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Neue Forschungserkenntnisse bahnen Weg für neuartigen Therapieansatz gegen Krebs

Wissenschaftler der Charité Berlin und der Universitätsmedizin Mainz veröffentlichen im Wissenschaftsjournal „Nature“ Ansatz für metabolische Therapie zur Vernichtung von Tumorzellen

Bei einer Chemotherapie sterben bisweilen nicht alle Tumorzellen, manche treten in den Zustand der Seneszenz (programmierter Wachstumsstopp) ein. Dabei kann von manchen seneszenten Zellen die Gefahr eines Tumorrückfalls ausgehen. Wissenschaftler der Chartié - Universitätsmedizin Berlin und der Universitätsmedizin Mainz fanden jetzt heraus, wie sich diese seneszenten Tumorzellen gezielt vernichten lassen: Sie führten den Tod der seneszenten Zellen herbei, indem sie die Energiegewinnung dieser Zellen hemmten. Diese in „Nature“ publizierte Forschungserkenntnis liefert einen viel versprechenden therapeutischen Ansatz im Kampf gegen den Krebs. Die Krebsforscher stellten fest, dass nach der Chemotherapie der Zuckerstoffwechsel von seneszenten (genetisch gealterten und wachstumsblockierten) Tumoren massiv ansteigt. Dieses Phänomen wird als Hypermetabolismus bezeichnet. „Die seneszenten Tumorzellen sind nicht nur regelrecht zuckerhungrig, sondern auch von gesteigerter Energieproduktion abhängig“, erklärt der Leiter der Pathophysiologie der Universitätsmedizin Mainz, Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Müller-Klieser, der gemeinsam mit seinem Mitarbeiter PD Dr. Stefan Walenta in das Forschungsprojekt eingebunden war. Als Ursache für den erhöhten Energiebedarf machten die Forscher die plötzliche Herstellung von Eiweißbotenstoffen in den seneszenten Zellen aus, wodurch ein regelrechter „Eiweißstress“ ausgelöst wird. Die zum Teil toxischen Eiweiße kann dieser Zelltyp nur durch energieverbrauchendes Verdauen – die sogenannte Autophagie – überleben. „Hemmt man in der seneszenten Zelle die Energiegewinnung oder blockiert man Autophagie, sterben die seneszenten Zellen“, so Univ.-Prof. Dr. Clemens Schmitt von der Berliner Charité, der die Studie federführend leitete. Dass Tumorzellen - wenn sie unter Chemotherapie nicht durch Apoptose (geregelter Zelltod) primär sterben können - in Seneszenz eintreten, ist grundsätzlich ein willkommener Begleiteffekt. Doch dieser Zustand birgt Gefahren: Die seneszenten Tumorzellen produzieren besagte Eiweißbotenstoffe, die zu einer unerwünschten Entzündungsreaktion im Tumorumfeld führen können. Gleichermaßen denkbar: Einige wenige seneszente Zellen schaffen es durch weitere Veränderungen, sich doch wieder zu teilen und einem Tumorrückfall Vorschub zu leisten. „Daher liefert unsere Hypermetabolismus-Beobachtung einen therapeutischen Ansatz, durch den wir gezielt diese seneszenten Tumorzellen vernichten können“, hebt der Krebsforscher und Hämato-Onkologe Schmitt hervor und ergänzt: „Auf ruhendes oder teilendes Normalgewebe hat eine kurzzeitige Hemmung des Energiestoffwechsels oder der Autophagie dagegen kaum Auswirkungen“. Das Forscherteam konnte zeigen, dass die Hemmung verschiedener energieliefernder Stoffwechselprogramme, beispielsweise in der Zucker- oder Fettsäuren-Aufschlüsselung, gleichermaßen durch einen Abfall der Energieausbeute zum selektiven Tod seneszenter Tumorzellen führt. Das Besondere an dieser Forschungsarbeit ist das neuartige Verständnis einer möglichen Therapie-Zielstruktur bei Krebserkrankungen: Bei konventionellen Therapien geht es in der Regel darum, die Aktivität eines in Krebszellen veränderten Moleküls mit einem Medikament gezielt zu hemmen. „Wir dagegen schlagen vor, einen Krebs-exklusiven Zustand – und nicht etwa ein einzelnes Molekül –, nämlich die durch Chemotherapie hervorgerufene Seneszenz als Therapieziel einer nachgeschalteten metabolischen Therapie zur Vernichtung der Tumorzellen zu nutzen“, sagt der Berliner Krebsmediziner Schmitt, der früher über viele Jahre in Mainz tätig war. „Es handelt sich hierbei um einen vielversprechenden Forschungsansatz am Übergang von präklinischer Forschung zu möglichen therapeutisch relevanten Entwicklungen. Dieser Ansatz hat das Potential für einen erheblichen therapeutischen Nutzen und ist daher im besten Sinne des Wortes translational (also im Hinblick auf eine klinische Relevanz bedeutsam)“, bemerkt der Wissenschaftliche Vorstand der Universitätsmedizin Mainz, Univ.-Prof. Dr. Ulrich Förstermann. Therapieprinzip „Synthetische Letalität“ Die Vernichtung einer Zelle nur beim Zusammentreffen einer bestimmten Eigenschaft – hier die Tumorzell-Seneszenz – und einer speziellen Therapie – hier der Energiestoffwechsel oder Autophagie-Hemmung – nennt man „synthetische Letalität“. Es handelt sich dabei um ein neues Therapieprinzip gegenüber Krebs, das Schwachstellen des Tumors gegenüber Therapien ausnutzt, während normale Zellen verschont bleiben. Kontakt:
Univ.-Prof. Dr. Clemens Schmitt, Charité - Universitätsmedizin Berlin, Hämatologie/Onkologie und Molekulares Krebsforschungszentrum – MKFZ, Tel. 030 450 553 896, Fax 030 450 553 986, E-Mail: clemens.schmitt@charite.de Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Müller-Klieser, Institut für Physiologie und Patophysiologie, Universitätsmedizin Mainz, Tel. 06131 39 25761, Fax 06131 39 25760, E-Mail: muekli@uni-mainz.de Pressekontakt:
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