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Kathetergestützte Aortenklappenimplantation (TAVI)

Seit 2015 ist unsere Abteilung durch die Dt. Gesellschaft für Kardiologie als TAVI-Zentrum zertifiziert.

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Seit dem Jahr 2008 werden an unserer Klinik minimalinvasive, kathetergesteuerte Aortenklappenimplantationen durchgeführt. An unserem Zentrum werden inzwischen jedes Jahr im Schnitt 400 bis 450 dieser Implantationen durchgeführt - mit einer im bundesweiten Vergleich sehr niedrigen Komplikationsrate.
Als "TAVI" (Trancatheter Aortic Valve Implantation) werden Eingriffe bezeichnet, die über einen Katheterzugang (in aller Regel durch die Leiste oder die Schlüsselbeinarterie, alternativ über einen kleinen chirurgischen Schnitt an der Herzspitze (transapikal)) durchgeführt werden. Für dieses Verfahren eignen sich Patienten mit einem mittleren bis hohen operativen Risiko oder einem Alter >75 Jahre. Das Risiko wird nach einem europäischen Scoresystem ermittelt - das jedoch das Risiko bei speziellen Vorerkrankungen wie z.B. früherer Brustkorbbestrahlung bei Brustkrebs oder Blutkrebs, einer schwerwiegenden Verkalkung der Hauptschlagader ("Porzellanaorta") oder nach wiederholten offenen Herzoperationen unterschätzt. Das Vorliegen der genannten Vorerkrankungen kann daher auch unabhängig vom Risikoscore die Indikation für einen kathetergestützten Herzklappenersatz begründen.

Studienlage, klinische Erfahrung, Sicherheit des Verfahrens
Die erste Implantation einer Aortenklappe mit Hilfe eines Katheters erfolgte im Jahr 2002 durch Alain Cribier in Lyon. Seither sind weltweit über 400.000 Patienten mit diesem Verfahren erfolgreich behandelt worden. Während zu Beginn der Methode nur Patienten mit Inoperabilität sowie einer sehr kurzen Lebensprognose behandelt wurden, konnte sich das Verfahren durch weitere technische Verbesserungen und immer sichere Klappentypen mit einem Überlebensvorteil auch für Hochrisikopatienten (Partner-A und Partner-B Studie, CoreValve Pivotal Trial) und für Patienten mit mittlerem Risiko (Partner-2 Studie, Surtavi-Studie) etablieren.
Die neuesten Studien zu den aktuellen Klappentypen zeigen nun eine dramatische Verbesserung des 1-Jahresüberlebens von 76% auf nunmehr über 90%. Dabei sind mögliche Komplikationen wie Schlaganfall, Nachblutung oder Rest-Undichtigkeit der Klappe deutlich gesunken und liegen teilweise niedriger als bei chirurgischen Eingriffen mit Herzlungenmaschine. Die Herzlungenmaschine, die bei herkömmlichen Klappenoperationen während des Herzstillstands die Herz- und Lungenfunktion übernimmt, kann speziell bei älteren Patienten zu seltenen aber problematischen Komplikationen wie Verwirrtheitszuständen, Schlaganfällen und Blutungen führen.
Die Eingriffe werden in unserer Abteilung in Abhängigkeit des individuellen Risikos in einer tiefen Sedierung bis hin zur Vollnarkose durchgeführt; der Patient kann in 99% der Fälle wach das Herzkatheterlabor in Richtung einer regulären Überwachungsstation (Intermediate Care Unit) verlassen. Die fehlende Operationsnarbe und die kurze Narkosedauer führen zu einer geringeren Rate an Wundinfektionen, Nachblutungen und Lungenentzündungen bei unseren Patienten.
Seit 2019 bietet die Unimedizin Mainz auch ein motorgesteuertes TAVI-Verfahren an, das noch mehr Sicherheit und die Möglichkeit von Komplikationen weiter minimiert.
2022 gab es eine weitere wegweisende Neuerung: nicht nur die Aortenklappen-Stenose ist nun therapierbar, sondern auch die Insuffizienz. Für Patienten mit Aortenklappeninsuffizienz, also einer undichten, aber kalkfreien Aortenklappe, war bis dato eine Operation die einzige zugelassene Option. Bei der Behandlung mit der neuen Klappe "JenaValve Trilogy" ist unser Zentrum zusammen mit der UK Köln und dem HZ Bad Oeynhausen europaweit führend. 

Patientenvorbereitung
Die Voruntersuchungen und genaue Klappenauswahl (Modell und Grösse) werden unter Einbeziehung von Vorbefunden aus Zuweiserpraxen und Krankenhäusern durch unsere Herzklappensprechstunde und das kardiologische Aufnahmemanagement koordiniert. In Abhängigkeit der Vorerkrankungen des Patienten werden eine Darstellung der Herzkranzgefäße (Linksherzkatheter), eine Lungenfunktionsprüfung, eine Darstellung der Hals- und Leistengefäße sowie des Herzklappenrings (Annulus) mittels 3-dimensionaler Computertomographie / 3D-Echokardiographie gefordert. Die Auswertung der CT-Bilder erfolgt direkt durch das Klappenimplantationsteam unter Zuhilfenahme modernster Bildanalyse-Software (3mensio, Philips Heart Navigator).

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Evolut R-Aortenklappenprothese von Medtronic vor der Implantation

 

TAVI-Klappentypen
In unserer Klinik werden ausschließlich moderne Klappentypen der 3. Generation implantiert (Edwards Sapien 3, Medtronic Evolut R / Evolut Pro, Abbott Portico).  Man unterscheidet Ballon-expandierbare (Edwards Sapien 3) gegenüber selbsexpandierbaren Klappen (Medtronic Evolut R, Portico) mit einem Memory-Metall (Titan-Nickel-Legierung). Welcher der Klappentypen für welchen Patienten geeignet ist, richtet sich nach den Maßen des Aortenklappenrings, der Höhe der Herzkrankzgefäßabgänge, des Ausmaßes von Verkalkungen sowie der Beschaffenheit der Zugangswege.

Die Prozedur
Der heute aufgrund seiner Sicherheit und wissenschaftlichen Daten bevorzugte Zugang zum Einsetzen einer TAVI ist der Weg über die Leistenarterie (Femoralarterie, daher als "transfemoraler Zugangsweg" bezeichnet) – ähnlich dem Vorgehen beim sogenannten "Linksherzkatheter". Die Leistenarterie wird hierbei punktiert und ein etwa 5-7mm dicker Katheter in die Arterie geschoben, über den die neue Herzklappe ins Herz eingesetzt wird. Danach wird der Katheter wieder entfernt und die Einstichstelle mit einem speziellen Nahtsystem verschlossen. Für Patienten, die an Verengungen der Leistengefäße (weniger als 4,5mm) leiden, bietet sich alternativ die Möglichkeit eines Einsatzes der neuen Herzklappe über die Schlüsselbeinarterie oder einen kleinen Schnitt unterhalb der linken Brustwarze, der sog. "transapikale Zugangsweg". Dabei wird der Katheter über die Herzspitze eingeführt, die danach chirurgisch wieder verschlossen wird.

Seit Januar 2019 bietet unsere Klinik als erste Institution europaweit ein neues, motorgesteuertes Verfahren an, durch welches sich mögliche Komplikationen noch weiter minimieren lassen.

Unser Team verfügt über umfangreiche Erfahrung mit allen genannten Klappentypen sowie allen genannten Zugangswegen und ist für die genannten Implantationsmethoden zertifiziert.

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Das Team bei eine TAVI-Prozedur

 

Das Team
Unser Team besteht aus erfahrenen interventionellen Kardiologen, spezialisierten Herzchirurgen  und Narkoseärzten, Kardiotechnikern sowie spezialisierten Pflegekräften aus dem Herz-OP und dem Klappenteam. Für die stationäre Beratung und Versorgungsplanung sind zusätzlich ein Assistenzarzt der Kardiologie und zwei spezialisierte Pflegekräfte für Interventionelle Herzklappentherapie zuständig.
Die erhobenen Befunde werden für jeden Patienten im Heart Team bestehend aus den o.g. ärztlichen Fachdisziplinen besprochen und anschließend ein individuell erstelltes Behandlungskonzept vorgeschlagen. Dabei sind eine ausführliche Aufklärung des Patienten und die gemeinsame Diskussion über die interventionellen Möglichkeiten, die individuellen Aussichten, das beabsichtigte Vorgehen und dessen Risiken entscheidend.

Die Nachsorge
Die Patienten werden nach dem Eingriff zunächst auf der Monitorstation (Intermediate Care Unit) überwacht, unter anderem um auf die mögliche Notwendigkeit einer Schrittmacherversorgung (nach etwa 15% aller Eingriffe, einzelne Klappentypen auch höher) reagieren zu können. Im Anschluss erfolgt eine Weiterbehandlung und Mobilisation auf Normalstation. Generell wird eine Anschlussheilbehandlung angeboten und von unserem Sozialdienst organisiert. Patienten werden nach Implantation einer Transkatheterklappe mit einer individuellen Plättchenhemmung, bei Vorhofflimmern auch mit einer oralen Antikoagulation (Marcumar, NOAKs) weiter behandelt. Die ambulante Nachsorge erfolgt über unsere Herzklappensprechstunde nach 1 und 12 Monaten, danach in jährlichen Abständen. Bei Regelzuweisern kann alternativ auch eine ambulante vor-Ort-Nachsorge in der zuweisenden Praxis bzw. dem zuweisenden Krankenhaus erfolgen.

Die Anmeldung
Sollten Sie typische Beschwerden wie belastungsabhängige Atemnot, Brustenge (Angina Pectoris), Schwindel oder sogar Ohnmachtsanfälle aufweisen, so ist eine rasche kardiologische Abklärung angezeigt, um den Zusammenhang mit einer möglichen hochgradigen Aortenklappenverengung nachzuweisen bzw. auszuschließen. Sollte sich dabei der Verdacht auf eine schwerwiegende Verengung der Aortenklappe zeigen, so können sich zusätzliche Untersuchungen zur Planung des weiteren Vorgehens anschließen. Für derartige Fälle hat unsere Klinik eine Spezialambulanz, die Herzklappensprechstunde, eingerichtet.

Unser Flyer
Informationen zur TAVI-Prozedur kurzgefasst in unserem Patientenflyer. (Pdf , 784,8 KB)


Informative Videos:

Unimedizin implantiert europaweit erste motorgesteuerte Herzklappen (MP4 , 22,7 MB) - SWR aktuell vom 29.06.2019

TAVI - Minimalinvasiver Herzklappenersatz

Wenn die Herzklappe verkalkt