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Institutsgeschichte


Zu unserem heutigen Wissen über die Bakteriologie und Immunologie habe viele Forscher beigetragen, u.a. die renommierten deutschen Wissenschaftler Robert Koch (Entdecker des Tuberkulose-Erregers; Begründer der modernen Bakteriologie und klinischen Infektiologie) (1,2), Emil von Behring (Nachweis des humoralen Immunsystems; Entwicklung der Serumtherapie) (3), Paul Ehrlich (Entwicklung des ersten Chemotherapeutikums; Entwicklung von Diphtherieheilseren) (4) und Friedrich Löffler mit Paul Frosch (Entdecker des Diphtherie-Erregers; Mitbegründer der Virologie) (5), um nur ein paar Beispiele zu nennen. Nach der Nazibarbarei und den Wirren des zweiten Weltkrieges, die den Wissenschaftsbetrieb in ganz Deutschland samt seiner universitären Forschung zum Stillstand gebracht hatten, wurde im Nachkriegsdeutschland versucht, die ehemaligen Lehrstrukturen erneut schrittweise aufzubauen und die Wiederaufnahme von Forschungsaktivitäten in die Wege geleitet (6,7).

Mit der Neugründung der Johannes Gutenberg-Universität im Mai 1946 wurde auch eine Medizinische Fakultät eingerichtet, die zunächst die Räumlichkeiten der Städtischen Krankenanstalt nutzte und sich schließlich 1952 als Universitätsklinikum instituierte (8, 9). Mitte der 1950er Jahre wurde jungen Wissenschaftlern in Deutschland zunehmend die Möglichkeit eröffnet, im Rahmen von Forschungsstipendien ins Ausland zu reisen und sich mit Wissenschaftlern aus der ganzen Welt auszutauschen (6). Auch Paul Klein (Abb. 1), der nach seinem Medizinstudium in Heidelberg promovierte und sich im Rahmen seiner Habilitation mit der Aktivierung des Komplementsystems auseinandersetzte, nahm die Möglichkeit wahr, als Gastwissenschaftler sein Wissen auf dem Gebiet der Immunologie an der Cornell Universität in New York (1956-1959) weiter zu vertiefen (10). Zur Stärkung der immunologischen Forschung in Deutschland setzte er sich gemeinsam mit Wissenschaftlern aus Hannover, Tübingen und Freiburg bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) in Bad Godesberg für die Initiierung eines Förderprogramms „Immunologie“ ein (6, 7).

 

 

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Abbildung 1: Foto Paul Klein, Quelle: Deutsche Gesellschaft für Immunologie (HG.). 2017. Immunologie in Deutschland: Geschichte einer Wissenschaft und ihrer Fachgesellschaften. Be.bra Wissenschaft Verlag


Während der späten 50er Jahre hatte sich an der medizinischen Fakultät der Universität Mainz ein fachübergreifender Forschungsverbund gebildet, der sich mit Fragestellungen aus dem Gebiet der Immunologie befasste. Als Paul Klein Anfang 1960 nach Mainz kam, unterstützte er diese Schwerpunktbildung, so dass sich aus der zuvor fachübergreifenden Sektion der Hygiene die Disziplin der Medizinischen Mikrobiologie mit einem eigenständigen Institut etablierte, dessen Institutsleitung er im Jahre 1961 zunächst als außerordentlicher Professor und 1962 schließlich als ordentlicher Professor übernahm (10). Das Hygiene-Institut, aus dem das Institut für Medizinische Mikrobiologie ursprünglich hervorgegangen war, wurde 1994 in das Institut für Medizinische Mikrobiologie überführt, so dass heute das Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene (IMMH) die beiden Fächer in Patientenversorgung, Forschung und Lehre repräsentiert. Schon zu Zeiten seiner Gründung legte das Institut für Medizinische Mikrobiologie seinen Schwerpunkt auf die Immunitätsforschung. Im Jahr 1969 wurde hierzu ein Ordinariat für Immunologie eingerichtet, welches 1976 mit Prof. Erwin Rüde besetzt wurde. Hieraus entstand eines der ersten neu gegründeten Institute für Immunologie mit dem Schwerpunkt strukturchemischer Forschung, welches die Immunitätsforschung des Instituts für Medizinische Mikrobiologie optimal komplementierte (7,9). Auch die federführende Beteiligung von Paul Klein an der Einrichtung des ersten immunologischen Sonderforschungsbereiches (Abb.2a und 2b) in Deutschland, SFB 107 „Vollzugsmechanismen der Immunreaktion“ (1973-1984), und des neu ausgerichteten Sonderforschungsbereiches SFB 311 „Immunpathogenese: Kritische Zell- und Humoralstrukturen“ (1987-1999), der klinische und theoretische Forschung miteinander verknüpfen sollte, war richtungsweisend für die Weiterentwicklung des Forschungsstandortes Mainz (11).



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Abbildung 2a: Ergebnisbericht des<br> SFB 107 "Vollzugsmechanismen<br> der Immunreaktion" der JGU Mainz<br> (1.Juli 1973-1.April 1975)
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Abbildung 2b: Inhaltsverzeichnis mit<br> den Antragstellern: A1-Opferkuch,<br> A2-Loos, A3-Hadding,<br> A4-Bitter-Suermann, B1-Lemmel,<br> B3-Wagner, Röllinghoff, B4-Hahn, C1-<br> Meyer zum Büschenfelde, C2-Eckhardt,<br> D3-Hopf-Opferkuch


Nach einer Einschätzung des Wissenschaftsrates aus dem Jahr 2017 nimmt die Immunologie bis heute eine zentrale Rolle in der Universitätsmedizin Mainz ein, und der Bericht schließt mit der Empfehlung, diesen Forschungsschwerpunkt weiterhin beizubehalten und auszubauen (12). Zu Ehren von Paul Klein wurde im April 2017 auf dem Gelände des Universitätsklinikums in unmittelbarer Nachbarschaft des KTI (Klinisch-Theoretische Institute) Neubaus, der auch das IMMH beherbergt, das Paul-Klein-Zentrum für Immunintervention (PKZI) eröffnet, welches die immunologische Expertise in Mainz bündelt und den traditionsreichen Forschungsschwerpunkt der translationalen immunologischen Forschung auch im Hinblick auf innovative Immuntherapien weiterentwickelt (13).

Renommierte Schüler von Paul Klein („erste Generation“), die seine grundlegenden Erkenntnisse fortentwickelten und später wichtige immunologische und mikrobiologische Lehrstühle besetzten, waren unter anderem Dieter Bitter-Suermann (MH Hannover), Manfred Dierich (MU Innsbruck), Ulrich Hadding (U Düsseldorf), Helmut Hahn (FU Berlin), Martin Röllinghoff (U Erlangen) und Hermann Wagner (TU München). Als quasi schon etablierte Wissenschaftler stießen zu ihm Wolfgang Bredt (U Freiburg), Wolfgang Opferkuch (U Bochum) und Hans-Jobst Wellensiek (U Gießen) hinzu. Die akademischen Schüler der zweiten Generation haben wiederum zahlreiche Leitungsfunktionen übernommen, so unter anderem Stefan Bauer (U Marburg), Christian Bogdan (U Erlangen), Erik Böttger (U Zürich), Jan Buer (U Essen), Reinhard Burger (RKI Berlin), Dirk Busch (TU München), Bernhard Fleischer (BNI Hamburg), Irmgard Förster (U Bonn), Matthias Frosch (U Würzburg), Petra Gastmeier (Charité Berlin), Rita Gerardy-Schahn (MH Hannover), André Gessner (U Regensburg), Ulf Göbel (Charité Berlin), Georg Häcker (U Freiburg), Susanne Häussler (MH Hannover / U Kopenhagen), Klaus Heeg (U Heidelberg), Enno Jacobs (TU Dresden), Dieter Kabelitz (U Kiel), Stefan Kaufmann (MPI Berlin), Jörg Köhl (U Lübeck), Wolfgang König (U Magdeburg), Martin Krönke (U Köln), Michael Lohoff (U Marburg), Stefan Meuer (U Heidelberg), Thomas Miethke (UK Mannheim), Klaus Pfeffer (U Düsseldorf), Klaus Pfizenmaier (U Stuttgart), Arne Rodloff (U Leipzig), Thomas Schulz (MH Hannover), Tim Sparwasser (U Mainz) und Ivo Steinmetz (MU Graz).

Somit bilden die Arbeiten von Paul Klein bis heute die Grundlage für die derzeitigen Forschungsvorhaben im Bereich der Infektionsimmunologie, die seit Dezember 2018 unter Leitung von Prof. Dr. med. Tim Sparwasser am IMMH durchgeführt werden. Diese aktuelle Forschung hat sich über Jahrzehnte entwickelt: Unter der herausragenden Leitung von Paul Klein läuteten die sechziger bis achtziger Jahre eine Ära bahnbrechender Studien über das Komplementsystem, Interleukine und T-Zellen ein, wobei in den achtziger Jahren bakterielle Virulenzfaktoren und die Molekularbiologie von Viren als weitere Themen hinzukamen. Seit mehr als 50 Jahren steht die Infektionsimmunologie daher im Mittelpunkt der Forschungsaktivitäten des Instituts. In Fortführung dieser Tradition und auf der Suche nach neuen Erkenntnissen untersuchen die aktuellen Forschergruppen die durch Mikroben verursachte, zellautonome Immunreaktion und entschlüsseln, inwiefern die Widerstandsfähigkeit des Wirts Infektionen beeinflusst.

 

 


Quellen

  1. Robert Koch Institut, Geschichte. www.rki.de.
  2. Themen der Zeit: Robert Koch (1843-1910), Begründer einer nuen Wissenschaft.    www.aerzteblatt.de
  3. Themen der Zeit: Emil Behring: Beste Grüße Dein P.Ehrlich“. www.aerzteblatt.de
  4. Paul Ehrlich-Institut, Paul Ehrlich im Portrait. www.pei.de
  5. Friedrich Loeffler-Institut, Friedrich Loeffler. www.fli.de
  6. Agnes Giniewski, Joachim R.Kalden and Hans-Martin Jäck. 2017. Immunology in Germany: 50th  Anniversary of the German Society for Immunology (DGfI). Eur. J. Immunol, News and Efis. 47:2012-2016
  7. Deutsche Gesellschaft für Immunologie (HG.). 2017. Immunologie in Deutschland: Geschichte einer Wissenschaft und ihrer Fachgesellschaften. Be.bra Wissenschaft Verlag
  8. Regionalgeschichte, Rheinhessen, Mainz, die Geschichte der Krankenhäuser in Mainz. www.regionalgeschichte.net
  9. Universitätsarchiv, Chronik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. www.ub.uni-mainz.de
  10. Gutenberg Biographics, Verzeichnis der Professorinnen und Professoren der Universität Mainz   1477-1973, Paul Klein. www.gutenberg-biographics.ub.uni-mainz.de
  11. Paul Klein, K.H. Meyer zum Büschenfelde und E.Rüde. 1983. Originaldokument: Überlegungen zur   Gründung eines neuen Sonderforschungsbereiches  „Immunpathogenese“ im Fachbereich Medizin an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz
  12. Wissenschaftsrat, Stellungnahme zur Weiterentwicklung der Universitätsmedizin der Johannes   Gutenberg-Universität Mainz (Drs. 6411-17), Juli 2017. www.wissenschaftsrat.de
  13. Paul Klein-Zentrum für Immunintervention (PKZI). www.pkzi.uni-mainz.de