Bluttest kann Wirkung von Antidepressiva vorhersagen

Wem helfen Medikamente? Wissenschaftler aus Mainz und der MHH fanden ersten epigenetischen Marker, der das Therapie-Ansprechen bei Depressionen prognostiziert

Antidepressiva helfen nicht jedem Depressiven. Bei manchen Patienten wirkt kein Präparat dieser Medikamentengruppe, bei anderen nur ganz bestimmte. Das Therapie-Ansprechen lässt sich erst nach mehreren Wochen feststellen. Wissenschaftler der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) und der Universitätsmedizin Mainz haben nun Hinweise dafür gefunden, wie sich der Effekt von Antidepressiva per Blutuntersuchung vorab klären lässt. Sie untersuchten dazu einen Gen-Abschnitt, der für die Bildung des Wachstums-Proteins „Brain-derived-neurotrophic-factor“ (BDNF) zuständig ist. Patienten, bei denen an diesem Gen-Abschnitt keine Methyl-Gruppe angehängt ist, sprechen nicht auf Antidepressiva an. Die Wissenschaftler veröffentlichten ihre Ergebnisse im angesehenen Psychiatriejournal Molecular Psychiatry. Depressive haben weniger BDNF im Blut als Gesunde. Die Wissenschaftler stellten zunächst fest, dass bei Patienten, denen ein Antidepressivum hilft, die Konzentration des BDNF nach einer Woche gestiegen war. Daraufhin untersuchten sie das für die Bildung von BNDF zuständige Gen und beobachteten, dass bei einigen Patienten eine Methyl-Gruppe vorhanden war. Bei Patienten ohne diese „Methylierung“ stieg die BDNF-Konzentration im Blut trotz Einnahme eines Antidepressivums nicht an und das Antidepressivum wirkte nicht. „Diese Methyl-Gruppe entscheidet, ob das Gen abgelesen wird oder nicht – dieser so genannte epigenetische Mechanismus reguliert die Genaktivität“, sagt Professor Dr. Helge Frieling, Oberarzt der MHH-Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie. „Dies ist der erste epigenetische Marker, mit dem das Ansprechen auf eine Therapie mit Antidepressiva vorhergesagt werden konnte. Bevor der Marker routinemäßig für Patienten eingesetzt werden kann, müssen die Ergebnisse in unabhängigen Patientengruppen bestätigt werden“, sagt Privatdozent Dr. André Tadić, Oberarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universitätsmedizin Mainz. Bei den Patienten, deren BDNF-Gen methyliert war, lag die Wahrscheinlichkeit, dass ihnen ein Antidepressivum hilft, bei 60 Prozent. „Ob die Wirkung von der Art des Antidepressivums abhängt, werden wir in einer Folgestudie genauer untersuchen“, sagt Professor Frieling. Zudem arbeiten die Forscher daran, weitere epigenetische Biomarker zu finden, um die Vorhersage des Therapieerfolgs für den einzelnen Patienten zu präzisieren. Rund einem Drittel der an Depression Erkrankten hilft das erste Antidepressivum, das sie einnehmen. Bei jedem weiteren Präparat sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass es helfen kann. Etwa einem Viertel aller Depressiven nützt kein Antidepressivum. Diese Medikamente unterstützen das Wachstum von Nervenzellen im Gehirn und die Bildung der Synapsen, welche die Nervenzellen verknüpfen. In Deutschland leiden vier Millionen Menschen an Depressionen, also rund fünf Prozent der Bevölkerung. Damit zählt diese Erkrankung zu den so genannten Volkskrankheiten, ebenso wie beispielsweise Diabetes mellitus oder Bluthochdruck. Trotzdem wird diese Krankheit häufig tabuisiert und mit persönlichem Versagen gleichgesetzt. Beides ist falsch, denn bei der Depression handelt es sich um eine schwere Krankheit. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat festgestellt, dass bei keiner anderen Erkrankung die Lebensqualität derartig eingeschränkt ist. In aller Regel sind Depressionen gut behandelbar, beispielsweise mittels Psychotherapie und Medikamenten. Weitere Informationen: Die Originalpublikation finden Sie im Internet unter http://www.nature.com/mp/journal/vaop/ncurrent/full/mp201358a.html Bildmaterial:
Privatdozent Dr. André Tadić (Quelle: „Universitätsmedizin Mainz/Pulkowski“).
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Die Medizinische Hochschule Hannover (MHH) gehört zu den leistungsfähigsten Universitäten Deutschlands. Ob Forschung, Krankenversorgung oder Lehre: Mit dem Konzept der gezielten Schwerpunktförderung hat sich die MHH einen der vordersten Plätze in der Spitzengruppe der deutschen hochschulmedizinischen Einrichtungen gesichert. Weitere Informationen im Internet unter www.mh-hannover.de

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Die Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz ist die einzige medizinische Einrichtung der Supramaximalversorgung in Rheinland-Pfalz und ein international anerkannter Wissenschaftsstandort. Sie umfasst mehr als 60 Kliniken, Institute und Abteilungen, die fächerübergreifend zusammenarbeiten und jährlich rund 340.000 Menschen stationär und ambulant versorgen. Hochspezialisierte Patientenversorgung, Forschung und Lehre bilden in der Universitätsmedizin Mainz eine untrennbare Einheit. Mehr als 3.600 Studierende der Medizin und Zahnmedizin sowie rund 630 Fachkräfte in den verschiedensten Gesundheitsfachberufen, kaufmännischen und technischen Berufen werden hier ausgebildet. Mit rund 8.700 Mitarbeitenden ist die Universitätsmedizin Mainz zudem einer der größten Arbeitgeber der Region und ein wichtiger Wachstums- und Innovationsmotor.
[Stand: 2023]

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