Schwann-Zellen NF1-assoziierter bei MPNST aufgehoben ist. Außerdem konnten wir eine Zunahme der rhythmischen Expression von Onkogenen und Wachstumsfaktoren in MPNST-Zellen nachweisen.
8. Hypoxisch-ischämische Enzephalopathie im Hausschwein-Modell (Miriam Renz / Anja Harder)
Wir charakterisieren die CA2-Region des hypoxiesensiblen Hippokampus im Tiermodell (Hausschwein), da es hierzu bislang keine eindeutige Literatur gibt. Weiterhin haben wir einen Score entwickelt, um den neuronalen Schaden einfach und sicher zu quantifizieren. In Zusammenarbeit mit den Kollegen der Anästhesie evaluieren wir verschiedene Modelle eines intensivmedizinischen Modells und charakterisieren die Neuropathologie nach Herzstillstand und Reanimation.