Wegen bekannter Therapieresistenz wird neben anderen chronischen Schmerzsyndromen der neuropathische Schmerz und die somatoforme Schmerzstörung in Zukunft im Mittelpunkt der Mainzer Schmerzforschung stehen. Die Beschreibung der dem neuropathischen Schmerz zugrunde liegenden Neuroplastizität (Neurobiologie, Zellphysiologie und Biochemie) sowie die Charakterisierung der somatoformen Schmerzstörung (Psychosomatik) dienen als Grundlage für die Identifizierung und Prävention von Chronifizierungsmechanismen und die Entwicklung neuer Behandlungsansätze.
Die Chronifizierung des neuropathischen Schmerzes wird oft begleitet von einer gesteigerten Empfindlichkeit gegenüber schmerzhaften Reizen (Hyperalgesie) sowie einer meist brennenden Schmerzwahrnehmung nach leichter Berührung (Allodynie). Tier- und humanexperimentelle Vorarbeiten haben gezeigt, dass diese Empfindlichkeitssteigerungen mit Mechanismen der Langzeitpotenzierung (LTP) der synaptischen Übertragung im Rückenmark zusammenhängen. Die zellphysiologische und molekularbiologische Charakterisierung der LTP in isolierten Rückenmarkpräparaten wird daher die neuropharmakologische Grundlage für eine bessere Therapie neuropathischer Schmerzen bilden. Untersuchungen zur Interaktion von LTP und deren Depotenzierung durch niederfrequente Reizmuster können zum Verständnis der Mechanismen der Neuromodulation durch implantierte Stimulatoren beitragen. Auf der anderen Seite gilt LTP als ein elementarer Mechanismus des Lernens und steht somit am Übergang zu verhaltensmedizinischer Grundlagenforschung in der Psychosomatik.
Neben der Plastizität der synaptischen Signalübertragung im Rückenmark (Langzeitpotenzierung und -depression) behandelt ein weiteres grundlagenwissenschaftliches Projekt die peripheren Transduktionsmechanismen der Kodierung nozizeptiver Reize. Mittels Elektrophysiologie, Mikrofluorometrie und Immunzytochemie wird die Umformung physikalischer Reize in neuronale Signale erfaßt, die durch spezifische Sensormoleküle vermittelt wird. Dabei werden auch Sensibilisierungsprozesse der peripheren, nozizeptiven Neurone beschrieben, wie sie z.B. durch Entzündungsmediatoren hervorgerufen werden und zum Entzündungsschmerz beitragen.
Im Bereich der Charakterisierung der peripheren nozizeptiven Transduktion, von LTP sowie gegenseitiger Wechselwirkungen besteht ein großes Potenzial für innovative pharmazeutische und pharmakologische Entwicklungen neuer Therapieansätze (z.B an Vanilloid-, Cannabinoid-, Opioid- und NMDA-Rezeptoren).
Durch die enge Vernetzung der PET- und fMRI-Arbeitsgruppen mit tierexperimentell tätigen Arbeitsgruppen besteht zusätzlich die Möglichkeit, in vivo detektierte biochemische Veränderungen am Tierexperiment weiter zu charakterisieren und mit Veränderungen in der funktionellen Neuroanatomie in Beziehung zu setzen.
Durch Kooperation mit humangenetischen Arbeitsgruppen soll die Variabilität der Schmerzempfindlichkeit und der Hyperalgesie in experimentellen Schmerzmodellen bei Probanden und Patienten auf eine genetische Basis hin überprüft werden. Für diesen Zweck steht ein umfassendes Repertoire an validierten experimentellen Schmerzmodellen am Menschen zur Verfügung.