Das Darmepithel, das sich aus einer Monoschicht von Darmepithelzellen (intestinal epithelial cells, IECs) auf der darunterliegenden Lamina propria zusammensetzt, ist die größte Körperoberfläche. Auf Grund seiner Organisation in Villusstrukturen und Lieberkühn-Krypten trennt es die äußere Umgebung vom inneren Milieu. Die Regeneration des Darms erfolgt durch intestinale Stammzellen (intestinal stem cells, ISCs) an der Basis jeder Krypte, die sich in vier Linien, einschließlich absorbierender Enterozyten und Mucin-sekretierender Becherzellen, differenzieren. Zu den Kaskaden, die die Darmmorphogenese, das Villus-Patterning und die ISC-Differenzierung regulieren, gehören der Hedgehog (Hh)-Signalweg und der Signalweg für Bone Morphogenetic Proteine (BMP). Im Dünndarm entstehen Zotten mit regelmäßigen Abständen in Übereinstimmung mit Clustern von Mesenchymzellen kontrolliert durch epitheliale Hh- und BMP-Signale. Vor dem Clusteraufbau werden BMP4, BMP5 und BMP7 in vielen subepithelialen Zellen exprimiert, während BMP2 hauptsächlich epithelial synthetisiert wird. Die Signaltransduktion von BMPs erfolgt durch promiskuitive Wechselwirkungen mit Rezeptoren des Typs I und II: BMP2 bindet an die Rezeptoren des Typs I ActRI, BMPRIa und BMPRIb, während die beteiligten Rezeptoren des Typs II BMPRII, ActRII und ActRIIb sind. Unter den Zielgenen der BMP-Kaskade reguliert BMP2 die Expression von ID3 (Inhibitor der DNA-Bindung) in einer Vielzahl von Zelltypen durch Wechselwirkung mit BMPRII und BMPRIa. Die Rolle des BMP2-BMPRII-BMPRIa-ID3-Signalwegs bei der Umgestaltung des Dünndarms ist jedoch unbekannt.
Ein weiterer Faktor, der die Darmmorphologie beeinflusst, ist die kommensale Darmmikrobiota, die zur BMP2-Produktion durch Makrophagen beiträgt. Zusätzlich beeinflussen die ansässigen Bakterien das Immunsystem des Wirts, indem sie Mustererkennungsrezeptoren wie z.B. Toll-like-Rezeptoren (TLRs) mit konservierten Molekülen stimulieren. Protease-aktivierte Rezeptoren (PARs) wirken mit TLRs zusammen, um die angeborene Immunantwort hervorzurufen. Zusätzlich wird auch die PAR1-Expression in den Enterozyten durch die Darmmikrobiota hochreguliert. Bemerkenswerterweise wurde PAR1 auch in den ISCs entdeckt, in welchen die Funktion dieses Rezeptors immer noch umstritten ist. Hier nehmen wir an, dass eine biochemische Verbindung zwischen BMP2 und PAR1 besteht, welche die Morphogenese und Erneuerung des Dünndarms reguliert. Wir haben die Hypothese, dass die Expression dieser Proteine durch die Darmmikrobiota über TLR4-Signalübertragung beeinflusst werden könnte.
Vorläufige Daten, die Analysen an Dünndarmproben durchgeführten qRT-PCR-Analysen zeigen:
i. Die Darmmikrobiota reguliert den BMP2-Signalweg hoch.
ii. Die Mikrobiota-getriebene Hochregulierung der BMP2-Achse erfolgt über die TLR4-Signalgebung.
iii. Die Expression von PAR1 und BMP2 ist positiv verknüpft.
iv. Die Expression von PAR1 in IECs beeinflusst die Morphogenese des Dünndarms.
Es bleiben offene Fragen zur Gen- und Proteinexpression des BMP2-Weges in IECs und zu seiner zellspezifischen Regulation durch TLR4 und PAR1. Um diese zu adressieren, werden zwei IEC-spezifische Mausmodelle für PAR1 und TLR4 verwendet. Histologische Analysen dieser Mausstämme werden zu weiteren Informationen über die Zottenstrukturierung dieser Mausmodelle führen. Die flacheren Krypten in F2r ΔIEC Mäusen könnten auf eine verringerte Proliferation in der ISC-Nische hinweisen. Daher wird die epitheliale Erneuerungsrate von keimfreier Mäuse, sowie epithelialer PAR1- und TLR4-defizienter Mäuse durch Immunhistochemie-Assays (IHC) quantifiziert. Zusammenfassend ist bekannt, dass die Darmmikrobiota die Darmmorphologie maßgeblich beeinflusst, indem sie auf die BMP-Produktion, die PAR1-Expression und die TLR4-Signal-übertragung wirkt. Das mögliche Zusammenspiel dieser biochemischen Signalwege ist bislang unerforscht. Hier schlagen wir eine neuartige, durch Darmmikroben ausgelöste PAR1-TLR4-Achse vor, welche die Darmentwicklung und -erneuerung durch BMP2 steuert. Die resultierenden Arbeiten werden den Weg für die künftige translationale Forschung ebnen, da Veränderungen der BMP-Signalübertragung zu einer abnormalen Bildung von Zotten und Darmkrebs führen können, beispielsweise beim juvenilen Polyposis-Syndrom.