Das Kiefergelenk
Das Kiefergelenk (Articulatio temporomandibularis) ist die Verbindungsstelle zwischen Unterkiefer und Schädelbasis und somit der Ort komplexer Kau-, Mahl- und Sprechbewegungen. Ermöglicht wird dies durch das Zusammenspiel eines Knochen-, Knorpel-, Gelenkkapsel-, Band und Muskelapparates. Die knöchernen Anteile setzen sich zusammen aus Kiefergelenkköpfchen (Caput mandibulae), Gelenkfortsatz (Collum mandibulae), Gelenkgrube (Fossa articularis) und Eminentia articularis. Zwischen Köpfchen und Gelenkgrube befindet sich der faserknorpelige „Discus articularis“, welcher an der Gelenkkapsel befestigt ist und die Gelenkhöhle in zwei Kammern teilt. Die Gelenkoberflächen sind von einer dünnen Synovialschicht bedeckt. Im Verhältnis zur Kaumuskulatur erscheint das Kiefergelenk recht klein dimensioniert und ist deshalb gegenüber Störeinflüssen recht anfällig. Bei den Funktionsstörungen des Kiefergelenks unterteilt man Diskopathien (Discus articularis als Ursache) und Hypermobilitätsstörungen mit Kiefergelenksluxationen und vorrübergehende Verlagerungen des Discus articularis. Zu den häufigen Kiefergelenkerkrankungen zählen die Kiefergelenks-Arthrose, die chronisch-rheumatische Arthritis, Entwicklungsstörungen, Gelenkverknöcherungen (Ankylosen) und Tumoren.
Diagnostik
Einen orientierenden Überblick der Gelenksituation bietet die auf Röntgenstrahlung basierende Orthopantomographie (OPG). Für detailliertere Aussagen bezüglich der knöchernen Gelenkstrukturen bedarf es der Anwendung der dentalen digitalen Volumentomographie (DVT) oder der höher auflösenden, jedoch strahlenintensiveren Computertomographie (CT). Bei Fragestellungen zu weichgeweblichen Veränderungen (Discus articularis oder Gelenkkapsel) eignet sich besonders die dynamische, bei geöffnetem und geschlossenem Mund durchgeführte, Magnetresonanztomographie (MRT). Wachstumsstörungen mit Über- oder Unterentwicklungen im Bereich des Kiefergelenks werden mithilfe der Knochenszintigraphie untersucht. Eine direkte Einsicht in das Kiefergelenk bietet die Arthroskopie mit der gleichzeitigen Möglichkeit der minimalinvasiven Intervention.
Die nachfolgend aufgeführten Verfahren schließen sich an erfolglose, primär konservative Therapieansätze (Physiotherapie, Schienentherapie, medikamentöse Therapie etc.) an.
Bei der Kiefergelenkspülung, welche die am wenigsten invasive Therapiemaßnahme darstellt, wird das Gelenk über zwei eingebrachte Kanülen gespült. Die Punktionsstellen gleichen hierbei denen der Arthroskopie (Abb.1). Ziel des Verfahrens ist die Schmerzreduktion und Förderung der Reparaturmechanisem durch eine Erweiterung des oberen Gelenkspaltes, das Lösen bewegungslimitierender Narben, sowie die Ausschwemmung von Gewebsresten, Entzündungszellen und Entzündungs-unterhaltenden Mediatoren. Erweiterungen der Maßnahme sind die zusätzliche Applikation von Hyaluronsäure oder Corticosteroiden. Zum Sicherstellung des Behandlungserfolgs sollte im Anschluss an die Arthrozentese umgehend mit der physiotherapeutischen Beübung (ggf. unter adäquater Schmerztherapie) begonnen werden. Hauptindikationen der in Lokalanästhesie oder Allgemeinnarkose durchgeführten AZ sind neben der schmerzhaft eingeschränkten Mundöffnung, die akute Diskusdislokation ohne Reposition, degenerative Erkrankungen, systemisch-entzündliche Gelenkerkrankungen (Arthritiden) sowie der posttraumatische Gelenkschmerz.
Eingeführt im Jahr 1975, bietet die Kiefergelenksarthroskopie ein chirurgisch minimal-invasives, visuell diagnostisches und therapeutisches Verfahren, bei welchem das Kiefergelenk über zwei getrennte Punktionsstellen (rotes x) in Allgemeinnarkose videogestützt inspiziert wird und minimalinvasive Eingriffe wie das Glätten der Gelenkoberfläche (shaving) durchgeführt werden können. Indikationen sind: Diskusverlagerungen, Diskusformveränderungen, intraartikuläre Adhäsionen, die deformierende Arthrose, chronische Gelenkentzündungen (Arthritiden) und posttraumatische Zustände. Bei fortgeschrittenen Gelenkdestruktionen können arthroskopische Befunde detaillierte Informationen über das Ausmaß liefern und somit der Indikationsstellung und Planung weiterer chirurgischer Maßnahmen dienen. Kontraindiziert ist die Arthroskopie bei akuten Infektionen, Gelenkverknöcherungen (Ankylosen und Tumorerkrankungen im Bereich des Kiefergelenks.
Begründen sich die klinischen Beschwerden in einer anterioren Verlagerung der knorpeligen Gelenkzwischenscheibe (Diskus articularis), welche durch nicht- und / oder minimalinvasive Maßnahmen nicht beherrschbar sind, besteht die Möglichkeit zur operativen Repositionierung. Das in Allgemeinnarkose durchgeführte Verfahren besteht letztlich in der Rückführung des Diskus articularis nach individueller Einkürzung der Diskus-Aufhängung. Auch bei diesem Verfahren kommt der umgehend postoperativ eingeleiteten funktionellen Therapie eine zentrale Bedeutung für den Behandlungserfolg zu.
Das Auftreten einer schmerzhaften habituellen Luxation des Kiefergelenks (i.d.R. nach anterior) welche durch konservative Maßnahmen nicht beherrschbar ist, kann durch chirurgische Maßnahmen dauerhaft beseitigt werden. Unterschieden werden hierbei zwei Therapieprinzipien, wobei eines die Kondylusbewegung nach anterior einschränkt und das andere die spontane Reposition nach Luxation erleichtert.