Logo der Universitätsmedizin Mainz

Sprengstoff für die Zelle: Nitroglyzerin verursacht Schäden am Erbgut

Eine neue Studie von Mainzer Kardiologen bewertet Rolle des gefäßerweiternden Wirkstoffs neu

Eine Forschergruppe um Univ.-Prof. Dr. Andreas Daiber von der Universitätsmedizin Mainz hat neue Nebenwirkungen des organischen Nitrats Nitroglyzerin aufgedeckt. Diese könnten die Prognose der behandelten Patienten nachhaltig beeinflussen. Wie die aktuelle Mainzer Studie zeigt, führt eine mehrtägige Behandlung mit Nitroglyzerin zu einer Schädigung des Erbguts, die vor allem in den für Reparaturprozesse wichtigen Stammzellen sowie den Endothelzellen ein Absterben auslösen können. Letztere bilden die Trennschicht zwischen Blutstrom und umliegendem Gewebe. Die aktuelle Arbeit ist in der Fachzeitsschrift „Basic Research in Cardiology“ erschienen.

Als Medikament wird Nitroglyzerin vor allem aufgrund seiner gefäßerweiternden Wirkung eingesetzt – und wirkt so einer Minderdurchblutung (Ischämie) etwa bei Angina pectoris oder Herzinsuffizienz entgegen. Die aktuelle Studie greift frühere Befunde klinischer Untersuchungen auf und zeigt, dass dieses klassische und lange erprobte antiischämische Medikament im Tiermodell und in der Zellkultur oxidative Schäden an der Erbsubstanz DNA induziert. Diese Schäden wiederum führen zu Brüchen in der DNA-Kette und somit zur Apoptose, dem programmierten Zelltod.

Die Daten zeigen weiter, dass beim Aussetzen der Nitroglyzerinbehandlung diese oxidativen Schäden fortbestehen und sich in einer bleibenden, wenn auch geringen Verschlechterung der Gefäßfunktion – im Fachjargon Endothelfunktion – niederschlagen. Da eine gestörte Endothelfunktion etwa über die Regulation des Blutdrucks und die Hemmung oder Aktivierung des Gerinnungsprozesses nach wie vor als Vorhersagefaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen diskutiert wird, kann die eingeschränkte Endothelfunktion unter Nitroglyzerintherapie zu einer schlechteren Prognose von Patienten mit diesem Medikament führen. „Zukünftige Studien müssen diese Befunde im klinischen Alltag verifizieren“, betont Professor Daiber, Leiter der Arbeitsgruppe für Molekulare Kardiologie am Zentrum für Kardiologie/Kardiologie I. „So können wir Nutzen und Risiken organischer Nitrate wie Nitroglyzerin für den Patienten abwägen und entscheiden, ob sie bei chronischer Anwendung zum Vorteil oder Nachteil für den Patienten sind.“

Die aktuelle Studie wurde vom Forschungszentrum Translationale Vaskuläre Biologie (CTVB) der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und vom Standort Rhein-Main des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) unterstützt. Das CTVB hat diese Arbeit als „Paper of the Month“ ausgezeichnet. Erstautorin ist die Doktorandin Yuliya Mikhed.

 

Originalpublikation:
Yuliya Mikhed, Jörg Fahrer, Matthias Oelze, Swenja Kröller-Schön, Sebastian Steven, Philipp Welschof, Elena Zinßius, Paul Stamm, Fatemeh Kashani, Siyer Roohani, Joana Melanie Kress, Elisabeth Ullmann, Lan P. Tran, Eberhard Schulz, Bernd Epe, Bernd Kaina, Thomas Münzel, Andreas Daiber;
Nitroglycerin induces DNA damage and vascular cell death in the setting of nitrate tolerance, Basic Res Cardiol (2016) 111:52, DOI 10.1007/s00395-016-0571-4

Weitere Informationen:
Univ.-Prof. Dr. Andreas Daiber,
Zentrum für Kardiologie – Kardiologie I, Universitätsmedizin Mainz
Tel. 06131 / 17 6280, E-Mail: Andreas.Daiber@unimedizin-mainz.de

Pressekontakt:
Dr. Renée Dillinger-Reiter,
Stabsstelle Kommunikation und Presse, Universitätsmedizin Mainz
Tel. 06131 / 17 7424, Fax 06131 / 17 3496,
E-Mail: pr@unimedizin-mainz.de

Über die Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Die Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz ist die einzige medizinische Einrichtung der Supramaximalversorgung in Rheinland-Pfalz und ein international anerkannter Wissenschaftsstandort. Sie umfasst mehr als 60 Kliniken, Institute und Abteilungen, die fächerübergreifend zusammenarbeiten. Hochspezialisierte Patientenversorgung, Forschung und Lehre bilden in der Universitätsmedizin Mainz eine untrennbare Einheit. Rund 3.300 Studierende der Medizin und Zahnmedizin werden in Mainz ausgebildet. Mit rund 7.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist die Universitätsmedizin zudem einer der größten Arbeitgeber der Region und ein wichtiger Wachstums- und Innovationsmotor. Weitere Informationen im Internet unter www.unimedizin-mainz.de