Trauma-Zahnkronenfraktur

Häufigkeiten von Zahnfrakturen und erste Massnahmen; Behandlungskonzepte

Trauma der vitalen Zähne

Zahntraumata nicht-wurzelkanalbehandelter Zähne kommen bei Kindern bzw. Jugendlichen mit einer Häufigkeit von 1,6-2,5% vor. Maximum zwischen dem 8.-12. Lebensjahr. Meistens die mittleren Oberkiefer-Frontzähne.

Frakturen werden allgemein unterteilt:

  • Nach dem Zeitpunkt des Traumas, abhängig vom Entwicklungsstand der 1.  und/oder 2. Dentition
  • Nach Art der Läsion (nur Zahn und/oder Zahnhalteapparat)
  • Nach der Pulpabeteiligung
  • Nach dem Verlauf der Bruchlinien ( Quer-, Schräg- oder Längsfraktur)
  • Nach dem anatomischen Ort (intra- oder extraalveolär)

Grundsätzlich gilt für den Zahnarzt:

  • Die Überprüfung der Sensibilität der Zähne
  • Klopfempfindlichkeiten auszuschließen
  • Röntgenaufnahmen, um Kontusionen (Quetschungen des Zahnes ins Knochenbett) auszuschließen
  • Das Mitkontrollieren der Nachbarzähne
  • Nachsorge und Nachkontrollen in engmaschigen Zeitabständen, falls Sensibilität positiv beim Erstbefund (nach 1Woche/ nach 1 Monat/ nach 3 Monaten und nach 6 Monaten)
  • Falls keine Sensibilität vorhanden, am ersten Termin und nach 14 Tagen immer noch keine positive Reaktion, Folge: WKB, je eher, desto günstiger die Prognose, da Nekrosen bzw. gangränöse Vorgänge die Prognose herabsetzen. Falls Schmerzen oder Verfärbungen nach wenigen Tagen auftreten, direkt WKB einleiten.

Außer Frage steht die Tatsache, dass der unbedingten Zahnerhaltung Grenzen gesetzt sind. So wird daher z.B. jüngeren Patienten die Weiterentwicklung des gesamten Zahnsystems in das therapeutische Vorgehen einkalkuliert. Ferner, ob ein Zahnverlust mit Hilfe von festsitzenden oder abnehmbaren Zahnersatz versorgt werden kann. Insgesamt gehören Frakturen mit ihren Folgen und ihren Ursachen zu einem weitgefächerten und komplexen Thema. Und es werden neben dem Alter des Patienten, dem Mundhygienezustand, dem Entwicklungsgrad des Zahnsystems, auch funktionelle, ästhetische und phonetische Gesichtspunkte in das therapeutische Vorgehen einbezogen.

Extraalveoläre Frakturen der bleibenden Zähne:

Nur Schmelz betroffen= Schmelzsprung (längs, schräg oder quer). Zahn ist vital, keine Lockerung des betroffenen Zahnes. Meist durch chronische Überbelastung. Keine spezielle Therapie notwendig.
Schräge schmelzbegrenzte Frakturen können zu einem Verlust einer Schneideecke führen. Therapie: Glättung scharfer Kanten und Fluoridierung (Lack oder Lösungen) evtl. zahnfarbene plastische Füllung.

Falls das Dentin betroffen ist: Abklären wie die Nähe zur Pulpa ist.
Therapie:

  • Glättung scharfer Kanten
  • Kalzium-Hydroxid Paste für 5-10 Minuten auf den Zahn
  • Füllung mit plastischen zahnfarbenen Kunststoffen
  • Nachkontrolle und Überprüfung der Sensibilität

Liegt die Pulpa frei: Abklären wie weit des freiliegende Pulpenareal ist. Therapie bei kleinerer akzidenteller Pulpeneröffnung:

  • Auftragen von Kalzium-Hydroxid Pasten (weiche Paste und harte Paste)
  • Dichte Deckfüllung
  • Engmaschige Nachsorge und Nachkontrolle, wenn nach 3 Monaten Vitalität erhalten, Zahn endgültig versorgen
  • Falls Schmerzen oder Devitalität nach 3 Monaten, Einleitung einer WKB

Bei größerer Pulpeneröffnung: Wurzelkanalbehandlung (WKB)


Intraalveoläre Zahnverletzungen:

Unterteilung (in Anlehnung an die WHO):

1. Intraalveoläre Frakturen (Wurzelfrakturen)
2. Traumatische Zahnschädigungen ohne Zahnfraktur

Grober Verletzungsmodus:

  • Weiche Gewalteinwirkung über das Polster der Lippen führen meist zu Wurzelfrakturen oder zu Luxationen (Lockerungen)
  • Harte Traumen ziehen meist Frakturen der Zahnkrone nach sich


Einteilung der intraalveolären Zahnverletzungen:

  • Frakturen im zervikalen (oberen) Drittel
  • Im mittleren Drittel
  • Im apikalen (unteren) Drittel
  • Längsfrakturen

Bei Jugendlichen zwischen 7-15 Jahren Angaben von 2,2% Frakturen in der Literatur. Meist Frakturen, wenn Wurzelwachstum abgeschlossen ist (längerer Hebelarm bei Krafteinwirkung). Häufig kommen Frakturen der Wurzel im mittleren Drittel (52%) und im unteren Drittel (39%) vor. Grundsätzlich: Eigenheilung abhängig von der Breite des Bruchspalts und von der Infektionsgefährdung der Zahnmarks über den Parodontalspalt. Hartgewebige Heilungen von Wurzelbrüchen sind möglich, abhängig vom Zustand der vitalen Pulpa, doch nicht mit der Knochenheilung vergleichbar. Meist bindegewebige Konsolidierung des Bruchspaltes.

Diagnostik:

  • Ausschließen, ob der Kieferknochen an der Fraktur beteiligt ist und die Untersuchung der Weichteile
  • Überprüfung des Zahnbisses (falls inhomogen kann eine Zahnlockerung aus dem Zahnbett vorliegen)
  • Lockerung und Klopfempfindlichkeit
  • Evtl. Zahnverfärbungen
  • Liegen Fragmente des Zahnes vor?
  • Sensibilitätsprüfung
  • Röntgenbefund

Therapie:
Diese ist abhängig von der Lokalisation des Frakturspalts und vom Zustand der Pulpa. Bei Längsfrakturen ist die Folge immer die Extraktion.


Therapie von Frakturen an vitalen Zähnen:

  • Schienung für 6-8 Wochen und wöchentliche Kontrolle der Schienung
  • Fluoridierung der Zähne, um Entkalkungen durch die Schiene zu vermeiden
  • Überprüfung der Sensibilität und Röntgenkontrolle

Problem: es kann im Laufe der Zeit zu Resorptionen mit anschließendem knöchernem Ersatz vom Bruchspalt aus kommen. Falls dies eintritt und/oder eine Devitalität vorliegt, ist die WKB indiziert. In manchen Fällen erfolgt die Extraktion.


Therapie von Frakturen avitaler Zähne:

An der Poliklinik für Zahnerhaltung wurden an avitalen Zähnen in den letzten 9 Jahren in ca. 3% der untersuchten Fälle Frakturen nachgewiesen.

War der Zahn vor der Fraktur devital oder wurde der Zahn nach dem Trauma devital, so hängt die Behandlung von der Lokalisation der Fraktur ab.

Fraktur im oberen Drittel:

  • Entfernung des Kronenfragmentes
  • Wurzelkanalbehandlung
  • Falls notwendig, Einsetzen eines Wurzelstiftes für die Retention der späteren prothetischen Restauration
  • Falls Stifte kaum einsetzbar, spezielle kieferorthopädische Maßnahmen (Herausziehen des unteren Wurzelrestes und anschließende Stiftversorgung, am besten mit Schraubenstiften)


Fraktur im mittleren Drittel:

  •  Am schwierigsten, meist Therapie durch innere sog. endodontale Schienung mittels genormten oder auch individuell gegossenen Stiftsystemen und zusätzliche Schienung für 6-8 Wochen. Prognose aufgrund der Infektionsgefahr aus dem Bruchspalt sehr ungünstig. Weitere Möglichkeiten: Transdentale Fixation (z.B.: Transfixationsinstrumentarium nach WIRZ), d.h. Verlängerung des Stiftes nach apikal und Verankerung im Knochen. Dabei wird der untere  frakturierte Anteil operativ entfernt. Auch Ruhigstellung mittels Schienung.
  • Kompressionsverschraubung: beide Fragmente werden durch einen Schraubenstift aneinander komprimiert.

Fraktur im unteren Drittel:

  • Wurzelspitzenresektion

Kommt es zu nicht eindämmbaren Entzündungen oder konnten alte Wurzelstifte nach dem Trauma nicht entfernt werden, so muss der betroffene Zahn gezogen werden.
Bei Milchzähnen kommen solche Frakturen sehr selten vor, in Anbetracht des Zahnkeimes der bleibenden Dentition, empfiehlt es sich, Milchzähne zu extrahieren, da sonst die bleibenden Zähne durch Entzündungsprozesse geschädigt werden können.


Wurzelinfrakturen und Querbrüche im oberen Bereich:

Meist bei Stiftkronen. Entweder beim Einsetzen des Stiftes oder durch den Stift Teilfrakturen am apikalen (unteren) Ende des Zahnes. Meist Fraktur durch Schwächung des Zahnes nach Stiftpräparation, wobei nur ein Teil betroffen ist und nicht der gesamte Wurzelquerschnitt. In der Regel erfolgt die Extraktion.

Gingivanahe Querbrüche führen meist zu Infektionen über die Zahnfleischtasche. Falls Zahn prothetisch restaurierbar, erfolgt die WKB mit Stiftversorgung. Falls die Fraktur sehr knochennah, auch hier die Extraktion oder weiterreichende chirurgische Maßnahmen (operative Freilegung des oberen Anteils der Wurzel).


Definitive Versorgung nach Endodontie

Trotz hoher endodontischer Erfolgsraten von 93% an der Poliklinik der Zahnerhaltung der Johannes Gutenberg-Universität Mainz kann ein wurzelkanalbehandelter Zahn erst dann als vollständig behandelt betrachtet werden, wenn eine definitive Restauration zur Erlangung der vollen Funktionsfähigkeit durchgeführt worden ist. Die Behandlung von devitalen und wurzelkanalbehandelten Zähnen hat sich in den letzten 5 Jahrzehnten stark gewandelt und es liegen gegenwärtig sehr variationsreiche und unterschiedliche Therapieempfehlungen und -methoden zur definitiven Restauration endodontisch behandelter Zähne vor. Allgemein haben in Deutschland aufgrund veränderter Bevölkerungsstrukturen, gestiegener Prophylaxebemühungen und Patientenerwartungen, insbesondere hinsichtlich Mundhygienebewusstsein und Ästhetik, sowie weiterentwickelter Behandlungsmöglichkeiten die Nachfrage und der Bedarf an Wurzelkanalbehandlungen stetig zugenommen. Ebenfalls an Bedeutung gewonnen hat der Bedarf der definitiven Restauration wurzelkanalbehandelter Zähne. Dies erfordert von Seiten des behandelnden Zahnarztes fachgerechte und zeitlich angemessene Wurzelkanalbehandlungen, Nutzung moderner Restaurationsmaterialien, sowie eine gute Compliance und Mundgesundheitseinstellung des Patienten.

Stiftverankerungen erfolgen bei großen Defekten, um eine Retention einer prothetischen Restauration zu ermöglichen und es empfiehlt sich, zeitnah und minimal substanzopfernd, definitiv unter Verwendung adhäsiver Füllungsmaterialien zu arbeiten.

Durch die steten Erweiterungen der Indikationsbereiche der Adhäsivtechnik stehen uns gegenwärtig neben adhäsiven Stiftsystemen und Aufbauwerkstoffen eine Vielzahl von Restaurationsmaterialien zur maximalen zahnhartsubstanzschonenden Füllungstherapie zur Verfügung.

Allgemein wird darauf Wert gelegt wurzelkanalbehandelte Zähne zeitnah, maximal substanzschonend und unter Verwendung moderner adhäsiver, zahnfarbener Materialien definitiv zu versorgen.

Zu den Versorgungsmöglichkeiten gehören:

  • Zahnfarbene Restaurationsmaterialien wie Komposit, Keramikveneers, Keramikinlays, Keramikteilkronen, Vollkeramik-Kronen, Gold-Teilkronen oder Onlays und Vollguß-Kronen mit oder ohne zahnfarbene Verblendung
  • Stiftversorgungen, dazu zählten gegossene individuell angefertigte Stifte, konfektionierte Systeme, adhäsive Stifte und schließlich Schraubensysteme (Radix-Anker)
  • Und schließlich können wurzelkanalbehandelte Zähne als Anker für teleskopierende Versorgungen oder für Brückenkonstruktion dienen.

Zahnkronenfrakturen
Derartige Fälle können ohne Kronen direkt mit Kompositrestaurationen versorgt werden

Derartige Fälle können ohne Kronen direkt mit Kompositrestaurationen versorgt werden