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Chronisch kranke Kinder in der Schule: Wer kümmert sich?

Wie nützlich können Schulgesundheitsfachkräfte sein? Neues Forschungs-projekt an der Universitätsmedizin Mainz gestartet – Sponsoren gesucht

Inwieweit können Schulgesundheitsfachkräfte die Versorgung chronisch kranker Kinder im Schulalltag verbessern? Das ist die zentrale Frage eines Folgeprojekts der ikidS (ich komme in die Schule)-Studie, die im Jahr 2013 startete. Ziel von IkidS war es, die schulischen Probleme und Benachteiligungen von chronisch kranken Kindern zu ermitteln. Vor diesem Hintergrund sollen jetzt Maßnahmen identifiziert und erprobt werden, mit Hilfe derer sich die Bildungs-Chancen gesundheitlich beeinträchtigter Kinder an die von gesunden Kindern angleichen lassen. Dafür sollen im Rahmen einer Machbarkeitsstudie Schulgesundheitsfachkräfte in Mainz und im Landkreis Mainz-Bingen etabliert werden. Deren Aufgaben reichen unter anderem vom Verabreichen von Medikamenten bis hin zum Brückenbauen zu Kinder- und Schulärzten, Schulpsychologen, Schulsozialarbeitern und Jugendhilfeträgern. Zurzeit ist nur eine Schulgesundheitsfachkraft für die Dauer von einem Jahr finanziert. Daher werden noch Personen, Stiftungen und Verbände gesucht, die bereit sind, die Finanzierung weiterer Schulgesundheitsfachkräfte für je einem Jahr zu übernehmen.

Die Anzahl chronisch kranker Schulkinder hat in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen. Dieser Umstand ist auf Veränderungen der sozialen und ökologischen Lebensbedingungen, eine verbesserte Diagnostik und die Weiterentwicklung der medizinischen Versorgung von Kindern zurückzuführen. Eine repräsentative Erhebung des Landesgesundheitsamtes Brandenburg ergab einen Anteil von 13 Prozent chronischer Erkrankungen bei Schülern für das Jahr 2016. Im Vergleich dazu waren es im Jahr 2009 noch zehn Prozent. In Familien mit niedrigem Sozialstatus waren es in 2016 sogar 22 Prozent. Die Erhebungen in Brandenburg haben auch gezeigt, dass sich die Gesundheitsprobleme während der Schulzeit noch weiter verschlimmern können (denkbar ist beispielsweise eine Zunahme von Sehfehlern, Übergewicht, allergischen Erkrankungen und Fehlstellungen der Wirbelsäule). Auch gehen Experten davon aus, dass die Bemühungen zur Inklusion den Anteil von chronisch kranken Kindern in den Schulen erhöht haben. Gleichzeitig verbringen die Kinder durch den Ausbau der Ganztagsschule immer mehr Zeit in der Schule.

Aus diesen Beobachtungen ergeben sich wichtige Fragestellungen: Wie können Kinder mit chronischen Erkrankungen im Lebensumfeld Schule gut versorgt werden? Können Lehrkräfte zu Experten für chronische Erkrankungen werden?

In den USA, Australien, Kanada, in einigen europäischen Ländern und in einigen Schulen Deutschlands gibt es das Modell der Schulgesundheitsfachkraft. Sie fungiert als Case-Manager, indem sie die betroffenen chronisch kranken Schüler, deren Eltern und die Lehrkräfte im Schulalltag begleitet und unterstützt.

Nach Überzeugung von Univ.-Prof. Dr. Michael Urschitz, dem Initiator der ikidS-Studie, können Schulgesundheitsfachkräfte die Versorgung chronisch kranker Kinder im Schulalltag verbessern. „Durch Sichtung aller relevanten Studien erarbeiten wir zurzeit, welche Aufgaben und Maßnahmen die Schulgesundheitsfachkraft im Sinne eines Case-Managers übernehmen könnte. Wir haben uns die Frage gestellt, wie sie mit anderen wichtigen Personen, wie beispielsweise Kinder- und Schulärzten, Schulpsychologen und Schulsozialarbeitern interagieren soll. Denn das sind nach unserem Dafürhalten entscheidende Aspekte, um die Versorgung und die Bildungschancen chronisch kranker Kinder im Schulalltag tatsächlich zu verbessern“, so Prof. Urschitz.

Speziell bei chronisch kranken Kindern kümmern sich Schulgesundheitsfachkräfte um die Medikamentengabe und übernehmen spezifische individuelle Pflegeleistungen. Sie führen beispielsweise Blutzuckermessungen durch und verabreichen Notfallmedikamente. Zudem achten sie auf Allergien oder Nahrungsmittelunverträglichkeiten bei einzelnen Kindern. Des Weiteren haben sie die Rolle eines Kümmerers vor Ort, der in der Lage ist, notwendige Maßnahmen schnell einzuleiten und die Verantwortlichen für eine fachgerechte Versorgung des Kindes miteinander zu vernetzen. Auch sind sie für das Überprüfen von Förder- und Fürsorgemaßnahmen sowie von Behandlungsplänen zuständig.

Schulgesundheitsfachkräfte werden erstmals ab Frühjahr 2018 an Mainzer Grundschulen eingesetzt und sollen im darauffolgenden Schuljahr umfänglich tätig werden. „Der Einsatz ist als Machbarkeitsstudie geplant. Das bedeutet, dass wir unter anderem herausfinden wollen, ob Schulgesundheitsfachkräfte von Eltern und Kindern angenommen werden und sich nahtlos in den Schulalltag integrieren lassen. So könnten sie tatsächlich dazu beitragen, dass gesundheitlich beeinträchtigte Kinder die gleichen Bildungschancen wie gesunde Kinder haben“, erklärt Prof. Urschitz. „Wir suchen noch Personen, Stiftungen und Verbände, die das Projekt finanziell unterstützen“, ergänzt Prof. Urschitz.

Verwendung des Logos des Forschungsprojekts „ikidS“ kostenfrei möglich in einem Presseartikel über das Forschungsprojekt.

 

Kontakt

Univ.-Prof. Dr. Michael S. Urschitz, EU-M.Sc.
Abteilung für Pädiatrische Epidemiologie
Institut für Medizinische Biometrie, Epidemiologie und Informatik (IMBEI)
Tel. 06131 17-3122
E-Mail  urschitz@uni-mainz.de

Pressekontakt

Oliver Kreft, Stabsstelle Kommunikation und Presse Universitätsmedizin Mainz,
Tel. 06131 / 17-7424, Fax 06131 / 17-3496, E-Mail:  pr@unimedizin-mainz.de

 

Kooperationspartner des Projekts

Im Juni 2017 wurden ein nationaler und ein regionaler Expertenbeirat für das Projekt etabliert:

Dem nationalen Beirat gehören externe Berater aus den Bereichen Angewandte Gesundheitswissenschaft, Pflegewissenschaft und Public Health an.

Der regionale Beirat setzt sich zusammen aus Vertretern des Bildungs- und Gesundheitsministeriums, der Schulverwaltung, Betroffenenverbänden (Landeselternbeirat, Landesvertretung für Schülerinnen und Schüler, Hauptpersonalrat Lehrkräfte) und aus Vertretern der Praxis (Gesundheitsamt, Schulleitungen, Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte).

 

Über das Forschungsprojekt  ikidS

Das Forschungsprojekt ikidS startete 2013. Insgesamt nahmen über 2.000 Eltern von Einschülern aus der Region Mainz-Bingen teil. Das Projekt untersucht, ob und wie sich die gesundheitliche Situation der Kinder mit der Einschulung verändert und ob sich der Gesundheitsstand auf den Schulerfolg auswirkt. Dazu wurde der Gesundheitsstand von Kindern beim Übergang vom Kindergarten in die Schule bis zum Ende der 1. Klasse dokumentiert. Die Analyse der Situation chronisch kranker Kindern an den Schulen soll dazu dienen Maßnahmen zu entwickeln, die dazu führen, dass gesundheitlich beeinträchtigte Kinder die gleichen Bildungs-Chancen wie gesunde Kinder haben. Aktuell wird das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Projekt fortgesetzt. In der gegenwärtigen Projektphase wird der Gesundheitszustand, der Schulerfolg und die Förder- beziehungsweise Versorgungssituation am Ende der dritten, vierten und fünften Klasse erfasst.

 

Über die Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Die Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz ist die einzige medizinische Einrichtung der Supramaximalversorgung in Rheinland-Pfalz und ein international anerkannter Wissenschaftsstandort. Sie umfasst mehr als 60 Kliniken, Institute und Abteilungen, die fächerübergreifend zusammenarbeiten. Hochspezialisierte Patientenversorgung, Forschung und Lehre bilden in der Universitätsmedizin Mainz eine untrennbare Einheit. Rund 3.300 Studierende der Medizin und Zahnmedizin werden in Mainz ausgebildet. Mit rund 7.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist die Universitätsmedizin zudem einer der größten Arbeitgeber der Region und ein wichtiger Wachstums- und Innovationsmotor. Weitere Informationen im Internet unter www.unimedizin-mainz.de