Angeborene Ösophagusatresie

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In diesem Bereich haben Sie und Ihre Familie die Möglichkeit, mehr über das Krankheitsbild Ihres Kindes zu erfahren. Die Informationen sind für Sie sorgfältig und nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft durch das Team von TIC-PEA zusammengestellt, das große Erfahrung mit der Behandlung und Betreuung von Kindern mit Ösophagusatresie hat.

Wir möchten Ihnen einen ersten Überblick zum Thema Ösophagusatresie geben und versuchen mit diesem Teil der Homepage Eltern und Familien typische Fragen zu beantworten, die nach der Diagnosestellung auftauchen.

Ich möchte die Informationen in einfacher / leichter Sprache! Hier klicken!

Unter Einfache Sprache finden Sie einen barrierefreien Text für Menschen mit Lese- oder Lernschwäche, geringer Leseerfahrung oder Anfängerkenntnissen der deutschen Sprache.

Die Informationen sind Ihnen nicht detailliert genug? Sie möchten es genauer oder noch mehr wissen?

Weitergehende und speziellere Informationen können Ihnen durch KEKS e.V. und das TIC-PEA natürlich zur Verfügung gestellt werden.

Die Feststellung einer Erkrankung beim eigenen Kind ist für die Eltern immer einer große Belastung.

Wir wissen, dass Eltern ganz unterschiedlich reagieren, wenn bei Ihrem Kind eine Ösophagusatresie festgestellt wird: Während manch einem betroffenen Elternteil vielleicht medizinische Begriffe, Prozentzahlen und die Erklärungen der Ärzte im Krankenhaus zunächst Angst und Unbehagen einjagen, so würde ein anderer Angehöriger hingegen am liebsten sofort jede Eventualität erfragen, wissen, planen und liest sich zu diesem Zweck stundenlang alles durch, was das Internet zu dem Thema hergibt.

Wie auch immer Sie auf die Nachricht, dass Ihr Kind eine Ösophagusatresie hat, reagieren: Jede Version von Reaktion auf die Diagnosestellung ist normal.

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Mit einem neugeborenen Baby kommen auf alle frischgebackenen Eltern viele neue Aufgaben und Herausforderungen in den ersten Tagen, Wochen und Monaten nach der Geburt zu. Viele Eltern bereiten sich durch Kurse, Bücher, Austausch mit Freunden und Verwandten oder auf anderem Wege auf die Ankunft eines Kindes vor oder haben durch ältere Geschwisterkinder bereits Erfahrungen. Die aktuelle Corona-Pandemie bedeutet für alle werdenden und neuen Eltern derzeit ohnehin schon eine zusätzliche Verunsicherung.

Dadurch, dass Ihr Kind mit einer Ösophagusatresie auf die Welt gekommen ist, befinden Sie sich jetzt aber in einer besonderen Situation, die die meisten Eltern unvorbereitet trifft.

Auf die besonderen Herausforderungen, mit denen Sie jetzt in den Tagen nach der Geburt, den ersten Lebenswochen und den kommenden Monaten auf Grund der Ösophagusatresie konfrontiert sind, konnten Sie sich vermutlich nicht vorbereiten. Viele Eltern berichten in einer solchen Situation von einer großen Verunsicherung und Sorge, die sie fühlen, aber auch von Traurigkeit, einem Gefühl von Ohnmacht und anderen existentiellen Empfindungen. Manche Eltern berichten auch, dass es sich als zusätzliche Belastung anfühlen kann, der weiteren Familie oder Freunden zu vermitteln, in welcher Ausnahmesituation Sie sich gerade befinden. Oft meint das private Umfeld es gut, hat aber selber keine Erfahrung, in welcher Lage Sie sich gerade befinden.

Um Sie in genau dieser Situation helfend zu unterstützen und Ihnen sinnvoll beizustehen gibt es KEKS e.V.. Bei KEKS e.V. haben Sie die Möglichkeit, durch Eltern beraten zu werden, die selber ein Kind mit Ösophagusatresie haben und so viel Erfahrung in der Beratung haben, da sie mittlerweile selbst zu wahren Experten auf dem Gebiet der Ösophagusatresie geworden sind.

Erfahren Sie auf der TIC-PEA Homepage mehr zu KEKS e.V. und nehmen Sie gern Kontakt auf, wenn Sie es nicht schon getan haben.

Ihnen als Eltern bleibt zunächst meist wenig Zeit, die neue Situation in Ruhe zu begreifen und emotional zu verarbeiten. Ihr Kind benötigt eine umfassende medizinische Behandlung und meist müssen Sie bereits in den ersten Lebenstagen Ihres Kindes wichtige Entscheidungen zur Behandlung treffen. Bei der angeborenen Ösophagusatresie ist in den meisten Fällen kurz nach Geburt eine größere Operation erforderlich.

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In vielen Fällen ist die Feststellung der angeborenen Ösophagusatresie nach der Geburt unerwartet. Ein Teil der Familien weiß durch Ultraschall oder andere pränatale Untersuchungen vor Geburt schon, dass es möglicherweise Auffälligkeiten bei Ihrem Kind geben wird. Die fehlende Durchgängigkeit der Speiseröhre selbst lässt sich vor der Geburt nicht mittels Ultraschall erkennen. Teilweise fallen Kinder mit Ösophagusatresie in der Schwangerschaft auf, weil sich der leere Magen bei der Vorsorgeuntersuchung nicht erkennen ließ. Teilweise werden auch andere Fehlbildungen, die bei einer Ultraschalluntersuchung erkennbar sind und mit der Ösophagusatresie zusammen auftreten können, in der Schwangerschaft schon bemerkt.

Die meisten Mütter (etwa 80 Prozent), deren Kind mit einer angeborenen Ösophagusatresie zur Welt kommt, haben in der Schwangerschaft ein sogenanntes Polyhydramnion, also eine vermehrte Menge Fruchtwasser gehabt. Eine solche vermehrte Menge an Fruchtwasser kann allerdings viele Ursachen haben und tritt nicht nur bei einer Ösophagusatresie auf. Ein Polyhydramnion führt zu einer höheren Wahrscheinlichkeit einer zu frühen Geburt.

Unabhängig davon, ob Ihre Schwangerschaft gänzlich unauffällig verlief, es Besonderheiten oder sogar schon Hinweise auf eine Ösophagusatresie gab, ist es ganz normal, wenn die Ösophagusatresie erst nach Geburt sicher festgestellt wird.         

Behandlungsmethoden für die Ösophagusatresie, die bereits vor der Geburt eingesetzt werden oder nur mittels Medikamenten erfolgen können, gibt es leider nicht.

Ösophagus“ ist der medizinische Begriff für die Speiseröhre. Die Speiseröhre ist ein schlauchförmiges Organ, durch das die Nahrung vom Mund in den Magen gelangt. „Atresie" ist ein Begriff, der sich aus dem Griechischen (tretos = Pass/Öffnung) ableitet und verwendet wird, um eine angeborene fehlende Durchgängigkeit eines Organs zu beschreiben.

Schätzungen zufolge kommen in Deutschland jedes Jahr rund 300 Kinder mit einer Ösophagusatresie auf die Welt, bei denen also die Speiseröhre nicht durchgängig angelegt ist. Nur rund eines von knapp 3000 Neugeborenen ist von der Erkrankung betroffen. Somit ist die Ösophagusatresie eine seltene Fehlbildung.

Vor rund 80 Jahren haben Ärzte erstmals Wege gefunden, die Ösophagusatresie erfolgreich zu behandeln. Ohne korrigierende Eingriffe konnten Kinder mit Ösophagusatresie zuvor nicht überleben. Die Methoden haben sich weiterentwickelt und heute muss kein Kind mehr an der Ösophagusatresie sterben. Die Behandlung ist allerdings anspruchsvoll und gehört in erfahrene Hände.

Warum bei Ihrem Kind eine Ösophagusatresie aufgetreten ist, kann nicht genau gesagt werden. Es scheint für die Entstehung der Ösophagusatresie keine einfache ursächliche Erklärung zu geben. Wir können Ihnen aber versichern, es lag nicht an Ihrem Verhalten, Ihrer Ernährung oder anderen Dingen, auf die Sie einen Einfluss gehabt hätten.

Normalerweise haben sich bereits nach 6 - 7 Wochen der Embryonalzeit Luftröhre und Speiseröhre aus einem gemeinsamen Vorgängerorgan (dem sog. Vorderdarm, engl. „Foregut“) zu zwei separaten röhrenförmigen Organen entwickelt. In dieser sehr frühen Phase der Schwangerschaft ist es bei Ihrem Kind also zu einer Störung der Organentwicklung im Bereich der Speiseröhre gekommen. Möglichkeiten, in diese Entwicklung medizinisch einzugreifen und die fehlerhafte Organentwicklung zu verhindern, gibt es leider nicht.

Zu Feinheiten der embryonalen Entwicklung der Speiseröhre wird weiterhin geforscht, um genauestens verstehen zu können, wie es zu Fehlbildungen wie der Ösophagusatresie kommt. Mittlerweile sind einige Gene, die bei der Entstehen der Ösopaghusatresie eine Rolle spielen, bekannt, diese Erkenntnisse haben allerdings noch keinen Einfluss auf die Behandlung.

Man weiß, dass Kinder mit Trisomien, wie z.B. der Trisomie 21 („Down-Syndrom“) aber auch mit Trisomie 17 häufiger von einer Ösophagusatresie betroffen sind. Häufungen von Ösophagusatresien innerhalb einer Familie sind extrem selten (<1%).

Es gibt verschiedene Formen von Ösophagusatresien. Welche Form und genaue Konstellation bei Ihrem Kind vorliegt, hat teilweise Auswirkungen auf die Behandlung.

Im deutschsprachigen Raum berufen sich die Mediziner zumeist auf die Klassifikation der Ösophagusatresien nach Vogt:

In mehr als 90% der Fälle liegt eine Ösophagusatresie Typ IIIb (Typ 3b) nach Vogt vor, was bedeutet, dass der Ösophagus eher kurzstreckig unterbrochen ist und es eine Verbindung des unteren Stumpfs mit dem der Atemwege gibt. Diese Verbindung nennt sich „Fistel“ und kann bei anderen Typen der Ösophagusatresie auch anders verlaufen.

Die zweithäufigste Form der Ösophagusatresie ist der Typ II (Typ 2) nach Vogt, die in etwas 5% aller Fälle vorkommt. Beim Typ II nach Vogt gibt es gar keine Fistel-Verbindung der Speise- zur Luftröhre. Die Speiseröhre ist beim Typ 2 meist über eine längere Strecke unterbrochen.  Die nicht-durchgängigen Enden der Speiseröhre enden „blind“, man nennt sie daher teilweise auch oberer und unterer Blindsack oder Stumpf. Im englischen nennt man eine Ösophagusatresie mit einer längeren Strecke zwischen den Enden auch „long gap“ Ösophagusatresie. Der Begriff „long gap“ wird auch in Deutschland unter Ärzten häufig verwendet.

Um den Abstand von oberen zum unteren Stumpf der Speiseröhre vergleichen zu können, versucht man diesen auszumessen. Weil Zentimeterangaben für die Strecke häufig eher ungenau sind und durch das Wachstum von Neugeborenen schnell nicht mehr aktuell sind, ist es gebräuchlich, die Länge der Atresie in Wirbelkörpern (WK) zu messen - sprich der Arzt schätzt auf einem Röntgenbild ab, wie lang die Strecke ohne Speiseröhre ist und gibt diese Strecke in der Anzahl der Wirbelkörper des jeweils betroffenen Kindes an. Hier ist der Vorteil, dass die Messung wenn der Patient wächst weiterhin verwendbar ist und der Wert auch mit anderen Patienten gut vergleichbar ist, ohne eine Strecke in cm oder mm nach Größe und Gewicht des Kindes umrechnen zu müssen.

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Abb.: Typen der Ösophagusatresie nach Vogt, aus Duale Reihe Pädiatrie, Gordner L, Meyer S 2018, 5. Aufl., Thieme Verlag
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Abb.: A: Die Anastomose wird erstellt, der obere und untere Blindsack werden aneinander genäht B: In diesem Beispiel ist der Zugang einer offenen Operation dargestellt. Die frisch zusammengenähte Speiseröhre (Anastomose) ist zu erkennen, diese liegt in unmittelbarer Nachbaschaft der Luftröhre (Trachea) im Brustkorb. aus Ashcraft´s Pediatric Surgery, Holcomb, Murphy, Peter, 2019, 7. Auflage, Elsevier.