Aktuelles
Wege zu einer menschlichen Medizin trotz ökonomischer Zwänge
Tagung des Graduiertenkollegs „Life Sciences – Life Writing“ der Johannes Gutenberg-Universität und Universitätsmedizin Mainz
Der Alltag in Klinik und Praxis ist von Kosten- und Zeitdruck geprägt. Vor diesem Hintergrund ist eine auf den einzelnen Menschen ausgerichtete Form der Behandlung nur unter erschwerten Bedingungen möglich. Was braucht es aber für eine „menschlichere“ Medizin, die auch betriebswirtschaftlichen Aspekten Rechnung trägt? Wie lässt sich ein nachhaltiges menschenorientiertes Versorgungssystem etablieren? Das sind die Kernfragen der vom Graduiertenkolleg „Life Sciences – Life Writing“ organisierten Tagung „Kosten – Nutzen – Gesundheit? Vom Menschlichen in der Medizin und den Grenzen ökonomischer Vernunft“, die am 14. März 2016 von 10 bis 19 Uhr stattfindet. Veranstaltungsort ist die Alte Mensa der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (Johann-Joachim-Becher-Weg 3-9). Der Eintritt ist frei. Um Anmeldung wird gebeten an kosten-nutzen-gesundheit@uni-mainz.de
In Deutschland teilen sowohl Vertreter der Ärzteschaft als auch Patienten die Sorge um eine zunehmende Ökonomisierung der Medizin. Sie prangern an, dass die individuelle Zuwendung, die sich nach den Patientenbedürfnissen richtet, zu kurz kommt. Das Gesundheitswesen weise die Merkmale eines Marktes auf, auf dem die Regeln des Wettbewerbs gelten. Wer ein Interesse an der Veränderung der Verhältnisse im Sinne einer patientenorientierten Medizin habe, der stoße unter den vorherrschenden Bedingungen weitestgehend an die Grenzen der Machbarkeit.
Innovative und zukunftsorientierte Konzepte, die im Spannungsfeld zwischen ökonomischer und humaner Medizin bestehen können, sind daher gefragt. Bei der Tagung wird das Gesundheitssystem aus verschiedenen Perspektiven in den Blick genommen. Einerseits richten Gesundheitsexperten den Blick von außen auf das Gesundheitssystem. Andererseits verweisen im Gesundheitswesen beschäftigte Personen auf Kernprobleme und formulieren Lösungsvorschläge. Darüber hinaus berichten vom System betroffene Personen. Die konkreten Fragen gelten dabei den im derzeitigen Gesundheitswesen dominierenden marktwirtschaftlichen Lösungsansätzen: Welche Finanzierungsmöglichkeiten gibt es? Ist Wettbewerb im Gesundheitswesen sinnvoll? Welche Alternativen sind denkbar? Wie kann ein nachhaltiges menschenorientiertes Versorgungssystem umgesetzt werden?
Im Rahmen der Tagung spürt unter anderem der renommierte Mathematiker Prof. Dr. Gunter Dueck in einem satirisch-philosophischen Vortrag Fehler in Systemen unter mathematischen und betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten auf. Dueck zufolge führen Utopiesyndrome der Art „100 Prozent Auslastung“ zu Katastrophen.
In einem weiteren Vortrag wird die Hebamme und Mitbegründerin der Organisation „Hebammen für Deutschland“, Lisa von Reiche, gemeinsam mit einer ihrer Patientinnen ein Beispiel für den politischen Protest innerhalb des von Maximierung und Wettbewerb bestimmten Gesundheitssystems vorstellen. Anhand der aktuellen Situation der Hebammen in Deutschland verdeutlichen sie, dass Wettbewerbsorientierung mit der Arbeit von Hebammen nicht kompatibel ist und an den Bedürfnissen der Betroffenen vorbeigeht. Vorschläge für eine Verbesserung der Situation werden formuliert.
Eine weitere ökonomische Analyse bietet der Vortrag von Prof. Dr. Mathias Binswanger. Mathias Binswanger ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Fachhochschule Nordwestschweiz in Olten und Privatdozent an der Universität St. Gallen. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Makroökonomie, Finanzmarkttheorie, Umweltökonomie sowie in der Erforschung des Zusammenhangs zwischen Glück und Einkommen. Mathias Binswanger ist auch Autor des 2006 erschienenen Buches „Die Tretmühlen des Glücks“, das in der Schweiz zum Bestseller wurde.
Als Beispiel für einen bereits erprobten zukunftsorientierten Ansatz wird im Rahmen der Konferenz schließlich das „Konzept der Menschenmedizin“ vorgestellt. Annina Hess-Cabalzar wird von ihrer langjährigen Arbeit an einem Spital in der Schweiz berichten. Dort war sie an der Entwicklung und der erfolgreichen Integration einer Versorgungsform im Sinne einer ganzheitlichen Medizin maßgeblich beteiligt. Die von ihr mitgegründete Akademie Menschenmedizin „fordert und fördert einen patientenorientierten, vernetzten Therapie- und Heilungsansatz sowie die Integration der Geisteswissenschaften in die Angebotsstruktur des Gesundheitswesens. Die interdisziplinäre Behandlung von Patienten mit dem Einbezug von Psychotherapie, Kunst, Medizinethik und Philosophie ist ihr Anliegen und sie engagiert sich mit verschiedenen Maßnahmen für eine Veränderung im Schweizer Gesundheitswesen.“
Weiterreichende Informationen zur Veranstaltung finden Sie unter: http://www.grk.lifesciences-lifewriting.uni-mainz.de/kosten-nutzen-gesundheit/
Wir bitten um redaktionellen Terminhinweis und Terminankündigung im Veranstaltungskalender und freuen uns über journalistische Berichterstattung!
Kontakt
Univ.-Prof. Dr. Norbert W. Paul,
Direktor des Instituts für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin
Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Telefon 06131 17- 9545
E-Mail: paul@uni-mainz.de
Pressekontakt
Oliver Kreft, Stabsstelle Kommunikation und Presse Universitätsmedizin Mainz,
Telefon 06131 17-7424, Fax 06131 17-3496, E-Mail: pr@unimedizin-mainz.de
Über die Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Die Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz ist die einzige medizinische Einrichtung der Supramaximalversorgung in Rheinland-Pfalz und ein international anerkannter Wissenschaftsstandort. Sie umfasst mehr als 60 Kliniken, Institute und Abteilungen, die fächerübergreifend zusammenarbeiten. Hochspezialisierte Patientenversorgung, Forschung und Lehre bilden in der Universitätsmedizin Mainz eine untrennbare Einheit. Rund 3.300 Studierende der Medizin und Zahnmedizin werden in Mainz ausgebildet. Mit rund 7.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist die Universitätsmedizin zudem einer der größten Arbeitgeber der Region und ein wichtiger Wachstums- und Innovationsmotor. Weitere Informationen im Internet unter www.unimedizin-mainz.de