Umweltrisikofaktoren
Die Lancet Expertenkommission “Umweltverschmutzung und Gesundheit” kommt zur Schlussfolgerung, dass alle Formen chemischer Umweltverschmutzung weltweit etwa 9 Million Todesfälle jährlich verursachen, davon etwa 6,5 Millionen Todesfälle aufgrund von Luftschadstoffen (Abbildung GBD). Weitere Umweltstressoren wie Verkehrslärm oder Hitzewellen sind dabei noch nicht berücksichtigt. So führt die nächtliche Lärmbelästigung laut einer Schätzung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zum Verlust weiterer 1,6 Millionen gesunder Lebensjahre pro Jahr, allein in Westeuropa. Im Zuge des Klimawandels und durch technologische Entwicklungen werden sich die genannten Umweltexpositionen in Zukunft weiter erhöhen. Durch den demographischen Wandel und soziale Prozesse wachsen gleichzeitig gesundheitlich besonders vulnerable Gruppen, insbesondere die ältere Bevölkerung. In Kombination erzeugen beide Entwicklungen auf Bevölkerungsebene eine bedeutsame Erhöhung der Krankheitslast, die mit Umweltexpositionen zusammenhängt. Die durch Luftschadstoffe und Lärm ausgelösten zentralen Pathomechanismen der genannten Erkrankungen, wie Entzündungsreaktionen und die Entstehung von oxidativem Stress, sind bereits gut charakterisiert. Dagegen sind andere Aspekte wie die Induktion von neuronalen Stressreaktionen und deren Auswirkungen auf verschiedene Gewebe durch Lärm sowie direkte Organschäden durch zirkulierende Nano-Feinstaubpartikel und die Entstehung von Krebs noch nicht ausreichend untersucht.
Ziele und Forschungsprogramm von EXPOHEALTH
„Gesundheitliche Risiken der Umweltstressoren Verkehrslärm, Luftverschmutzung und Klimawandel-bedingter Hitzeperioden – Charakterisierung von pathophysiologischen Prozessen und Auswirkungen auf Bevölkerungsebene mit Fokus auf Erkrankungen der Hirn-Herz-Achse und Krebs“
Hier setzt die translationale Forschung des Potentialbereichs “EXPOHEALTH (EXPOsure-related HEALTH effects)” an. Wir werden anhand von eperimentellen Modellen, klinischen und epidemiologischen Studien sowie formaler Modelierungsänsätze die Pathophysiologie und die Gesundheitsauswirkungen der kombinierten Exposition mit Lärm, Feinstaub und variierenden Temperaturen auf Bevölkerungsebene untersuchen. Dabei sollen fortschrittliche bildgebende Verfahren und molekularbiologischen Analysen zum Einsatz kommen. Daneben werden bevölkerungsbezogene Studien geplant, die auch räumliche Verteilungsmuster untersuchen. EXPOHEALTH soll dabei diese translationalen und interdisziplinären Forschungsaktivitäten koordinieren und in gemeinsame Publikationen und Forschungsanträge überführen. Auf Basis dieser gemeinsamen Vorarbeiten kann das gebildete Forschungskonsortium DFG-geförderte Forschungsverbundprojekte (Sonderforschungsbereich oder Graduiertenkolleg) mit internationaler Sichtbarkeit beantragen. Weitere Ziele von EXPOHEALTH sind die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses im Bereich Umwelt-Gesundheitsforschung und die Aufbereitung von beratenden Positionspapieren für die Entscheidungsträger in der Umwelt- und Gesundheitspolitik, um Ansätze zur Primärprävention zu schaffen.
Abbildung. Weltweite Zahl der Todesfälle und DALYs im Jahr 2019, die auf gesundheitliche (Umwelt)Risikofaktoren zurückzuführen sind, nach Ursache und Geschlecht. Die Balkendiagramme zeigen die weltweite Anzahl der Todesfälle und für körperliche Einschränkungen-bereinigten Lebensjahre (DALYs) bei Frauen und Männern im Jahr 2019, die auf gesundheitliche (Umwelt)Risikofaktoren zurückzuführen sind. Die Tortendiagramme zeigen die zurechenbare Krankheitslast nach Krankheitskategorie für die führenden Risikofaktoren. Herz-Kreislauf-Erkrankungen (CVD) sind die Hauptkategorie von Folgeerkrankungen für alle führenden Risikofaktoren, gefolgt von Atemwegserkrankungen, Diabetes mellitus, Krebs und Infektionen. COPD, chronisch obstruktive Lungenerkrankung. Gestützt auf Daten aus GBD 2019 Risk Factors Collaborators. Global burden of 87 risk factors in 204 countries and territories, 1990-2019: a systematic analysis for the Global Burden of Disease Study 2019. Lancet 396, 1223–1249 (2020). Wiederverwendet aus Munzel et al. Nat Rev Cardiol 2023.