Zucht- und Koloniemanager des TARC
Die stetig sich verändernden rechtlichen Vorschriften zum Arbeiten mit Tieren in der Versuchstierkunde verunsichern viele Wissenschaftler*innen. Zur Unterstützung der Wissenschaftler*innen der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz bei der rechtskonformen Durchführung von Tierversuchen, haben wir entsprechende Vorgehensweisen und Handlungsempfehlungen entwickelt. Diese reichen von Maßnahmen der Reduktion von Zuchtüberschüssen durch optimale Planungsstrategien vor den eigentlichen Versuchen bis hin zu Verfahrensweisen einer Nutzungsänderung von Tieren.
Zucht- und Koloniemanager des TARC
Dr.(Ukraine) Myhailo Reshetnykov
Unser Zucht- und Koloniemanager leistet proaktive Qualitätssicherung während der Planung von Prozessen zur späteren, versuchsbedingten Nutzung von Experimentaltieren. Weiterhin entwickelt und kontrolliert er Prozessketten für eine verbesserte Steuerung, Überwachung und Dokumentation von Tierzahlplanungen. Die Tätigkeit verläuft in enger Zusammenarbeit mit den Tierschutzbeauftragten.
Aufgaben des Zucht- und Koloniemanagers
Beratung der Wissenschaftler*innen in der Zuchtplanung
Die Zucht genetisch veränderter Linien ist hochkomplex, jedoch für die Forschung in vielen Fällen bisher unerlässlich. Oftmals muss dabei eine Zucht über mehrere Generationen im Voraus geplant werden. Eine Kernaufgabe ist die kompetente Beratung und Organisation solcher Zuchtplanungen.
Gemeinsam mit den Wissenschaftler*innen wird für jede gezüchtete oder gehaltene Linie eine detaillierte und bedarfsgerechte Zuchtplanung erarbeitet. Die rechtlichen Rahmen einer Zucht werden anhand genehmigter Vorhaben nach §8 bzw. §8a, sowie §4 Tierschutzgesetz vorgegeben. Dadurch erreichen wir eine vernünftige, kontrollierte und nachvollziehbare Nutzung der Versuchstiere und reduzieren die Generierung überzähliger Tiere auf ein unvermeidbares Minimum. Ferner werden in organisatorischen Untereinheiten der Universität (Institute, Kliniken, Arbeitsgruppen) verantwortliche Tierversuchsplaner*innen geschult.
Kontrolle des Gebrauchszweckes von Versuchstieren
Der Zucht- und Koloniemanager erstellt halbjährlich eine Tiernutzungsbilanz.
Dabei wird auffällig, ob Zuchtplanungen weitere Optimierungsschritte benötigen oder der Nutzungsgrad resp. der Gebrauchszweck der generierten Tiere effektiv genug ist. Kommt es in einer der organisatorischen Untereinheiten absehbar zu Unregelmäßigkeiten, werden diese darauf aufmerksam gemacht und bei der Behebung möglicher Probleme unterstützt.
Steuerung und Überwachung von Maßnahmen zur Sicherstellung der Qualität tierschutzkonformer Versuchstiertiernutzung
Wir haben Prozessketten und Handlungsempfehlungen entwickelt, mit welchen wir es den experimentell tätigen Forschern erleichtern, Entscheidungen bezüglich tierschutzkonformer Nutzung von Versuchstieren zu fällen. Dabei kann sichergestellt werden, ob Versuchstiere wiederverwendet werden können oder im Rahmen einer wissenschaftlichen/tierschutzgerechten vernünftige Begründung euthanasiert werden müssen. Eine Tötung eines Versuchstieres kann nur nach Abwägung der Nachweise vollständig hinterlegten Grundinformationen gerechtfertigt werden.
Der Zucht- und Koloniemanager kontrolliert fortlaufend die korrekte Umsetzung der Zuchtplanung und der Prozessketten im Sinne des Tierschutzes und des Qualitätsmanagements. Ebenfalls werden die Zuchterfolge regelmäßig überprüft, um ggf. Anpassungen anhand aktueller Zuchtdaten der betreffenden Tierlinien vorzunehmen.
Betreuung der Tierdatenbanken: PyRAT und Mausliniendatenbank
Zur weiteren Aufgabe gehört auch die Pflege der Datenbanken (PyRAT und Mausliniendatenbank), die eine Effizienz in Zucht und Haltung von Versuchstieren steigern, Compliance-Risiken minimieren und alle Nutzer*innen einen Zugang zu ihren Daten aus derselben Quelle ermöglichen. Alle Daten werden zentral gesichert, so dass mit jedem internetfähigen Gerät einfach und sicher auf die Daten zugegriffen werden kann.
Prüfung und Vermittlung der anderweitigen, wissenschaftlichen Nutzung von ehemaligen Versuchstieren und Zuchtüberschüssen
Es kommt immer wieder dazu, dass Tiere geboren werden, die z.B. aufgrund falscher Genotypen nicht für den geplanten Versuch verwendet werden können („überzählige Tiere“). In diesen Fällen erfolgt eine Einzelfallprüfung nach den Ursachen, um Maßnahmen gemeinsam mit den Wissenschaftler*innen zur zukünftigen Vermeidung zu erarbeiten. Weiter prüft der Zucht- und Koloniemanager, ob diese überzähligen Tiere einer anderen Verwendung zugeordnet werden können. Darunter fällt die Freigabe von Tieren an andere Arbeitsgruppen, zur Verwendung in der
Aus-, Fort- und Weiterbildung aber auch in unserem
Rehoming-Programm*.
Eine besondere Art der Vermittlung stellt dabei das
Rehoming dar, bei den ausschließlich unversehrte Versuchstiere in private Haushalte vermittelt werden. Dies ist allerdings nur bei genetisch nicht veränderten Tieren möglich, sogenannten Wildtyplinien. Das Rehoming geschieht in enger Zusammenarbeit mit dem
TARCforce3R, dem Forschungszentrum für Tierschutz und Versuchstierkunde. Vor der Unterbringung in privaten Haushalten, werden die Tiere tierärztlich untersucht. Bei der kostenfreien Übergabe wird ein offizieller Schenkungsvertag der Universitätsmedizin, in dem die Tiere beschrieben werden, unterzeichnet.
*Die Tiere die einem Nutzungsvertrag unterliegen dürfen ggf. aus rechtlichen Gründen nicht freigegeben werden.
Prüfung und Vermittlung nicht verwendeter Tierkörperteile zur Weiterverwendung von Organ- resp. Gewebe-spezifischer Forschung
Wissenschaftler*innen zeigen die beabsichtigten Tötungen von Versuchstieren an.
In unserer Mausliniendatenbank und in einer EU geförderten Online-Sharing-Plattform „AniMatch“ können nicht genutzte Tierkörperteile und Gewebeproben für Forschungszwecke anderen Arbeitsgruppen, die Zugang zu den Netzwerken haben, zur Verfügung gestellt werden. Durch eine optimale Verwendung aller Tierkörperteile resp. Gewebeprobe soll eine Reduktion von Versuchstierzahlen ermöglicht werden.
Hilfestellung für Wissenschaftler*innen beim Erstellen der internationalen Nomenklatur von neu generierten Versuchstierlinien
Der Zucht- und Koloniemanager hilft Wissenschaftler*innen bei der Erstellung von internationaler Nomenklatur neu generierten Tierlinien resp. Verkreuzungen. Dafür werden Informationen wie der Hintergrund(sub-)stamm, der Genname, die Art der genetischen Manipulation bzw. wie diese Manipulation hergestellt wurde (tg für Transgen, tm für targetet mutation mit embryonalen Stammzellen oder em für endonuclease mediated mutation) und des Erstellenden (Creator Lab Code) nach festgelegten Regeln zu einem eindeutigen Namen zusammengefügt. Die internationale Nomenklatur der gentechnisch veränderten Linien vereinheitlicht die Namensgebung weltweit und eine Generierung der gleichen gentechnischen Veränderung wird somit verhindert.
Kontrollen von GVO-Datenblättern und der Belastungseinschätzungen gentechnisch veränderter Linien
Zu den Qualitätskontrollen bei der Dokumentationsführung gehören die Kontrollen der Formulare von Gentechnisch veränderten Organismen (GVO-Datenblätter) und die Einschätzung der Belastung eines GVO in Zucht und Haltung (Belastungsbeurteilung).
Die Notwendigkeit der Erstellung den GVO-Datenblättern basiert auf den Vorgaben des
Gesetzes zur Regelung der Gentechnik (Gentechnikgesetz - GenTG). Für jede genmodifizierte Tierlinie, die bei TARC geführt wird, muss von jeweiliger linienbesitzenden AG ein GVO-Datenblatt erstellt werden. Ein
aktuelles Formblatt kann hier heruntergeladen werden.
Beurteilungen zum Belastungsgrad einer gentechnisch veränderten Linie resp. einer Kreuzung daraus wird durch
Formblätter des Bundesinstitut für Risikobewertung (
BfR) vorgegeben. Dabei wird eingeschätzt, ob man mit phänotypischen Belastungen der GVO-Tiere rechnen muss, die mit Schmerzen, Leiden oder Schäden verbunden sein können. Es sind 4 mögliche Grade einer Belastung definiert (keine Belastung, geringe Belastung, mittelgradige Belastung, schwergradige Belastung).
Linien resp. Verkreuzungen bei denen keine Belastung für die Tiere vorliegen, sind in Zucht und Haltung von Tierversuchsanträge genehmigungsbefreit.
Erstellen und kontrollieren der Versuchstierjahresmeldungen
Versuchstierjahresmeldungen dienen für die statistische Erfassung von der Verwendung von Tieren zu wissenschaftlichen Zwecken. Rechtliche Grundlage für diese Erfassung ist die
Versuchstiermeldeverordnung (VersTierMeldV). Aktuelle Tabellen für die Meldung von Tieren befinden sich auf der Website des
Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (BF3R).
Die Versuchstierjahresmeldungen werden von tierexperimentell tätigen Forschungsgruppen separat erstellt. Der Zucht- und Koloniemanager sammelt diese Dokumentationen und fasst diese nach Prüfung zur behördlichen Weiterleitung zusammen. Jahresmeldungen müssen immer bis spätestens Ende Januar des Folgejahres bei dem Zucht- und Koloniemanager eingegangen sein. Eine Weiterleitung an die Behörde erfolgt bis spätestens zum 31.03. des Folgejahres. Eine jährliche Schulung zur Nutzung und Übertragung von Tierzahlen in die Datenblätter erfolgt durch die Tierschutzbeauftragten resp. den Zucht- und Koloniemanager.