Quo Vadis Universitätsmedizin
(Mainz, 03. September 2013, ok) Der auf der Universitätsmedizin Mainz lastende wirtschaftliche Druck ist im Jahr 2013 immens. Doch das Problem ist nicht Mainz spezifisch: Überproportionale Kostensteigerungen beim Personal, den Energiekosten und Arzneimitteln führen an nahezu allen Universitätsklinika Deutschlands zu defizitären Haushalten. Bei der Veranstaltung „Quo Vadis Universitätsmedizin“ des Fachbereichs Universitätsmedizin wurden im Rahmen einer Podiumsdiskussion drängende Fragen rund um die Themen Finanzen, Exzellenz und Perspektiven unter Moderation von Dr. Frank Wittig (SWR) diskutiert. Weiterhin verlieh der Fachbereichsrat Universitätsmedizin dem langjährigen Wissenschaftlichen Vorstand a.D., Univ.- Prof. Dr. Dr. Reinhard Urban, den Ehrenring der Universitätsmedizin Mainz.
Vor dem Hintergrund des hohen wirtschaftlichen Drucks stellen sich für die Universitätsmedizin Mainz - aber auch für andere deutsche Universitätsklinika – im Jahr 2013 zahlreiche substantielle Fragen: Wie lassen sich die steigenden Kosten der Universitätsklinika finanzieren? Was sind Mainz-spezifische Probleme, die zu lösen sind? Benötigen wir eine Finanzierungsreform, wie vom Verband der Universitätsklinika Deutschlands gefordert? Was unterscheidet die Forschung an der Universitätsmedizin von der Forschung an einer herkömmlichen Universität? Wie sind Forschung und Lehre an der Universitätsmedizin Mainz im Bundesvergleich finanziert? Welche Möglichkeiten gibt es, um dem Fachkräftemangel zu begegnen? Diese und andere Fragen standen im Mittelpunkt einer Podiumsdiskussion mit den vier Vorständen der Universitätsmedizin Mainz – Univ.-Prof. Dr. Norbert Pfeiffer, Medizinischer Vorstand und Vorstandsvorsitzender, Univ.-Prof. Dr. Ulrich Förstermann, Wissenschaftlicher Vorstand, Götz Scholz, Kaufmännischer Vorstand und Evelyn Möhlenkamp, Pflegevorstand.
Die Vorstandmitglieder der Universitätsmedizin Mainz (v.l.n.r.) Wissenschaftlicher Vorstand Univ.-Prof. Dr. Ulrich Förstermann, Medizinischer Vorstand und Vorstandsvorsitzender Univ.-Prof. Dr. Norbert Pfeiffer, Pflegevorstand Evelyn Möhlenkamp und Kaufmännischer Vorstand Götz Scholz
Zur Veranstaltung „Quo Vadis“ hatte der Vorstand der Universitätsmedizin Mainz die Direktoren der medizinischen Betriebseinheiten und klinisch-theoretischen Institute genauso eingeladen wie weitere Führungskräfte des wissenschaftlichen, nichtwissenschaftlichen, medizinischen und pflegerischen Bereichs sowie die Aufsichtsratsmitglieder der Universitätsmedizin. Außerdem zählten Senatsmitglieder und der Hochschulrat der Johannes Gutenberg-Universität Campus zu den Gästen. Des Weiteren waren Studierende verschiedener Gremien und der Fachschaft geladen. Aus diesem Personenkreis war eine Beteiligung an der Podiumsdiskussion ausdrücklich gewünscht. Der offene Dialog – vor allem mit den Beschäftigten der Universitätsmedizin – war dem Vorstand ein zentrales Anliegen.
Die Universitätsmedizin Mainz ist als universitäres Haus der Supramaximalversorgung besonders hohen Ansprüchen und Belastungen ausgesetzt. Sie ist sowohl ein Ort der Patientenversorgung, als auch Wissenschaftsstandort für Forschung und Lehre. Sie dient als Stadtkrankenhaus – was wichtig für die Lehre ist. Zudem hält sie Kompetenzen und Diagnostik- und Therapiemethoden für ambulante und stationäre Patienten sowie für seltene und schwerste Erkrankungen vor und behandelt Extremkostenfälle. Ein Spagat, welchen das DRG-Abrechnungssystem nur unzureichend abbildet. Auch aufgrund dessen sieht sich die Universitätsmedizin Mainz– wie die meisten deutschen Universitätsklinika Deutschlands –mit einer Kosten-Erlös-Schere konfrontiert. Ihre Finanzsituation ist äußerst angespannt. Um diese zu verbessern, bedarf es sowohl effektiver Leistungssteigerungen und Einsparungen, als auch gesamtsystemischer Veränderungen.
Diese sind ebenfalls ein Themenfeld der klinischen Versorgungsforschung. Sie stellt sich beispielweise die Frage, wie erreicht werden kann, dass die einzelnen Berufsgruppen aus ihrer jeweiligen Fachexpertise heraus, die Frage nach dem individuelle Leistungsbedarf eines Patienten gemeinsam beantworten. Dabei stellt sie auch Überlegungen zur Akademisierung der Gesundheitsfachberufe in den Raum. Gemeinsames Lernen in bestimmten Fächer wie beispielsweise der Anatomie an der geplanten Rudolf-Frey-Lehrklinik der Universitätsmedizin Mainz – das könnte die Attraktivität der Gesundheitsfachberufe steigern und die Universitätsmedizin als innovativen Arbeitgeber positionieren.
Für die Wissenschaft bestehen die Herausforderungen zum einen in der Generierung von Drittmitteln, um beispielsweise die sehr wichtige, aber auch sehr teure biomedizinische Forschung voranzutreiben, zum anderen muss die Universitätsmedizin ein attraktives Forschungsumfeld bieten und die besten Köpfe rekrutieren. Für die Lehre gilt es, das Angebot weiter zu verbessern und die Studierenden zielorientierter zu fordern und zu fördern.
„Für die Zukunft bedarf es verbesserter externer Rahmenbedingungen. Intern muss die Universitätsmedizin finanzielle Problemlösungen umsetzen und sich noch stärker an ihren drei Kernaufgaben Krankenversorgung, Forschung und Lehre ausrichten. Dazu gehört es meiner Meinung nach, klinische Schwerpunkte zu entwickeln und den Forschungsblick intensiver auf die Ursachen von Krankheiten zu richten. Wir alle müssen die Universitätsmedizin gemeinsam voranbringen“, sagt der Medizinische Vorstand und Vorstandsvorsitzende der Universitätsmedizin, Univ.-Prof. Dr. Norbert Pfeiffer, und fügt hinzu: „Anspruch dieser Veranstaltung ist es, auf der einen Seite den Dialog mit denjenigen zu suchen, die Personalverantwortung haben und Entscheidungen mittragen müssen – auch unliebsame. Auf der anderen Seite geht es darum, eine gemeinsame Vision zu entwickeln. Wenn wir gemeinsam analysieren, welche Klippen zu umschiffen sind, welche Ziele wir erreichen wollen und was es dazu bedarf, dann ist das ein wichtiger Erfolg für Quo Vadis.“
Der Wissenschaftliche Vorstand der Universitätsmedizin Mainz, Univ.-Prof. Dr. Ulrich Förstermann, überreicht seinem Amtsvorgänger Univ.-Prof. Dr. Dr. Reinhard Urban den Ehrenring (Bildquelle: Peter Pulkowski, Universitätsmedizin Mainz)
„Problematisch an der wirtschaftlich angespannten Situation ist auch, dass es kaum Spielraum gibt für die Eigenfinanzierung kostenintensiver Infrastruktur oder der Durchführung neuer Forschungsprojekte aus eigenen Mitteln. Das Erreichen einer Spitzenstellung in Forschung und Lehre ist durch die wirtschaftlichen Bedingungen erschwert“, gab der Wissenschaftliche Vorstand, Univ.-Prof. Dr. Ulrich Förstermann zu bedenken. „Forschung ist ganz überwiegend aus extern eingeworbenen Drittmitteln zu finanzieren. Restriktionen gibt es auch bei Berufungs- und Bleibeverhandlungen mit Topwissenschaftlern, die unsere Forschungsschwerpunkte nachhaltig stärken könnten“, so Prof. Förstermann weiter. „Es gilt die knappen Ressourcen möglichst effektiv und nachhaltig einzusetzen, exzellente und drittmittelstarke Wissenschaftler und Wissenschaftler zu berufen bzw. zu halten, die Forschung auf besondere Stärken zu fokussieren, geschickt zusätzliche Drittmittelprojekte anzuschieben, und die studentische Lehre auf gutem Niveau zu garantieren“..„Was der deutschen Universitätsmedizin – im internationalen Vergleich betrachtet – fehlt, ist ein Systemzuschlag. Ohne die Universitätsklinika gäbe es das deutsche Gesundheitswesen nicht in seiner gegenwärtigen Form und auch nicht seiner Leistungsfähigkeit. Hier werden Schwerstkranke behandelt und der Ärztenachwuchs ausgebildet und dennoch gilt: Die Vergütung der Leistungen durch die Krankenversicherungen erfolgt nach den gleichen Kriterien wie in allen anderen Krankenhäusern“, bemerkte der Kaufmännische Vorstand, Götz Scholz. Aus kaufmännischer Sicht ist nicht zuletzt der bürokratische Mehraufwand, der in den letzten beiden Dekaden stark zugenommen hat, ein zentraler Faktor. „Die Abrechnungen der Patienten wird fortwährend komplexer. Vor 20 Jahren gab es einen allgemeinen Pflegesatz und nur wenige Sonderentgelte. Heute gibt es weit über 1000 Fallpauschalen, ergänzt um Zusatzentgelte“, stellte der Kaufmännische Vorstand, Götz Scholz, fest.
„Um die Universitätsmedizin für die Zukunft zu wappnen, brauchen wir nach meiner Überzeugung auch ein Umdenken in der Ausbildung der Gesundheitsfachberufe. Nachdenken sollten wir über eine (teilweise) gemeinsame Ausbildung von Studierenden der Medizin und denjenigen, die Gesundheitsfachberufe ergreifen wollen“, unterstrich Pflegevorstand, Evelyn Möhlenkamp. Sie vertrat die Meinung, dass dem bestehenden Fachkräftemangel insbesondere dadurch begegnet werden sollte, indem die Gesundheitsfachberufe anspruchs- und verantwortungsvollere Aufgaben im Krankenhausmanagement und in der Patientenversorgung wahrnehmen.
Im Rahmen der Veranstaltung erhielt der langjährige Wissenschaftliche Vorstand a.D., Univ.- Prof. Dr. Dr. Reinhard Urban, den Ehrenring der Universitätsmedizin Mainz. Prof. Urban war von 2001 bis 2013 Wissenschaftlicher Vorstand der Universitätsmedizin. Sechs Mal wurde er vom Fachbereichsrat als Dekan respektive Wissenschaftlicher Vorstand gewählt. Der 64-jährige Rechtsmediziner trieb die Profilbildung in der Forschung im Sinne der Etablierung von Forschungsschwerpunkten maßgeblich voran. Im Kern seines Handelns standen vor allem eine besonders praxisorientierte Lehre, die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses und die Erhöhung des Anteils von Frauen in der Professorenschaft, etwa durch Etablierung des Edith-Heischkel-Mentoring-Programms. Seine erfolgreiche Berufungspolitik war eng an der von ihm forcierten Profil- und Schwerpunktbildung ausgerichtet. Nicht zuletzt wegen dieser erfolgreichen Berufungen, ließen sich in der jüngsten Vergangenheit zwei neue Sonderforschungsbereiche und drei der begehrten hochdotierten ERC-Advanced Grants sowie eine mit fünf Millionen Euro dotierte Alexander von Humboldt-Professur einwerben. Die Laudatio auf Prof. Urban hielt Generalvikar Prälat Dietmar Giebelmann.
Grußworte gab es bei der Veranstaltung vom Präsidenten der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Univ.-Prof. Dr. Georg Krausch, und der Staatssekretärin im Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur (MBWWK) Vera Reiß.
Zur Person: Univ.-Prof. Dr. Dr. Reinhard Urban:
Univ.-Prof. Dr. Dr. Reinhard Urban, 1949 geboren, studierte und promovierte in den Fächern Chemie und Medizin an der Technischen Universität München (TU) und an der Ludwig Maximilians Universität München (LMU). Anschließend war er an der LMU und der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) als Rechtsmediziner tätig, bevor er 1991 eine C3-Professur an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz antrat. Seit 2003 ist er Inhaber der C4-Professur für Rechtsmedizin und Direktor des Instituts für Rechtsmedizin der Universitätsmedizin Mainz. Dekan des Fachbereichs Medizin und Wissenschaftlicher Vorstand der Universitätsmedizin Mainz ist Urban seit 2001. Zentrale Anliegen des 64-jährigen sind neben der wissenschaftlichen Nachwuchs- und Frauenförderung eine praxisorientierte Lehre sowie die Schaffung der wissenschaftlichen Schwerpunktprofile.
Pressekontakt
Oliver Kreft, Stabsstelle Kommunikation und Presse Universitätsmedizin Mainz,
Telefon 06131 17-7424, Fax 06131 17-3496, E-Mail: pr@unimedizin-mainz.de
Über die Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Die Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz ist die einzige Einrichtung dieser Art in Rheinland-Pfalz. Mehr als 60 Kliniken, Institute und Abteilungen gehören zur Universitätsmedizin Mainz. Mit der Krankenversorgung untrennbar verbunden sind Forschung und Lehre. Rund 3.500 Studierende der Medizin und Zahnmedizin werden in Mainz kontinuierlich ausgebildet. Weitere Informationen im Internet unter www.unimedizin-mainz.de
Die Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz ist die einzige medizinische Einrichtung der Supramaximalversorgung in Rheinland-Pfalz und ein international anerkannter Wissenschaftsstandort. Sie umfasst mehr als 60 Kliniken, Institute und Abteilungen, die fächerübergreifend zusammenarbeiten und jährlich rund 340.000 Menschen stationär und ambulant versorgen. Hochspezialisierte Patientenversorgung, Forschung und Lehre bilden in der Universitätsmedizin Mainz eine untrennbare Einheit. Mehr als 3.600 Studierende der Medizin und Zahnmedizin sowie rund 630 Fachkräfte in den verschiedensten Gesundheitsfachberufen, kaufmännischen und technischen Berufen werden hier ausgebildet. Mit rund 8.700 Mitarbeitenden ist die Universitätsmedizin Mainz zudem einer der größten Arbeitgeber der Region und ein wichtiger Wachstums- und Innovationsmotor.
[Stand: 2023]
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