Studie für geflüchtete junge Menschen sucht Teilnehmerinnen und Teilnehmer

Untersuchung von Universitätsmedizin und Rheinhessen-Fachklinik Mainz will Geflüchteten helfen, nach traumatischen Erlebnissen Stress zu reduzieren

Mainz. Menschen, die nach Deutschland flüchten, haben oft sehr schlimme Dinge erlebt, die unfassbar erscheinen. Sie flüchteten aus Kriegs- oder Krisengebieten, aus bitterer Armut, sie wissen, wie sich der Verlust von Familienangehörigen und Freunden anfühlt. Die Flucht der oft sehr jungen Menschen aus ihrer Heimat ist verbunden mit extremer Anstrengung, Hunger, Ungerechtigkeit, Todesangst – und schließlich der Ungewissheit, ob man im Zufluchtsland bleiben darf. Solche Belastungen können das Risiko psychischer Erkrankungen erheblich verstärken.

Eine Studienreihe nimmt sich diesem Problem an und erforscht, wie man diesen Menschen mit unterschiedlichen Bedürfnissen in verschiedenen Altersklassen helfen kann. Die „START A1-Studie für geflüchtete junge Menschen“ will jungen Geflüchteten im Alter von 13 bis 17 Jahren Fähigkeiten vermitteln, Krisen zu bewältigen und akuten Stress zu reduzieren. Die Studie wird in Kooperation von Universitätsmedizin Mainz und Rheinhessen-Fachklinik Mainz sowie dem Bundesministerium für Bildung und Forschung durchgeführt.

Allerdings sind die jungen Menschen der Zielgruppe schlecht auffindbar und es werden weiterhin Teilnehmerinnen und Teilnehmer gesucht. Angesprochen wurden bereits Jugendhilfeeinrichtungen, Ärzte, Juristen. Man machte über Plakate und Informationsveranstaltungen auf die Studie aufmerksam. Darüber hinaus informiert die Internetseite www.mentalhealth4refuguees.de mehrsprachig über sämtliche Studien der Reihe und macht einen ersten Kontakt einfacher.

Univ.-Prof. Dr. Dipl.-Psych. Michael Huss, Direktor der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie der Universitätsmedizin Mainz, Ärztlicher Direktor der Rheinhessen-Fachklinik Alzey und Chefarzt an der Rheinhessen Fachklinik Mainz, leitet die Studie. Er erläutert, dass mit angestrebten 174 Teilnehmenden vielen Betroffenen „ein spezialisiertes Angebot auf höchstem wissenschaftlichem Niveau“ gemacht werden könne.

Mit der großen Flüchtlingswelle kam schnell die Erkenntnis, dass es notwendig ist, kurzfristige, stabilisierende Maßnahmen zu entwickeln, um den Betroffenen den Umgang mit dem psychischen Stress, den sie aus ihren Heimatländern mitbrachten, zu erleichtern, erklärt Susanne Ocker, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie der Universitätsmedizin Mainz.

Skills zur Stressregulation werden vermittelt

Für die teilnehmenden Kinder und Jugendlichen der „START-A1-Studie“ werden Gruppentherapien angeboten. Bei diesen speziellen Gruppentherapien geht es nicht um die Aufarbeitung von Erlebnissen, sondern um die Stressregulation, um bei einem Flashback (Rückblende in eine traumatische Situation), bei Übererregbarkeit, selbst handeln zu können.

Drei bis acht junge Menschen sind in einer Gruppe, die sich über acht Wochen zwei Mal pro Woche für jeweils eine Stunde trifft. Nach vier Wochen gibt es eine sogenannte Booster-Sitzung zur Auffrischung des bislang Erlernten. Bevor sie in eine Studiengruppe aufgenommen werden, gilt es, zahlreiche Fragebögen mit ihnen auszufüllen, denn es muss auch geklärt werden, ob sie überhaupt für die Studie in Frage kommen. Sind die Probleme im Zusammenhang mit der Verarbeitung des Erlebten bereits zu groß, muss eventuell eine stationäre Behandlung angegangen werden.

In der engen Kooperation zwischen Universitätsmedizin und Rheinhessen-Fachklinik Mainz können solche Übergänge zwischen Wissenschaft und Versorgung „hervorragend und sehr zeitnah“ dargestellt werden, sagt Michael Huss.

Teilnehmende möchten ein neues Leben beginnen

Nicole Fischer, Psychotherapeutin an der Rheinhessen-Fachklinik Mainz, arbeitet mit den Teilnehmenden der Studie, die Symptome einer Posttraumatischen Belastungsstörung erkennen lassen. Die Gruppenarbeit muss sehr genau durchdacht sein. So wurden die Übungen, zum Beispiel zur Achtsamkeit und Entspannung, niederschwellig angelegt. Diese „Skills“, diese Fähigkeiten, die in den Alltag eingebaut werden sollen, werden gemeinsam eingeübt.

Darüber sprechen, was geschah, bevor sie nach Deutschland kamen? Das ist in der Regel nicht möglich, sagt Nicole Fischer. Die Teilnehmenden möchten ein neues Leben beginnen, macht die Psychotherapeutin klar. Über die schlechten Erlebnisse möchten sie in der Regel nicht sprechen. „Ich glaube, dass sie sehr zwiegespalten sind.“ Da ist die Kultur, in der sie aufwuchsen und schließlich das Trauma, das sie mitschleppen. „Das macht es sehr schwierig.“ Und dennoch ist der Erfolg mit Hilfe von Fragebögen zur Selbstwirksamkeit messbar. Zusätzlich wird in der Gruppe darüber gesprochen, was geholfen hat.

Sehr niederschwellige Übungen

Nicht alle Übungen kommen gleichermaßen gut an bei den Kindern und Jugendlichen. Manchmal bastelt man auch zusammen. Auch so kann man mal für eine Stunde den psychischen Stress, die eigenen Probleme vergessen. Der Effekt ist dann zum Beispiel, dass ein junger Teilnehmer die Rückmeldung gibt, er sei dankbar für die Gruppe, da er sonst alleine in seinem Zimmer sitzen würde.

Die Art, wie die Teilnehmenden angesprochen werden, muss sehr genau durchdacht sein. Das liegt einerseits an der Sprache – daher werden Dolmetscher aus Studienmitteln bezahlt. Es liegt auch an den Umständen, wie die jungen Menschen aufwuchsen. So berichtet Nicole Fischer von einem 17-Jährigen, der in seinem Leben noch nie zur Schule ging. Solche Beispiele machen verständlich, wieso die Übungen sehr niedrigschwellig angelegt sind.


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