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Möglichkeiten eines Geburtenregisters

Fehlbildungsprävalenz

Nahezu unveränderte Prävalenz angeborener Fehlbildungen. In den letzten 22 Jahren. kommt trotz optimaler Schwangerschaftsvorsorge und intensiver Präventionsmaßnahmen weiterhin jedes 16. Neugeborene mit einer großen Fehlbildung (z.B. Herzfehler, Lippen-Kiefer-Gaumenspalte) zur Welt. Auch verschiedene Umweltkatastrophen (z.B. Fukushima), die unterschiedlichen Umwelteinflüsse und verschiedenen externen Einflüsse des individuellen Lebensstils der werdenden Eltern zeigen bis jetzt keinen relevanten Einfluss auf die Fehlbildungsprävalenz.

Die Dokumentation einer konstanten Fehlbildungsprävalenz von etwa 6% hat dazu geführt, dass im Rahmen einer genetischen Beratung inzwischen diese Werte als Basisrisiko angegeben werden.

Referenzregister

Bereitstellung von Referenzwerten zur Häufigkeit von Fehlbildungen und zur Zusammensetzung einer Schwangeren- und Neugeborenenkohorte. Die Arbeitsweise des Mainzer Modells und die daraus folgenden Ergebnisse zu Fehlbildungen und pränatalen Einflussfaktoren werden national und international als „Gold-Standard“ angesehen und als Referenzwerte herangezogen. Die Mitarbeiter des Mainzer Geburtenregisters werden national und international als Experten der Fehlbildungsepidemiologie konsultiert. (z.B. Gemeinsamer Bundesausschuss, Bundesamt für Risikobewertung, Embryonaltoxikologie).

Frühwarnsystem

Im Sinne eines Frühwarnsystems gab es durch die Auswertungen des Mainzer Geburtenregisters erste Hinweise auf eine erhöhte Fehlbildungsrate bei den nach ICSI-Konzeption geborenen Kindern (Intrazytoplasmatische Spermatozoeninjektion: invasive Technik der künstlichen Befruchtung). Eine bundesweite Studie zur Überprüfung des Sachverhalts wurde initiiert. Der Zusammenhang wurde zwischenzeitlich auch in großen internationalen Studien bestätigt.

Präventionskampagnen

Intensive Präventionskampagnen zur Verbreitung der perikonzeptionellen Folsäureeinnahme zur Verhütung von Neuralrohrdefekten wurden durchgeführt und wissenschaftlich begleitet. In den letzten Jahren ist eine Verbesserung bei der Durchführung dieser Präventionsmaßnahme festzustellen.

Medikamentensicherheit

Die medikamentöse Behandlung in der Schwangerschaft kann derzeit als sicher angesehen werden. Den werdenden Müttern gehen verantwortungsbewusst mit der Medikamenteneinnahme in der Schwangerschaft um. Mögliche teratogene Medikamente werden vermieden und nur extrem selten bei speziellen Indikationen unter einmaschiger ärztlicher Kontrolle (z.B. Antikonvulsiva) eingenommen. Ein Monitoring möglicher teratogener Auswirkungen durch die Einnahme neuer Medikamenten (z.B. Antidepressiva, Antiasthmatika) wird kontinuierlich durchgeführt, Hinweise können aufgegriffen werden und gezielte Untersuchungen bei gegebenem Verdacht initiiert werden.

Überprüfung exogener Einflüsse

Mit Hilfe einer Kohorten Studie nach dem Design des Mainzer Geburtenregisters wurde untersucht, ob in der Umgebung ausgewählter westdeutscher Leistungsreaktoren (Biblis und Philippsburg) mehr Kinder mit angeborenen Fehlbildungen zur Welt kommen als in einer vergleichbaren Region ohne Leistungsreaktoren. Die Untersuchung konnte zeigen, dass die Fehlbildungsprävalenz im Studiengebiet im Vergleich zur Vergleichsregion nicht erhöht ist. Die im gleichen Zeitraum im Mainzer Modell erfassten Neugeborenen dienten als zusätzliches nicht exponiertes Vergleichskollektiv.

Von hohem wissenschaftlichem und gesundheitspolitischem Interesse ist der in dieser Studie explorativ beobachtete Zusammenhang zwischen einer mütterlichen beruflichen Strahlenexposition im medizinischen Bereich in der Frühschwangerschaft und dem vermehrten Auftreten großer Fehlbildungen bei den Kindern. Dieser Beobachtung ist nachzugehen. Eine entsprechende Machbarkeitsstudie wurde 2010-13 durchgeführt.

Longitudinalstudie zur kindlichen Entwicklung

Mit Einwilligung der Eltern der Kinder der Leistungsreaktorstudie wurde eine Langzeitbeobachtung mit mehr als 1.000 Kindern begonnen. Es ist möglich, Angaben zur kindlichen Entwicklung, zur Frühdiagnostik von Krankheiten, Entwicklungsstörungen, Verhaltensstörungen, psychischen Auffälligkeiten, Essstörungen, Auswirkungen von Armut zu erhalten. Auch können Maßnahmen der Primären/Sekundären Prävention evaluiert werden.

In Kooperation mit dem Kinderkrebsregister ist es uns möglich, populationsbezogene Aussagen zu intrauterinen Risikofaktoren für die Entstehung kindlicher Krebserkrankungen zu treffen. Das übergeordnete Ziel dieser Studie ist es in der Geburtenkohorte die Kinder herauszufinden, die aufgrund ihrer anamnestischen Daten und vorhandenen Fehlbildungen ein erhöhtes Risiko haben an Krebs zu erkranken.

Überprüfung aktueller medizinischer Trends

Veränderungen bei der Schwangerenvorsorge können direkt abgebildet werden. Ob es in der Folge zu wissenschaftlich messbaren Veränderungen und/oder unerwünschten Folgen für das Kind (und ggf. die Mutter) kommt ist oft erst nach einiger Zeit zu erfassen. Kindliche Fehlbildungen sind bei Geburt direkt zu diagnostizieren und können ein wichtiger prognostischer Faktor sein. In den letzten Jahren hat es z. B. einschneidende Veränderungen bei der Kaiserschnittrate, der Behandlung eines immer häufiger diagnostizierten Gestationsdiabetes und/oder auch dem Befund einer Schilddrüsenunterfunktion mit oder ohne autoimmunspezifischen Hintergrund gegeben. Bekannt ist die Zunahme der künstlichen Befruchtung, wobei die Auswirkungen, wie auch eine zukünftige Fruchtbarkeit, noch lange nicht abschließend geklärt sind.