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Chirurgische Therapie bei endokriner Orbitopathie


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Knöcherne Entlastungsoperation

Für die knöcherne Entlastungsoperation, die Orbitadekompression, bestehen drei wesentliche Indikationen. Nach Ausschöpfung der konservativ-medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten sowie im Notfall, also bei akuter Sehnerveinklemmung, stellt die operative Entlastung der Augenhöhle den Goldstandard dar. Außerdem kann die Entlastungsoperation als kosmetisch-ästhetischer Eingriff auch dann durchgeführt werden, wenn die Erkrankung stabil und entzündungsfrei ist, aber noch ein störender Exophthalmus (weit hervorstehende Augen) besteht. Die Orbitadekompression ist dann die wirkungsvollste Methode zur optimalen Wiederherstellung eines die Patienten zufriedenstellenden Aussehens.

Liegt keine Einklemmung des Sehnerven vor, so sollte die Operation grundsätzlich erst dann stattfinden, wenn die endokrine Orbitopathie inaktiv, also nicht mehr entzündlich ist und der Zustand der Augen für etwa ein halbes Jahr stabil war. Weiterhin sollte der Endokrinologe innerhalb dieses Zeitraums keinen Auslassversuch der Schilddrüsentherapie vornehmen, da ansonsten ein Rezidiv der Schilddrüsenüberfunktion zu einer Reaktivierung der EO führen und damit das Operationsergebnis unnötigerweise negativ beeinflussen könnte.

Die operative Entlastung der Augenhöhle ist über unterschiedliche Zugangswege möglich. Prinzipiell erfolgt bei nahezu allen Methoden die Entlastung durch eine teilweise Entfernung der knöchernen Begrenzungen der Augenhöhle, so dass überschüssiges Fett- und Bindegewebe z. B. in die Nasennebenhöhlen ausweichen kann. Je nachdem wie viel Raum geschaffen werden muss, können theoretisch bis zu vier Wände entfernt werden. Trotzdem wird das Dach der Augenhöhle aufgrund der Nähe zum Schädelinneren heutzutage nur sehr selten entfernt. Die Entlastung des Sehnerven gelingt vor allem durch Entfernung der inneren, also zur Nase gewandten Wand der Augenhöhle, wodurch im Bereich der trichterförmig zulaufenden Augenhöhlenspitze Raum geschaffen wird.

An der Augenklinik der Universitätsmedizin Mainz erfolgt der Zugang über einen Schnitt in der unteren Übergangsfalte der Bindehaut. Ein äußerlich sichtbarer Hautschnitt kann so vermieden werden. Dieser sogenannte transkonjunktivale Zugang gewährleistet eine gute Sicht auf den Operationsbereich und erlaubt die Entfernung von seitlicher und innerer Augenhöhlenwand, sowie des Bodens unter Schonung des dort verlaufenden Gefäß- Nervenbündels, sowie von überschüssigem Fettgewebe. Indem eine Knochenleiste stehen gelassen wird, behält der Augapfel seine anatomische Unterstützung und ein zu tiefes Absinken wird vermieden. Bislang erfolgte die Knochenentfernung mit Hammer und Meißel. An der Universitätsmedizin Mainz wird seit 2009 erstmalig in der Augenheilkunde eine so genannte Piezosäge für die Orbitadekompression verwendet. Diese ultraschallgestützte Knochensäge hat sich bereits in der Mund- Kiefer- und Gesichtschirurgie bewährt, da sie aufgrund des niedrigen Frequenzbereichs ihrer Vibrationen ausschließlich Knochen schneidet.  Weichteile, Gefäße und Nerven werden geschont. Durch gleichzeitiges Spülen und Absaugen hat der Operateur außerdem stets eine bessere Sicht auf das Operationsgebiet. Die Auswertung der Daten der bisher mit der Piezosäge durchgeführten Operationen weist auf eine hohe Effektivität bei gleichzeitig geringer Nebenwirkungsrate hin. Lediglich ein vorübergehendes Taubheitsgefühl im Versorgungsgebiet des sensiblen Nerven, der im Boden der Augenhöhle verläuft tritt unmittelbar nach der Operation häufig auf, die Missempfindung verschwindet jedoch im Verlauf in der Regel.

Die HNO-Chirurgen der Universitätsmedizin erreichen die Augenhöhle über die Nasennebenhöhlen mit einem Endoskop durch Nase und Siebbeinzellen. An der Mainzer HNO-Klinik werden seit 1997 konsequent zwei Operationsschritte kombiniert, einerseits die knöcherne Entlastung durch die Nase und andererseits die Entfernung von Fettgewebe, um ein optimales Operationsergebnis und eine effektive Druckentlastung besonders an der Augenhöhlenspitze zu erreichen. Im ersten Schritt wird das Operationsendoskop in die Nase eingebracht und durch den mittleren Nasengang vorgeschoben. Der Operateur eröffnet die Keilbeinhöhle und räumt die Siebbeinzellen aus, um Platz für das später hervorquellende Gewebe zu schaffen. Nun werden Anteile der inneren Augenhöhlenwand reseziert. Schließlich wird die bindegewebige Periorbita geschlitzt, so dass sich der Inhalt in die ausgeräumten Siebbeinzellen schiebt. Der zweite Teil der Operation besteht in der Resektion orbitalen Fettgewebes. Über Hautschnitte im Bereich der Oberlidfurche bzw. am Unterlid wird Fettgewebe im Bereich des Ober- und Unterlids entfernt. Nachteil des Zugangswegs durch die Nase ist, dass durch die Entfernung von Knochenteilen vor allem zur Nase hin, neu auftretende Doppelbilder, bzw. eine Verschlechterung bestehender Bewegungseinschränkungen der Augen häufiger vorkommen. Bei der Fettgewebsentfernung entstehen Narben im Bereich der Lider. Trotzdem kann dieser Zugangsweg z. B. bei gleichzeitig zu sanierender Sinusitis oder bei einer Einklemmung des Sehnervs sehr weit hinten in der Augenhöhle mit enger Augenhöhlenspitze die Methode erster Wahl sein.

Die Entscheidung, welches Entlastungsverfahren zu wählen ist, sollte sich an den individuellen anatomischen Gegebenheiten innerhalb der Augenhöhle orientieren und sowohl die besonderen Fähigkeiten des Chirurgen, als auch Präferenzen des Patienten einschließen. Voraussetzung für dieses strategische Vorgehen ist die enge Kooperation der Spezialisten unterschiedlicher Fachdisziplinen im Rahmen eines Orbitazentrums.

 

Ergänzende Eingriffe

Falls zusätzlich ein Schielen der Augen mit Doppelbildern und/oder eine Lidfehlstellung besteht, können zur funktionellen und ästhetischen Rehabilitation zusätzlich Schiel- und/oder Lidoperationen erwogen werden. Die typische Reihenfolge der operativen Eingriffe ist folgendermaßen: zuerst Entlastungsoperation, dann Schieloperation und abschließend Lidkorrektur. Zwischen den Eingriffen sollten mehrere Monate liegen, um eine Erholung des Gewebes zu ermöglichen. Vorübergehend können Doppelbilder häufig durch Prismenfolien ausgeglichen werden, eine kurzfristige Minderung der Lidretraktion kann durch Injektionen von Botulinumtoxin in den Lidhebemuskel erreicht werden. Durch diese Maßnahmen wird auch im Behandlungsintervall ein bestmögliches Maß an Lebensqualität gewährleistet.

 

Schieloperation

Die Schieloperation erfolgt mit dem Ziel, eine bestmögliche Beweglichkeit des Auges, eines großen Feldes des beidäugigen Einfachsehens (BES-Feld) und die Eliminierung einer eventuellen Kopfzwangshaltung zu erreichen. Der Schielwinkel, also der Winkel, um die die Augenstellung von der physiologischen Augenstellung abweicht, wird durch Rücklagerung und/oder Verkürzung der betroffenen Muskeln korrigiert. Die Schwierigkeit in der Operationsplanung liegt speziell für die endokrine Orbitopathie darin, dass durch die erkrankungsbedingten Veränderungen an den Augenmuskeln die Dosierung nicht der von „normalen“ Schieloperationan an gesunden Muskeln entspricht. Folge ist, dass eine vorsichtige Planung erfolgen muss, um vor allem Überkorrekturen zu vermeiden. Es kann deshalb sinnvoll sein, mehrere Eingriffe nacheinander durchzuführen, bis ein optimales Ergebnis erreicht ist.

 

Lidoperation

Eine operative Lidkorrektur sollte erfolgen, wenn die Retraktion von Ober- und/oder Unterlid entweder den Patienten kosmetisch-ästhetisch stört bzw. wenn die Hornhaut durch einen unvollständigen Lidschluss gefährdet ist. In der Regel wird der Lidhebemuskel geschwächt. Im Falle einer Unterlidanhebung  können Interponate (=Überbrückungstransplantate) eingesetzt werden, die zusätzlich die Stabilität des Lids verbessern. Im Falle eines Fettgewebsüberschusses im Lidbereich kann eine Blepharoplastik (mit Hautschnitt am Lid, Fettgewebsentfernung und Lidstraffung) erfolgen.

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Surgical Therapy of Thyroid Associated Orbitopathy


Orbitectomy of orbital walls


There are three indications for orbital decompression surgery in thyroid associated orbitopathy (TAO). When all conservative treatments have been exhausted, or in the case of optic nerve compression, surgical decompression of the orbit constitutes the gold standard in treatment. In addition, orbital decompression can be undertaken as a cosmetic-aesthetic measure, if a disturbing exophthalmus (bulging eyeballs) persists while the disease is otherwise in a stable, non-inflamed state. In that case, orbital decompression surgery is an effective method to reinstate a patient’s satisfactory appearance.

In the absence of optic nerve compression, decompression surgery should be performed only if the TAO is inactive, i.e. if inflammation has ceased and both orbits have been stable for about half a year. During this time period, thyroid therapy should not be paused or discontinued by the attending endocrinologist, because a relapse of hyperthyroidism can lead to re-activation of TAO, which could have a negative impact on the postsurgical outcome.

The orbit can be accessed surgically for decompression in various ways. In virtually all approaches involve the partial removal of the orbit’s osseous confines, so that excess fatty and connective tissue can recede into the sinuses. Depending on the extent of orbital decompression, up to four orbital walls can be removed. However, because of the proximity to the intracranial space, the orbit's roof is removed only very rarely. Decompression of the optic nerve is achieved above all by removing the medial wall of the orbit (wall toward the nose), so that space is created in the funnel-shaped tip of the orbit.

At the Department of Ophthalmology of Mainz University Hospital we access the orbit through the lower conjunctival fornix, thus precluding any visible postsurgical scars. This so-called transconjunctival approach ensures good access and good visibility of the operation site and permits the removal of the lateral and medial orbital wall; the removal of the orbit’s floor while sparing vessels and nerves in that area; and the removal of excess fatty tissue. By leaving an osseous rim, the orbit retains its anatomical support and its contents do not sink too much. In the past, removal of the orbital walls involved hammer and chisel. Since we use, as a novelty in ophthalmology, a so-called piezo- saw for orbital decompression surgery. This ultrasound-based bone saw is well established in Oral and Maxillofacial Surgery and exclusively cuts bone. Soft tissue, blood vessels, and nerves are spared. By rinsing and aspirating continuously the surgeon maintains good visibility of the operation site during surgery. An evaluation of data from decompression surgeries using a piezo saw attested the high efficiency and low rate of side effects of this method. We only observed temporary numbness in the innervation area of the sensory nerve that runs near the base of the orbit. Numbness frequently occurs immediately after decompression surgery and usually disappears in the course of some time.

Colleagues from the Department of Otorhinolaryngology here at the University Clinic access the orbit via the nose and sinus (ethmoidal cells) using an endoscope. One disadvantage of access via the nose is that removal of bony structures toward the nasal side more frequently leads to diplopia or aggravation of pre-existing diplopia. Nevertheless, the transnasal approach might be useful when the patient simultaneously suffers from sinusitis that needs to be treated surgically, or when the optic nerve is compressed very far back in the orbit and the tip of the orbit is very narrow.

The decision as to which surgical approach toward orbital decompression is best should be based on the individual anatomical circumstances inside the orbit, the surgeon's particular skills as well as the patient’s preference. The close cooperation of specialists from all involved medical disciplines is a prerequisite for a strategically optimized approach.

Supplemental surgical interventions

If a patient suffers from strabismus with double vision and/or problems with the eyelids due to Graves‘ Orbitopathy, strabismus and/or lid surgery can be considered for functional and esthetic repair. The typical sequence of surgical interventions is as follows: first, orbital decompression surgery; then, strabismus surgery; and finally eyelid correction. The different interventions should be scheduled several months apart to permit full recovery of the tissue. Temporary double vision can often be compensated by a prism foil; a short-term alleviation of eyelid retraction can be achieved by injecting Botulinum toxin into the levator palpebrae superioris muscle. These measures ensure the best possible quality of life during the time intervals between surgeries.

Strabismus surgery

The goal of strabismus surgery is to achieve the best possible motility of the eye, the largest possible field of binocular single vision (BSV-field), and the elimination of a possible forced head posture. The squint angle, i.e. the degree of abnormal eye position in strabismus, is corrected by recession and/or shortening of affected muscles. In TAO, a major difficulty in terms of surgical planning is that muscle tissue behaves somewhat unpredictably and certainly differently than healthy muscle in normal strabismus surgery. As a consequence, the surgery has to be planned very carefully, above all to avoid over-correction. Occasionally it is advisable to plan several interventions in sequence until an optimal result is achieved stepwise.

Eyelid surgery

Surgical eyelid correction should be undertaken if the retraction of upper- and/or lower eyelid is cosmetically disturbing or if the cornea is at risk as complete eye closure is compromised. In most cases, the levator palpebrae superioris muscle is weakened during lid surgery. To raise the lower eyelid surgically, a tissue interposition (a bridging autologous transplant) can be performed, as this additionally improves the stability of the eyelid. In the case of excess fatty tissue in the eyelids, blepharoplasty (esthetic eyelid correction) can be performed (with incision of the affected eyelid, resection of fatty tissue, and eyelid lift).