Weltblutkrebstag: Große Studie zu neuem Behandlungsansatz bei akuter Leukämie gestartet

Europäisches Forschungskonsortium unter federführender Beteiligung der Universitätsmedizin Mainz initiiert große Phase III Studie

Mit EVOLVE II ist eine neue große internationale Phase III Studie an den Start gegangen, an der die III. Medizinische Klinik der Universitätsmedizin Mainz federführend beteiligt ist. Ziel ist es, eine vielversprechende Medikamenten-Kombination zur Behandlung der akuten myeloischen Leukämie (AML) zu testen. Dahinter steht die Erkenntnis, dass sich durch eine solche Kombination von Medikamenten die äußerst aggressive AML wesentlich besser eindämmen lässt, als wenn die Medikamente einzeln verabreicht werden. In die Studie sollen insgesamt rund 400 Patient:innen eingeschlossen werden. Auf die große Bedeutung dieser Studie weisen die Wissenschaftler:innen um Univ.-Prof. Dr. Michael Kühn anlässlich des Weltblutkrebstages am 28. Mai hin.

Die akute myeloische Leukämie (AML) ist eine Form der auch als Blutkrebs bezeichneten Leukämien. Bei der AML handelt es ich um eine aggressiv verlaufende Erkrankung der blutbildenden Zellen, die ohne Behandlung nahezu immer zum Tode der betroffenen Patient:innen führt. Seit dem Jahr 1973 ist die Chemotherapie die Standard-Behandlungsmethode, seitdem hat sich die Gabe einer Kombination aus verschiedenen Chemotherapeutika etabliert. In Abhängigkeit vom genetischen Subtyp und Alter kann so jedoch nur etwa die Hälfte der AML-Patient:innen geheilt werden.

Als es 2008 erstmals gelang, das Genom von AML-Patient:innen zu sequenzieren, ging damit die Erkenntnis einher, dass immer mindestens zwei molekulare Mechanismen an der Entstehung der AML beteiligt sind. Aktuelle Forschungsanstrengungen zielen seitdem insbesondere darauf ab, die zugrundeliegenden Mutationen und die entsprechenden krankmachenden Vorgänge als neue therapeutische Ziele zu identifizieren. Im nächsten Schritt gilt es dann passende Medikamente zu entwickeln bzw. Medikamentenkombinationen zu finden, die an diesen Stellen ansetzen. Damit sollen zielgerichtete und damit effizientere sowie weniger toxische Therapien etabliert werden, was insbesondere für jene ältere Patient:innen wichtig ist, für die eine intensive Chemotherapie aufgrund der großen Belastungen für den Körper nicht mehr in Frage kommt.

Neue Phase III Studie soll rund 400 Patient:innen einschließen

Vor diesem Hintergrund ist in diesem Jahr eine neue große Phase III Studie gestartet, an der die III. Medizinische Klinik der Universitätsmedizin Mainz federführend beteiligt ist. „Phase III bedeutet, dass wir Medikamente, die sich in kleineren Studien als wirksam und verträglich erwiesen haben, erstmals an einer großen Zahl erkrankter Menschen testen können“, erläutert Univ.-Prof. Dr. Michal Kühn, Leitender Oberarzt an der III. Medizinischen Klinik und einer der Leiter der internationalen Studie. „Konkret möchten wir die Wirksamkeit einer Kombination der Wirkstoffe Revumenib, Venetoclax und Azacitidin überprüfen. Wir untersuchen dabei auch, ob sie sich als primäre Behandlungsmethode eignet, also für die Erstlinientherapie.“

Das erste Medikament, Revumenib, ist ein so genannter Menin-Inhibitor. „Das ist eine echte Erfolgsgeschichte. Sie begann 2016 als wir Menin als neues therapeutisches Ziel bei der häufigsten Form der AML entdeckt haben“, berichtet Michael Kühn. „Dies hat u. a. dazu geführt, dass – sozusagen aus dem Stand – sechs darauf basierende Medikamente in Phase I-Studien geprüft werden, die der Dosisfindung im Menschen dienen. Eines von ihnen ist Revumenib, einer der am weitesten in der klinischen Entwicklung fortgeschrittenen Menin-Inhibitoren seiner Klasse. Er hat sich schon in der alleinigen Therapie als sehr wirksam erwiesen.“

In der Folge galt es nun, die Effizienz dieser Inhibitoren weiter zu verbessern – und Medikamente zu finden, die eine synergistische Wirkung zum Menin-Inhibitor zeigen und damit die oben erwähnte Erkenntnis der stets multiplen molekularen AML Ursachen adressiert. So lässt sich durch die Kombination von mehreren neuen Medikamenten die AML wesentlich besser eindämmen, als wenn die Medikamente einzeln verabreicht werden. Vor diesem Hintergrund hat sich eine Kombination mit der bisherigen Standardtherapie aus Venetoclax und Azazitidin als äußerst vielversprechend erwiesen. „Dass wir heute so weit sind und eine Phase III Studie mit der Kombination Revumenib und Venetoclax starten können, ist vor allem deshalb bemerkenswert, da die überwiegende Zahl der Prüfmedikamente die Phase I/II Studien nicht überstehen“, freut sich Michael Kühn. „Wenn wir für diese Medikamenten-Kombination einen zusätzlichen Nutzen nachweisen können, wäre das für die Patient:innen ein Segen.“ Zudem sei besonders, dass es sich hier um eine rein aus der akademischen Forschung heraus initiierte Studie handele – eine sogenannte Investigator Initiated Trial.

Mehr als 150 Zentren werden an der Studie teilnehmen

Insgesamt sind mehr als 150 Zentren aus 18 Ländern an der neuen Studie mit dem Namen EVOLVE II beteiligt. Rund 400 überwiegend ältere Patient:innen, für die eine intensive Polychemotherapie als Behandlungsoption nicht in Betracht kommt, sollen eingeschlossen werden. Federführend beteiligt sind die niederländische HOVON-Studiengruppe, die als Stiftung auch die Sponsorschaft übernimmt, die deutsch-österreichische AML-Studiengruppe (AMLSG), sowie die UK Clinical Trials Group, die sich im EVOLVE-Konsortium zusammengeschlossen haben. Finanziell unterstützt wird die Studie von Syndax.

Professor Michael Kühn wird mit dem Team der AMLSG-Studienzentrale des Universitätsklinikums Ulm die Studie an den beteiligten deutsch-österreichischen Zentren leiten, Gerwin Huls die Zentren der HOVON- und Paresh Vias die Zentren der UK Clinical Trials-Gruppe. „Ein Zentrum alleine kann eine derart ambitionierte Studie nicht stemmen. Nur gemeinsam können wir ein solch dickes Brett bohren. Dass die III. Medizinische Klinik der Universitätsmedizin Mainz unter Leitung von Professor Matthias Theobald hier eine sehr prominente Rolle einnimmt, ist auch unserer großen und langjährigen Expertise bei der Durchführung klinischer Studien zu verdanken.“

Zudem ist die EVOLVE-Studie auch von Bedeutung für den Sonderforschungsbereich 1292: „Gezielte Beeinflussung von konvergierenden Mechanismen ineffizienter Immunität bei Tumorerkrankungen und chronischen Infektionen“ (Sprecherschaft Universitätsmedizin Mainz), in dessen Rahmen sich das Teilprojekt TP12 mit Menin-Inhibition bei der AML beschäftigt. Ganz im Sinne der Wissenschaft konnten Professor Kühn und Kolleg:innen Forschungserkenntnisse, die im Rahmen dieses SFBs erzielt wurden, auch für die EVOLVE-Studie nutzen.

 

Kontakt:
Univ.-Prof. Dr. Michael Kühn, III. Medizinische Klinik und Poliklinik,
Universitätsmedizin Mainz,
Telefon 06131 17-7394, E-Mail

Univ.-Prof. Dr. Matthias Theobald, III. Medizinische Klinik und Poliklinik,
Universitätsmedizin Mainz,
Telefon 06131 17-7281, E-Mail

 

Pressekontakt:
Dr. Renée Dillinger-Reiter,
Stabsstelle Unternehmenskommunikation, Universitätsmedizin Mainz,
Telefon 06131 17-7424, E-Mail

 

 

 

Über die Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Die Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz ist die einzige medizinische Einrichtung der Supramaximalversorgung in Rheinland-Pfalz und ein international anerkannter Wissenschaftsstandort. Sie umfasst mehr als 60 Kliniken, Institute und Abteilungen, die fächerübergreifend zusammenarbeiten und jährlich rund 340.000 Menschen stationär und ambulant versorgen. Hochspezialisierte Patientenversorgung, Forschung und Lehre bilden in der Universitätsmedizin Mainz eine untrennbare Einheit. Mehr als 3.600 Studierende der Medizin und Zahnmedizin sowie rund 630 Fachkräfte in den verschiedensten Gesundheitsfachberufen, kaufmännischen und technischen Berufen werden hier ausgebildet. Mit rund 8.700 Mitarbeitenden ist die Universitätsmedizin Mainz zudem einer der größten Arbeitgeber der Region und ein wichtiger Wachstums- und Innovationsmotor.
[Stand: 2023]

Folgen Sie uns auf Social Media

Neuigkeiten über die UM finden Sie auch in unseren Social Media-Kanälen. Wir sind auf LinkedIn, Instagram, Facebook, TikTok und YouTube aktiv. 

Mehr erfahren

Abonnieren Sie unsere RSS-Feeds

Aktuelle Meldungen:
www.unimedizin-mainz.de/rss

Aktuelle Stellenanangebote:
www.unimedizin-mainz.de/rss_jobs/rss.xml

Kontakt