Neue Erkenntnisse zur Funktionsweise des menschlichen Immunsystems: Genetischer Fingerabdruck von gewebeheilenden Immunzellen entschlüsselt
Wissenschaftler:innen der Universitätsmedizin Mainz haben in Kooperation mit dem Leibniz-Institut für Immuntherapie (LIT) und dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) den molekularen Prozess entschlüsselt, wie sich regulatorische T-Zellen (Treg-Zellen) des menschlichen Immunsystems zu sogenannten Gewebe-Treg-Zellen entwickeln. Die Forschungsergebnisse wurden jetzt in der renommierten Fachzeitschrift Nature Immunology veröffentlicht. Sie könnten die Grundlage für die Entwicklung von neuartigen medikamentösen Ansätzen zur Behandlung von Autoimmunerkrankungen und Gewebeverletzungen bilden.
Bei den regulatorischen T-Zellen, auch Treg-Zellen genannt, handelt es sich um eine spezialisierte Untergruppe von Immunzellen, die eine zentrale Rolle im menschlichen Immunsystem spielt. Die Treg-Zellen tragen mit verschiedenen Funktionen zur Gesunderhaltung des Körpers bei: Sie können fehlerhafte und damit schädliche Immunreaktionen unterdrücken, die beispielsweise zu Autoimmunkrankheiten führen können. Darüber hinaus fördern sie aktiv die Regeneration von Gewebe nach Verletzungen und steuern den Wundheilungsprozess, indem sie gewebeheilende Substanzen ausschütten oder gewebeständige Stammzellen unterstützen.
Mit Hinblick auf ihre vielfältigen Eigenschaften stellen Treg-Zellen einen aussichtsreichen Ansatz für die Entwicklung von neuartigen medikamentösen Therapien bei Autoimmunerkrankungen und Gewebeverletzungen dar. Bisher war diese Untergruppe der Immunzellen jedoch kaum erforscht. Deshalb wurde der durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte und unter der Federführung der Universitätsmedizin Mainz stehende transregionale Forschungsverbund TRR 355 „Heterogenität und funktionelle Spezialisierung regulatorischer T-Zellen in unterschiedlichen Mikromilieus“ gegründet, der diese Forschungsarbeit unterstützt hat.
Um Wundheilungsprozesse im Körper zu fördern, müssen sich Treg-Zellen in sogenannte Gewebe-Treg-Zellen weiterentwickeln. Diesen Entwicklungsprozess haben Wissenschaftler:innen der Universitätsmedizin Mainz in Kooperation mit dem Leibniz-Institut für Immuntherapie (LIT) und dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) jetzt im Detail analysiert. Bei ihren Untersuchungen konnten die Forschenden insbesondere sogenannte epigenetische Veränderungen der DNA entschlüsseln. Epigenetische Veränderungen beziehen sich auf Veränderungen in der Genaktivität. Sie betreffen nicht die DNA-Sequenz selbst, sondern die Art und Weise, wie Gene ein- oder ausgeschaltet werden. Ausgelöst werden die epigenetischen Veränderungen durch chemische Markierungen an der DNA der Zelle wie zum Beispiel die DNA-Methylierung.
Bei diesem Prozess lagert sich ein kleines Molekül, die Methylgruppe, an bestimmte Stellen der DNA, den CpG-Stellen, an. CpG-Stellen sind spezielle DNA-Abschnitte, die durch Methylierung die Aktivität von Genen steuern können. Wenn ein Gen an der CpG-Stelle in der Nähe eines „Ein“-Schalters mit einer Methylgruppe markiert wird, ist das Gen inaktiv. Wird die Methylgruppe entfernt, kann sich die Treg-Zelle zu einer Gewebe-Treg-Zelle weiterentwickeln.
„Die DNA-Methylierungsstellen sind der ‚genetische Fingerabdruck‘ der menschlichen Gewebe-Treg-Zellen. Sie ermöglichen uns, ihre spezifischen Eigenschaften besser zu verstehen", erläutert Univ.-Prof. Dr. Michael Delacher, Arbeitsgruppenleiter am Institut für Immunologie der Universitätsmedizin Mainz und einer der Leiter der Studie.
Dr. Niklas Beumer, Wissenschaftler am Institut für Immunologie der Universitätsmedizin Mainz und einer der Erstautoren der Studie, ergänzt: „Wichtig war uns, nicht nur die DNA-Methylierung an den etwa 28 Millionen CpG-Stellen des menschlichen Erbguts zu untersuchen, sondern unsere Forschungsergebnisse auch in Beziehung zu weiteren Schalter-Prozessen in Treg-Zellen zu setzen. So konnten wir umfassende Erkenntnisse dazu liefern, wie sich die spezielle Funktion der Gewebe-Treg-Zellen entwickelt.“
Beispielsweise fanden die Wissenschaftler:innen viele epigenetische Veränderungen in sogenannten springenden Genen. Springende Gene sind bewegliche DNA-Abschnitte, die innerhalb des Erbguts wandern können bzw. einmal konnten. Neuere Studien belegen, dass sie eine bedeutende Rolle bei der Steuerung der Genaktivität übernehmen.
Schließlich benutzte das Forscherteam den DNA-Methylierungs-Fingerabdruck, um „wandernde“ Gewebe-Treg-Zellen auch im menschlichen Blut zu identifizieren. „Unsere Studie erweitert das Wissen darüber, wie Gewebe-Treg-Zellen programmiert sind, und zeigt damit neue Wege und Möglichkeiten auf, wie diese Zellen in der Therapie verschiedener Erkrankungen eingesetzt werden könnten – etwa zur Förderung der Gewebefunktion nach akuten Verletzungen oder zur Behandlung von Autoimmunerkrankungen“, betont Professor Delacher. Ob Gewebe-Treg-Zellen auch bei Tumorerkrankungen vorkommen und welche Effekte das Wundheilungsprogramm auf das Wachstum oder die Metastasierung von Tumoren hat, wird aktuell in der Arbeitsgruppe von Professor Delacher im Kontext des Sonderforschungsbereichs (SFB) 1292 „Gezielte Beeinflussung von konvergierenden Mechanismen ineffizienter Immunität bei Tumorerkrankungen und chronischen Infektionen" grundlegend erforscht.
Originalpublikation:
Beumer N., Imbusch C. D., Kaufmann T., Schmidleithner L., Gütter K., Stüve P., Marchel H., Weichenhan D., Bähr M., Ruhland B., Marini F., Sanderink L., Ritter U., Simon M., Braband K. L., Voss M. M., Helbich S. S., Mihoc D. M., Hotz-Wagenblatt A., Nassabi H., Eigenberger A., Prantl L., Gebhard C., Rehli M., Strieder N., Singh K., Schmidl C., Plass C., Huehn J., Hehlgans T., Polansky J. K., Brors B., Delacher M., Feuerer M., DNA hypomethylation traits define human regulatory T cells in cutaneous tissue and identify their blood recirculating counterparts, Nature Immunology (2025).
DOI: 10.1038/s41590-025-02210-x
Kontakt:
Univ.-Prof. Dr. Michael Delacher
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[Stand: 2024]
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