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Raytracing

Raytracing ist die älteste und gleichzeitig einzig exakte Methode zur Berechnung optischer Abbildungen. Der Weg vieler Lichtstrahlen wird im zu berechnenden optischen System durch Brechung an allen optischen Flächen verfolgt. Die deutschen Bezeichungen "Strahlverfolgung" oder "Strahldurchrechnung"
anstelle von "Raytracing" sind allerdings wenig gebräuchlich. Die Lichtbrechung an einer Fläche wird jeweils nach dem von Willebrord Snellius (1580-1626) entdeckten Gesetz sinβ 1 × n1 = sinβ 2 × n2 berechnet, mit n1, n2: Brechungsindices der beiden Medien und β 1, β 2: Winkel des Lichtstrahls relativ
zur Flächennormale im Schnittpunkt des Strahls mit der Grenzfläche der beiden Medien. Leider lassen sich die Eigenschaften der Lichtweiterleitung über mehr als eine brechende Fläche nicht in geschlossenen Formeln darstellen, weil die sich dabei ergebenden sogenannten "transzendenten Gleichungen" mathematisch prinzipiell nicht lösbar sind. Diese Zusammenhänge sind also seit ca. 400 Jahren bekannt. Praktisch anwendbar waren sie aber damals nicht, weil die benötigten Sinus-Ausdrücke wegen des viel zu hohen Rechenaufwandes nicht mit der erforderlichen Genauigkeit berechnet werden konnten.

Ca. 150 Jahre nach Snellius entwickelte Carl Friedrich Gauß (1777-1855) eine Näherungslösung. Er ersetzte des Sinus des Winkels durch den Winkel selbst, was aber nur für sehr kleine Winkel annähernd richtig ist. Durch diese Näherung, bei der also die Sinus-Ausdrücke wegfallen, konnten nun optische Systeme auch in geschlossenen Formeln berechnet werden, mit Ausdrücken wie "Brechkraft" oder "Brennweite" für eine optische Fläche oder eine aus zwei optischen Flächen bestehende Linse oder ein aus mehreren Linsen bestehendes optisches System.

Da sich mit der Gauß’schen Optik nur sehr kleine Winkel (zur optischen Achse) genau genug berechnen lassen, weichen ihre Ergebnisse bei optischen Flächen mit stärkeren Krümmungen, in denen auch größere Winkel zur optischen Achse vorkommen, deutlich von der Realität ab. Dies gilt speziell auch für das menschliche Auge mit seinen stark gewölbten optischen Flächen an Hornhaut und Linse. Es verwundert daher nicht, daß die ersten Formeln zur Intraokularlinsenberechnung in Gaußscher Optik um mehrere Dioptrien von der Wirklichkeit abwichen und daher wenig brauchbar waren. Zusätzliche Ungenauigkeiten wurden dabei durch die Annahme von "dünnen Linsen" verursacht, einer weiteren Näherung, in der die Linsenvorder- und Rückfläche an die gleiche Position auf der optischen Achse gesetzt wird, die Linsendicke also als Null angenommen wird.

Inzwischen sind billige Computer verfügbar, die Millionen von Sinusausdrücken in Sekundenbruchteilen berechnen können. Die mangelnde Verfügbarkeit von Rechenleistung als Grund für die Notwendigkeit, die Näherungen der Gaußschen Optik zu verwenden, existiert also nicht mehr. In fast allen Bereichen der technischen Optik hat daher das Raytracing die Gaußsche Optik ersetzt. Mit dem Raytracing können dabei auch alle Fehler höherer Ordnung erfaßt werden, die sich in Gaußscher Optik nicht berechnen lassen, zum Beispiel die sphärische Aberration. Sie beschreibt u.a. den Unterschied zwischen der paraxialen Brennweite und der Brennweite im besten Fokus, also der Stelle, in der die Lichtdichte am höchsten ist. Für das menschliche Auge ist dieser Unterschied keineswegs vernachlässigbar.

Eine speziell an die Gegebenheiten des menschlichen Auges und an die Anforderungen der Ophthalmochirurgie angepaßte Raytracing-Software ist das hier in Mainz entwickelte Programmpaket OKULIX. Es enthält als weltweit einziges Programm die Herstellungsdaten der meisten Intraokularlinsen der führenden Hersteller. Mit diesem Verfahren lassen sich auch Augen, deren Daten weit vom Durchschnitt entfernt liegen, mit gleicher Genauigkeit wie Durchschnittsaugen berechnen, also sehr lange, sehr kurze, oder Augen mit ungewöhnlichen Kombinationen aus Hornhautform und Achsenlänge. Auch Augen nach vorangegangener Hornhautchirurgie lassen sich sogar ohne Kenntnis dieses Eingriffs genau berechnen, wenn eine genau gemessene Hornhauttomographie zugrunde liegt. Die Überlegenheit der OKULIX-Berechnungen gegenüber klassischen Formeln wird durch Publikationen internationaler Autoren bestätigt.

Mittels OKULIX lassen sich nicht nur für das weitere Vorgehen benötigte Daten berechnen, also z.B. die Restfehler der einzelnen Brechkraftstufen von Intraokularlinsen, sondern es kann auch der Seheindruck von Sehzeichen simuliert werden, wie man sie für Sehtests verwendet. Dieser Seheindruck ist hilfreich für die Entscheidung für oder gegen einen refraktiv-chirurgischen Eingriff oder für eine bestimmte Introkularlinse. Abb. 1 zeigt ein Beispiel.

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Abbildung 1: Auswahl torischer Intraokularlinsen
Oben ist die Tomographie der Hornhaut eines Auges dargestellt, links die Krümmungsradien der Vorderseite, rechts die lokale Dicke. Auf Basis dieser Tomographie und der gemessenen Achsenlänge und Position und Dicke der eigenen Linse werden zwei torische Intraokularlinsenmodelle miteinander verglichen. Das Auge hat neben Fehlern, die sich durch die Sphäre (den Defokus) und durch den regelmäßigen Astigmatismus ausdrücken lassen, auch noch Fehler höherer Ordnung. So erkennt man z.B. eine Dezentrierung, die sich in einer Koma als optischem Fehler äußert. Die beiden Linsenmodelle unterscheiden sich nicht nur im letztlich resultierenden Fehler im Defokus, der u.a. von der Stufung der Linsen abhängt, sondern auch in ihrer Asphärizität, die zu einer etwas unterschiedlichen sphärischen Aberration des gesamten, also mit der jeweiligen Linse implantierten Auges führt. Dies ergibt etwas unterschiedlich scharfe Seheindrücke. Diese werden jeweils durch die Abbildung eines sogenannten Landoltringes (annähernd ein "c") simuliert, der auf das Muster der Netzhautrezeptoren (kleine Kreise) projiziert wird. Für jedes Teilbild wird auch der Kontrast berechnet (in blau). Die Koma zeigt sich in der Asymmetrie des "Schleiers“.
Für jedes Linsenmodell sind horizontal die Nachbarstufen in der Zylinderbrechkraft, vertikal in der sphärischen Brechkraft dargestellt. Man erkennt links den besten Seheindruck im Zentrum der 9 Teilbilder, rechts aber bessere Seheindrücke links unten und rechts in der Mitte als im Zentrum.


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