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Wissenschaftler der Universitätsmedizin Mainz entdecken Auslöser für die Autoimmunerkrankung APS

Neue Erkenntnisse in der Fachzeitschrift „Science“ veröffentlicht

Bei APS richtet sich das Immunsystem gegen körpereigene Fette und Eiweiße auf Blutzellen und Gefäßwandzellen. Bildquelle: ©gaetan / Adobe Stock

Ein Forscherteam des Centrums für Thrombose und Hämostase (CTH), weiteren Instituten der Universitätsmedizin Mainz und Kollegen aus den USA hat den Mechanismus aufgedeckt, der die Autoimmunerkrankung APS (Antiphospholipid-Syndrom) auslöst: eine bisher unbekannte Interaktion zwischen dem Immunsystem und dem Blutgerinnungssystem. Diese ruft bei den Betroffenen Thrombosen und Schwangerschaftskomplikationen hervor. Wie die Wissenschaftler in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „Science“ berichten, konnten sie darüber hinaus im Tiermodell zeigen, dass der neu entdeckte Mechanismus einen vielversprechenden Ansatzpunkt für die Entwicklung von neuartigen Therapien bei APS bietet.

Das Antiphospholipid-Syndrom (APS) ist eine Autoimmunerkrankung, bei der das Immunsystem fälschlicherweise Abwehrstoffe (Antikörper) gegen körpereigene Bestandteile bildet. Bei APS werden die namensgebenden Antiphospholipid-Antikörper produziert. Sie richten sich gegen Bestandteile auf Blutzellen und Gefäßwandzellen. Dadurch kommt es zu einer erhöhten Gerinnungsneigung des Blutes. Das kann für die Betroffenen schwerwiegende Folgen haben: Menschen mit APS neigen zu Blutgerinnseln (Thrombosen), die in der weiteren Folge zu Komplikationen wie Schlaganfall, Herzinfarkt oder Lungenembolien führen können. Im Fall einer Schwangerschaft ist bei betroffenen Frauen das Risiko für eine Fehlgeburt deutlich erhöht.

Der APS-auslösende Mechanismus war bislang nicht hinreichend geklärt. „In den vergangenen 30 Jahren wurden verschiedene Faktoren der Krankheitsentstehung diskutiert. Deren Zusammenspiel wurde für die Thromboseneigung und die Schwangerschaftskomplikationen bei APS verantwortlich gemacht“, berichtet Univ.-Prof. Dr. Wolfram Ruf, Wissenschaftlicher Direktor des Centrums für Thrombose und Hämostase (CTH) an der Universitätsmedizin Mainz. „Wir konnten hingegen jetzt zeigen, dass alle krankheitsauslösenden Effekte des APS primär durch die Bindung der Antiphospholipid-Antikörper an eine einzige Zielstruktur in den Blutgefäßen hervorgerufen werden“, so Ruf.

Bei der Zielstruktur handelt es sich um einen Protein-Lipid-Komplex aus dem Protein (Eiweiß) EPCR (Endothel-Protein-C-Rezeptor) und dem Lipid (Fett) Lysobisphosphatidsäure (LBPA). Wie die Mainzer Forscher in der Studie „Lipid presentation by the protein C receptor links coagulation with autoimmunity“ berichten, spielt der EPCR-LBPA-Komplex auf Immunzellen die entscheidende Rolle bei der Entstehung des APS. Binden die Antiphospholipid-Antikörper daran, aktiviert das komplexe zelluläre Prozesse, die zu einer vermehrten Blutgerinnung ebenso wie der Produktion des Botenstoffs Interferon-? führen. Daraufhin vermehren sich wiederum die B-Lymphozyten, welche neue Antiphospholipid-Antikörper produzieren. Auf diese Weise verstärkt sich die Autoimmunreaktion immer weiter.

Diese bisher unbekannte Interaktion zwischen dem Immunsystem und dem Blutgerinnungssystem bietet auch einen vielversprechenden Behandlungsansatz: Den Wissenschaftlern des CTHs gelang es, einen Antikörper zu identifizieren, mit dem sich der Protein-Lipid-Komplex so blockieren lässt, dass die Effekte der Antiphospholipid-Antikörper verhindert werden. In der Folge blieb die Autoimmunreaktion in einem Mausmodell aus.

„Wir haben mit unserer Studie nicht nur den Auslöser der Immunerkrankung aufgedeckt, sondern darüber hinaus im Tiermodell gezeigt, dass ein neuer therapeutischer Ansatz die Entwicklung der Erkrankung und der damit verbundenen Thromboseneigung und Schwangerschaftskomplikationen verhindern könnte“, erläutert Ruf.

Antiphospholipid-Antikörper werden bei zwei bis fünf Prozent der Bevölkerung im Zusammenhang mit Autoimmunerkrankungen und chronischen Infektionen gefunden. Das Antiphospholipid-Syndrom ist eine der häufigsten Autoimmunerkrankungen, von der Frauen etwa fünfmal häufiger betroffen sind als Männer. APS tritt als eigenständiges Krankheitsbild (bei etwa 50 Prozent der Betroffenen) oder im Rahmen einer anderen Erkrankung – insbesondere beim systemischen Lupus erythematodes (SLE) – auf. Die Therapie erfolgt bislang durch blutverdünnende Medikamente.


Originalpublikation:
Nadine Müller-Calleja, Anne Hollerbach, Jennifer Royce, Svenja Ritter, Denise Pedrosa, Thati Madhusudhan, Sina Teifel, Myriam Meineck, Friederike Häuser, Antje Canisius, T. Son Nguyen, Johannes Braun, Kai Bruns, Anna Etzold, Ulrich Zechner, Susanne Strand, Markus Radsak, Dennis Strand, Jian-Ming Gu, Julia Weinmann-Menke, Charles T. Esmon, Luc Teyton, Karl J. Lackner, Wolfram Ruf. Lipid presentation by the protein C receptor links coagulation with autoimmunity. Science. 2021 Mar 12; 371(6534):eabc0956.

DOI: 10.1126/science.abc0956

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Bildunterschrift: Bei APS richtet sich das Immunsystem gegen körpereigene Fette und Eiweiße auf Blutzellen und Gefäßwandzellen.

Bildquelle: © gaetan / Adobe Stock

 

Kontakt:
Univ.-Prof. Dr. Wolfram Ruf, Wissenschaftlicher Direktor des Centrums für Thrombose und Hämostase (CTH), Universitätsmedizin Mainz, Telefon 06131 17-8222, E-Mail:  ruf@uni-mainz.de


Pressekontakt:
Veronika Wagner, Unternehmenskommunikation, Universitätsmedizin Mainz, Telefon 06131 17-8391, E-Mail:  pr@unimedizin-mainz.de

  

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Das integrierte Forschungs- und Behandlungszentrum Centrum für Thrombose und Hämostase (CTH) der Universitätsmedizin Mainz erforscht Thrombose- und Blutgerinnungserkrankungen und hat das Ziel, deren Behandlung zu verbessern. Dabei setzt das CTH auf translationale Forschung, also die Umsetzung von Erkenntnissen aus der experimentellen Grundlagenforschung in die klinische Anwendung. Mit seinem Nachwuchsprogramm bietet das CTH darüber hinaus attraktive Karrierewege für junge Nachwuchskräfte an der Schnittstelle von Wissenschaft und Klinik. Das CTH ist eines von insgesamt acht Modellzentren, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des nationalen Programms „Integrierte Forschungs- und Behandlungszentren (IFB)“ gefördert werden.