Eine traumatische Gehirnverletzung wie z.B. eine fokale Läsion oder ein Schlaganfall führen zu einem spezifischen Funktionsausfall des entsprechenden Gehirnareals. In der Folge werden im Randbereich der Schädigung funktionelle Reorganisationsprozesse beoachtet, die den funktionellen Verlust teilweise kompensieren. Wir interessieren uns für die zellulären und molekularen Mechanismen solcher Reorganisationsprozesse, die für die Erholung der Hirnfunktion nach der Verletzung eine bedeutende Rolle spielen können.
Wir haben bei einem chronischen fokalen Laser Läsionsmodell bei Ratten und Mäusen an in vitro Hirnschnitten zeigen können, dass die glutamatergen Neurone im Randbereich einer Verletzung eine verstärkte synaptische Plastizität aufweisen. Die von uns beobachtete erhöhte synaptische Langzeit-Potenzierung sowie erniedrigte Langzeit-Depression (LTD) von aufsteigenden wie auch von horizontalen kortikalen Eingängen unterstützt die Umprogrammierung des kortikalen Netzwerkes, was eine Kompensation des Funktionsausfalls mit ermöglicht.
Die zellulären und molekularen Ursachen einer veränderten synaptischen Plastizität (Metaplastizität) im Läsions-behandelten kortikalen Netzwerk stehen im Mittelpunkt unserer Untersuchungen. Hierzu verwenden wir verschiedene Modelle ( ex vivo - in vitro Schnittpräparate, knock-out Mäuse, Elektrophysiologie, Immunhistochemie, Fluoreszenz-Imaging), um Zielproteine und die zellulären Prozesse genau zu charakterisieren (s.u.)
Nach fokaler Läsion oder Ischämie wird im Randbereich der Verletzung vielfach eine Veränderung des GABAergen kortikalen Netzwerks beschrieben. Hierbei wird u.a. von einer kortikalen Disinhibition gesprochen, die zu einer Übererregbarkeit des kortikalen Netzwerkes führen kann. In diesem Zusammenhang ist das Auftreten von epileptischer Aktivität nach Schlaganfall von Bedeutung.
Unsere Arbeitsgruppe untersucht an einem Läsionsmodell, wie sich die Funktion spezifischer kortikaler GABAerger Neurone am Läsionsrand verändert. Hierbei scheinen spezifische GABAerge Interneurone eine bedeutende Rolle zu spielen. In einem transgenen Mausmodell können wir diese Neurone identifizieren und so gezielt elektrophysiologisch untersuchen. Dabei verwenden wir u.a. die Whole Cell patch-clamp Technik, um die Expression und Funktion bestimmter Rezeptorproteine und Ionenkanäle zu charakterisieren. Immunhistochemische Experimente ergänzen die Studien.
In einem weiteren Tiermodell (BDNF-knock out Maus) untersuchen wir die Funktion des neurotrophen Faktors BDNF für Läsions-induzierte Metaplastizität am Läsionsrand. Dieses Protein wird mit Reorganisationsprozessen nach einer Gerhirnverletzung in Verbindung gebracht, gleichwohl ist die genaue Wirkung einer möglicherweise veränderten BDNF-Expression post-Läsion nicht bekannt. Neben elektrophysiologischen Messungen führen wir kombinierte Fluoreszenz-Imaging Experimente zur Messung der intraneuronalen Kalziumkonzentration durch. Diese kann für die metaplastischen Prozesse eine bedeutende Funktion haben.
Ziel unserer Studien ist ein tieferes Verständnis der zellulären und molekularen Mechanismen, die bei Lern- und Gedächtnisvorgänge im gesunden wie auch im Läsions-geschädigten Gehirn eine Bedeutung haben.
In Kooperation mit Frau Prof. Doris Koesling (Inst. für Pharmakologie, Ruhr-Universität Bochum) untersuchen wir die Bedeutung der beiden Isoformen der NO-abhängigen Guanylyl-Cyklase (GC) in der Area CA1 im Hippokampus von Mäusen. Es ist lange bekannt, dass der retrograde messenger NO als frei-diffundierendes Gas eine Funktion für Lern- und Gedächtnisvorgänge im Gehirn besitzt. Mit Hilfe von 2 transgenen Tiermodellen können wir isoliert jeweils eine der beiden Isoformen des Zielproteins von NO, der Guanylyl-Cyclase, elektrophysiologisch charakterisieren. Wir konnten bereits zeigen, dass beide Isoformen der GC für die Ausbildung einer synaptischen Langzeit-Potenzierung (LTP) im visuellen Kortex wie auch im Hippocampus notwendig sind. In weiteren Untersuchungen planen wir die detaillierte Beschreibung der Expressionsmuster der beiden Isoformen in verschiedenen Gehirnarealen und Zelltypen (hemmende Interneurone, Pyramidalzelllen), sowie deren spezifische prä- und postsynaptische Funktion.