Penicillinallergie
Bis zu 10% der Bevölkerung geben an, eine Penicillinallergie zu haben. Tatsächlich vertragen 85-90% aller Patienten mit anamnestischer Penicillinallergie Penicilline, da sie nicht oder nicht mehr allergisch sind.
Folgen einer vermeintlichen Penicillinallergie sind Vermeidung von Beta-Laktamantibiotika wie Penicilline und Cephalosporine. Alternative Antiinfektiva sind häufig schlechter wirksam, haben mehr Nebenwirkungen, induzieren mehr Resistenzen und verursachen höhere Kosten.
Patienten, die angeben eine Penicillinallergie zu haben, erhalten beispielsweise doppelt so häufig Vancomycin und dreimal häufiger Fluorchinolone. Sie haben 23% mehr C. difficile-Infektionen, 14 % mehr Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA)-Infektionen und 30% mehr Nachweise von Vancomycin-resistenter Enterokokken (VRE).
Eine vermutete Penicillinallergie sollte daher stets abgeklärt werden und nicht unkritisch weiter übernommen werden. Zur Testung steht, neben in vitro-Tests Hauttests, die orale Provokation zur Verfügung.
Eine Penicillinallergie muss nicht lebenslang bestehen: Ca. 50 % der Patienten mit IgE-vermittelter Penicillin-Allergie verlieren die Sensitivität 5 Jahre nach der letzten Reaktion (ca. 80 % nach 10 Jahren!).
97-98% der Patienten mit durch Hauttest gesicherter Penicillin-Allergie tolerieren Cephalosporine!
Bei Patienten, die dringlich mit einem Beta-Laktamantibiotikum behandelt werden müssen, kann sogar kurzfristig eine Desensibilisierung durchgeführt werden.
Indikation: Patienten mit gesicherter (positiver Hauttest oder in vitro Test) oder dringend verdächtiger IgE-vermittelter Sofortreaktion auf Penicillin UND für die es keine vergleichbar wirksamen Alternativen gibt.
Kontraindikation: Anamnese von Stevens-Johnson Syndrom, exfoliative Dermatitis oder Erythrodermie. Eine Desensibilisierung verändert zeitlich begrenzt die Immunantwort gegenüber dem Antibiotikum im Sinne einer Kurzzeit-Toleranz, die eine sichere Medikamenteneinnahme (wenn ununterbrochen eingenommen!) ermöglicht.]
In einer aktuellen Publikation in BMJ 2018 (PDF , 1,1 MB) wird in diesem Sinne gefordert, entsprechend nicht korrekte Angaben aus den Patientenakten zu streichen, um diesen optimale Therapieoptionen offen zu halten; zudem wurde für "Patienten mit Penicillinallergie" als Folge der unter Vermeidung von Beta-Laktam-Antibiotika eingesetzten Alternativen (Gyrasehemmer, Makroliden, Clindamycin etc.) ein nahezu 70% erhöhtes Risiko für neue Nachweise von MRSA (Infektion oder Kolonisation) und ein 30% erhöhtes Risiko für einen Nachweis von Clostridium difficile festgestellt.
Quellen: