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Angeborene Fehlbildungen

Angeborene Fehlbildungen sind ein wesentliches Problem der öffentlichen Gesundheitsfürsorge und die Güte ihrer Erfassung und Behandlung ist ein Indikator für die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung.


Der vor mehr als drei Jahren intensiv diskutierte Zusammenhang zwischen einer mütterlichen Zika-Virus-Infektion und dem Vorliegen eines ausgeprägten Mikrozephalus (mit/ohne Hirnfehlbildungen) beim Kind oder auch die Mitte 2019 in Gelsenkirchen aufgetretenen Fälle mit Handfehlbildungen, bzw. die 2018 diskutierte Häufung genau dieser Fehlbildungen in Frankreich, machen deutlich, wie notwendig eine valide Fehlbildungserfassung für das Erkennen von potentiellen teratogenen Agentien und auch die Kenntnis von Basisprävalenzen ist.

Die WHO definiert Fehlbildungen (FB) wie folgt: „Fehlbildungen sind Formabweichung des Körpers oder der Organe, die die Lebensfähigkeit beeinträchtigen und interventionsbedürftig sind“. Fehlbildungen sind immer angeboren und werden synonym auch als morphologische/morphogenetische Defekte bezeichnet.


Bei etwa 3-4% (passive Erfassungssysteme) bis 6-7% (jedes 16. Kind; aktive Erfassungssysteme) aller Neugeborenen werden große Fehlbildungen diagnostiziert, ungefähr ein Fünftel davon sind schwer und lebensbedrohlich. In optimal ausgestatteten aktiven Erfassungssystemen werden Neugeborene von speziell ausgebildeten Ärzten untersucht. Diese stellen die Diagnosen, übernehmen die Klassifizierung, Kodierung und Registrierung der Fehlbildungen. In passiven Registern werden ausgewählte Fehlbildungen von unterschiedlichen Personen (Institutionen) mit unterschiedlicher Ausbildung und Motivation an ein Zentrum gemeldet. Die meldende Person hat in der Regel weder die Untersuchung persönlich durchgeführt noch die Fehlbildung diagnostiziert, sondern die Daten meist den Akten entnommen. Ein standardisiertes, systematisches Untersuchungsschema existiert dementsprechend nicht.

Die bei aktiver Erfassungen ermittelten deutlich höheren Prävalenzen (internationale Übereinkunft, da es sich nicht um eine Neuerkrankung (Inzidenz), sondern um einen Istwert bei Geburt handelt) begründen sich vor allem in der Standardisierung der Untersuchungen, den genauen Fehlbildungsdefinitionen und der Minimierung der Heterogenitätsprobleme. Aktive Erfassungssysteme sind passiven Erfassungskonzepten eindeutig überlegen.


Fehlbildungen entwickeln sich im ersten Drittel der Schwangerschaft bis zur 12.-14. Schwangerschaftswoche, während der Organogenese, der sensiblen Phase der Schwangerschaft. Etwa ein Viertel aller kindlichen Todesfälle stehen im Zusammenhang mit Fehlbildungen. Kinder mit angeborenen Fehlbildungen machen etwa ein Drittel aller pädiatrischen stationären Aufnahmen aus. Diese Kinder benötigen häufig eine intensive medizinische, interdisziplinäre und oftmals lebenslange, kostenintensive Behandlung. Die Kinder mit Fehlbildungen und deren Folgen sind somit eine wichtige Patientengruppe in der Pädiatrie.

Die Ursachen angeborener Fehlbildungen sind nur ungefähr zur Hälfte bekannt und verteilen sich weltweit wie folgt:

  • multifaktoriell ca. 20%,
  • Einzelgendefekt 10-20%,
  • chromosomal 10-15%,
  • angeborene Infektionen 2-5%,
  • physikalische, chemische Noxen, Medikamente in der Schwangerschaft, berufsspezifische Risiken, Erkrankungen (z.B. Diabetes mellitus) in der Schwangerschaft > 50%.

Weiterhin es wichtig, ob eine einzelne Fehlbildung oder mehrere, ggf. kombiniert mit kleinen morphogenetischen Defekten (z.B. 4-Finger-Furche), vorliegen. Diese können dem geübten Untersucher Hinweise auf Fehlentwicklungen, die Einwirkung exogener Noxen oder syndromale Hintergründe geben. Sogenannte Mehrfachfehlbildungen bedürfen zur eineindeutigen Einordnung einer besonderen Expertise.