Klinische Forschung

Durch die Schwerpunktbildung im Bereich chronischer Schmerz soll die Voraussetzung zur Einwerbung von Drittmitteln in den beiden neuen für die kommenden Jahre vorgesehenen BMBF/DFG-Förderschwerpunkten "Klinische Forschung" und "Psychotherapie-Forschung" geschaffen werden. Dabei soll die Wirksamkeit der in den letzten 10 Jahren hier in Mainz sukzessiv entwickelten psychotherapeutischen Behandlungskonzepte im Rahmen kontrollierter randomisierter Studien gesichert ("efficacy") und in der praktischen Anwendung überprüft ("effectiveness") werden. Im Rahmen der Therapieevaluation soll dabei in Zusammenarbeit mit der Abt. Allgemeine Psychologie am Mainzer Psychologischen Institut (Prof. Vossel) und dem Schwerpunkt Endokrinologie der I.Med. Klinik (Prof. Kahaly) die Veränderung biologischer Stressparameter sowie zentrale Veränderungen in PET und fMRI untersucht werden.

Die Entwicklung klinisch anwendbarer Screeningparameter zur Früherkennung psychosozialer Einflussfaktoren bei Entstehung und Chronifizierung von Schmerz steht seit vielen Jahren im Mittelpunkt der Forschung in der Psychosomatischen Klinik; dabei sollen - aufgrund hoher Versorgungs- und damit verbunden Kostenrelevanz - vor allem Studien an orthopädischen und zahnmedizinischen Patientenpopulationen durchgeführt werden.

Untersuchungen des peripheren Nervensystems an Patienten mit CRPS in der Neurologischen Klinik (PD Birklein) erbrachten, dass die Abbauwege für Neuropetide (CGRP, SP) bei dieser Erkrankung konstitutiv ineffektiv sind. War die Erkrankung akut und somit schmerzhaft, so war zusätzlich die Funktion des sympathischen Nervensystems beeinträchtigt. Nach derzeitigem Wissenstand ist anzunehmen, dass Störungen im Stoffwechsel des peripheren Nervensystems auch ein Korrelat im ZNS haben können. Wir sind in der Lage, mit Hilfe der Mikrodialyse, diese Stoffwechselstörungen zu quantifizieren.

In diesem psychosomatisch-neurologischen Kooperationsprojekt sollen Neuropeptidstoffwechsel und Funktion des Sympathikus bei Patienten mit und ohne Störungen der Stressverarbeitung (Angststörung) untersucht werden. Wenn sich Übereinstimmungen zeigen, wovon wir ausgehen, werden wir auch nach genomischen Faktoren suchen, die diese bedingen. Diese Suche wird zunächst mit auswärtigen Kooperationspartnern (Humangenetik Erlangen) begonnen. Durch die Strukturbildung dieses neurowissenschaftlichen Schwerpunktes wird es aber möglich sein, die molekularbiologischen Untersuchungen auch in Mainz zu etablieren. Durch diese Studie könnten Zusammenhänge in der Pathophysiologie wichtiger Schmerzkrankheiten (Migräne, neuropathische Schmerzen) erstmals in einer Art und Weise beleuchtet werden, dass eine spätere kausale oder präventive Therapie möglich wird.

Schmerzprogression und Opiatresistenz bei Tumorschmerzen sind häufig auf neuropathische Anteile zurückzuführen. In Anlehnung an die Konzeption des vom BMBF geförderten Verbundnetzwerkes "Mechanismen neuropathischer Schmerzen" sollen in Zusammenarbeit von Neurologischer Klinik, Anästhesiologischer Klinik sowie dem Institut für Physiologie und Pathophysiologie die wesentlichen Mechanismen dieser Tumorschmerzprogression untersucht werden. Dazu sollen durch quantitative sensorische Testung (QST) die Schmerzen charakterisiert und den einzelnen Veränderungen zugeordnet werden: Na+Kanal-Überexpression oder NMDA-Rezeptor- Sensibilisierung. Danach würden diese Mechanismen in verschiedenen Patientengruppen gezielt therapiert und Richtlinien für eine optimale Therapie neuropathischer Schmerzen bei einzelnen Tumorpatienten erarbeitet werden. Wir erwarten eine effizientere Schmerztherapie bei Tumoren, die bislang vielfach unzureichend wirksam und mit erheblichen Nebenwirkungen verbunden war. Diese Studie wird zur Förderung bei einem Projektträger eingereicht werden.

Als weiteres Projekt wird die Funktion primär-afferenter C-Fasern erfaßt, die der konventionellen Elektrophysiologie bisher nicht zugänglich war. Mit dem Quantitative Sensory Testing (QST) wurde deshalb eine eigene Methode entwickelt (Klinik für Neurologie und Institut für Physiologie und Pathophysiologie), um Funktionsdefizite nozizeptiver Fasern zu beschreiben. QST ist jedoch als Methode subjektiv und erfordert die aktive Mitarbeit der Patienten. In der Neurologischen Klinik wurde in Pilotstudien mit Hilfe des Forschungsfonds der Universität Mainz (Laser-Doppler-Imager) nun eine Methode entwickelt, periphere C-Fasern objektiv zu evaluieren. In weiteren Untersuchungen muss nun geprüft werden, ob sich diese Methode als C-Faser Screening eignet, bevor in gemeinschaftlichen Projekten mit der AG Diabetischer Fuß des GTFZ diese Methode an Patienten mit verschieden stark ausgeprägter Polyneuropathie evaluiert wird. Nach Beendigung dieser Studien wird erstmals ein Verfahren zur Verfügung stehen, Schmerzfasern objektiv, reproduzierbar und in vivo zu untersuchen. Dies wird Implikationen auch auf die Evaluierung künftiger Therapien haben.

Seitens der Anästhesiologie ist die klinische Forschung auf verschiedene Projekte zum neuropathischen Schmerz und zu zentralen Mechanismen der Hyperalgesie ausgerichtet. Kooperationspartner sind die Physiologie, Psychosomatik und Neurologie.

Dazu zählen Untersuchungen zur Lebensqualität von Patienten mit schweren neuropathischen tumorbedingten Schmerzen. Durch eine effektive Pharmakotherapie sind Verbesserungen der erheblich beeinträchtigten Lebensqualität erreichbar. Ungeklärt ist bisher, in welchem Ausmaß durch verschiedenartige psychische Komorbiditäten die Schwere neuropathischer Krankheitsverläufe sowie die Effektivität der Pharmakotherapie beeinflusst wird.

Die zentrale Sensibilisierung durch eine Operation ist ein weiterer Forschungsschwerpunkt. Nach Amputationen oder Thorakotomie können chronische neuropathische Schmerzen entstehen, deren Mechanismen nur zum Teil geklärt sind. Es werden pharmakologische Ansatzpunkte mit Lokalanästhetika, Opioiden sowie Ketamin untersucht, um die postoperative Hyperalgesie zu vermindern.

Ein besonderer Schwerpunkt wird in einer geplanten Längsschnittuntersuchung gesehen, die sich mit der Chronifizierung früher postoperativer Schmerzen nach großen Tumoroperationen beschäftigt. Dazu liegen bisher kaum prospektive Daten vor, insbesondere im Zusammenhang mit einer standardisierten postoperativen Schmerztherapie und der Erhebung verschiedener Risikofaktoren zur Chronifizierung von Schmerzen.