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Drittmittelprojekte

Normalität, Normalisierung und „Cognitive Enhancement“: Über die Konstruktion von Wissen, Hilfsmitteln und Anwendungen in den Neurowissenschaften aus epistemologischer Perspektive.

Bearbeiter

Kontakt

 huberl@uni-mainz.de

Kooperation

Verbundprojekt „Normality, Normalization and Enhancement in the Neurosciences: Ethical, Sociocultural and Neuropsychiatric Aspects of Cognitive Enhancement“
zusammen mit Prof. Dr. Metzinger (Philosophisches Seminar, Universität Mainz)
sowie Prof. Dr. Lieb (Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universität Mainz)
unter dem Dach des Interdisziplinären Forschungsschwerpunkts für Neurowissenschaften (IFSN) sowie in Kooperation mit Prof. Dr. Reiner (Departement of Psychiatry & Brain Research Centre, University of British Columbia, Vancouver)

Förderung

Laufzeit

seit 01.10. 2008 bis 30.09.2010

Projektbeschreibung

Das Projekt nimmt die spezifischen Modalitäten der neurowissenschaftlichen Wissensproduktion auf der Folie einer rekonstruktiven Analyse der Instrumentarien, technologischen Plattformen und Experimentalsysteme des multidisziplinären Feldes in den Blick. Ziel des Projekts ist es, Wirkmechanismen der Standardisierung und Normalisierung zu identifizieren, auf deren Basis sich aktuelle Modelle des so genannten „kognitiven Enhancements“ gründen. Vor dem Hintergrund der wissenschaftstheoretischen Klassifikation von experimentellen Designs und technologischen Modalitäten als epistemische Instrumentarien (Rheinberger 1997) soll die Einschlägigkeit neurowissenschaftlicher Modelle für unser Verständnis von „normaler“ kognitiver Funktion auf drei Ebenen untersucht werden:

  • Die explanatorische Reichweite neurowissenschaftlicher Forschung wird namentlich im Hinblick auf die Ausweitung reduktionistischer Modelle innerhalb der Neurowissenschaften auf menschliches Verhalten und Kognition, was unter dem Schlagwort des „Neuro-Exzeptionalismus“ verhandelt wird (Schick 2005), kritisch in den Blick genommen (Huber 2009):
    Inwiefern werden anthropologische Konzepte von menschlichen Eigenschaften durch neurowissenschaftliche Erklärungsmodelle ersetzt oder verändert?
    Welche Bedeutung kommt den spezifischen Standardisierungs- und Klassifikationssystemen hierbei zu und wie erfolgt die technologische Konstruktion von neurowissenschaftlicher Erkenntnis?
  • Die Kontextualisierung neurowissenschaftlicher Modelle als Erzeugnisse technologischer und sozialer Modalitäten der Wissensproduktion (Paul 2006) geschieht insbesondere mit dem Fokus auf nicht-wissenschaftliche Normen und Werte, die die neurowissenschaftliche Praxis nachhaltig prägen und beeinflussen:
    Welche sozialen und kulturellen Normen liegen den Konzepten von Normalität und Enhancement zu Grunde?
    Wie sind die neurowissenschaftlichen Erklärungsmodelle historisch kontextualisiert?
  • Die Überführung experimentellen Know-hows in klinische Kontexte als auch die Begründung normalisierender bzw. verbessernder (enhancing) Maßnahmen (Paul 1998) wird im Hinblick auf die Wissensbestände neurowissenschaftlicher Forschung vor dem Hintergrund epistemologischer und ethischer Frage- und Problemstellungen analysiert:
    Inwiefern erfolgt eine Transmission aus den spezifischen Forschungsfeldern in die klinische Praxis?
    Und korrespondiert diese Überführung mit Fragen der sozialen Wünschbarkeit?

Das Projekt versteht sich als translationales Modul, das die anderen Verbundprojekte und Forschungsfelder, die auf verschiedenen methodischen Ebenen angesiedelt sind, miteinander verbindet und systematisch entlang der Fragestellung in Beziehung setzt. Weitere Informationen zu den Teilprojekten des Verbundes finden Sie auf der Homepage des IFSN.

Workshops

CE-Workshop Mainz April 2009 (Pdf , 22,4 KB)

CE-Workshop Vancouver/Oktober 2009 (Pdf , 744,4 KB) 

CE- Workshop Mainz September 2010 (Pdf , 112,7 KB)

Doktorandengruppe

Im Rahmen der Initiative „PRO Geistes- und Sozialwissenschaften 2015“ der Johannes Gutenberg-Universität Mainz wurde eine Doktorandengruppe zur Bearbeitung geistes- und sozialwissenschaftlicher Dimensionen des "Cognitive Enhancement" eingerichtet, die im Verbundprojekt angesiedelt ist.

Das Projekt am Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin widmet sich dem Thema:
„ Kognitive Normalität als Konstrukt und „Cognitive Enhancement“ als Technologien des Selbst.“

Stipendiat ist seit 1. Juli 2010 Herr Dr. med. Yazan Abu Ghazal

Das Projekt (Projektleiter: Univ.-Prof. Dr. Norbert W. Paul) wird die spezifischen Modalitäten der neurowissenschaftlichen Wissensproduktion auf der Folie einer rekonstruktiven Analyse der Instrumentarien, technologischen Plattformen und Experimentalsysteme dieses multidisziplinären Feldes in den Blick nehmen. Ziel ist es in Kenntnis des soziokulturellen Diskurses über Normalität und Normalisierung zu analysieren, inwiefern aktuelle Strategien der Neurowissenschaften unser Verständnis normaler kognitiver Funktionen prägen. Vor diesem Hintergrund ist eine Auseinandersetzung mit ethischen Fragen geplant, die sich im Anschluss an neue Technologien des Selbst (Foucault 1988), insbesondere unter dem Schlagwort „Cognitive Enhancement“ stellen.

Die interdisziplinäre Doktorandengruppe setzt sich aus weiteren Teilprojekten zusammen:

  • Philosophisch-ethische Fragen von „Cognitive Enhancement“: Möglichkeiten, Chancen und Risiken einer selbstbestimmten Einflussnahme auf mentale Charakteristika
    (Projektleiter: Univ.-Prof. Dr. Thomas Metzinger; PD Dr. Elisabeth Hildt, Philosophisches Seminar)
  • Menschenbild und Selbstverständnis der Medizin im Kontext des Cognitive Enhancements
    (Projektleiter: Univ.-Prof. Dr. Klaus Lieb, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie)
  • Mentale Leistungssteigerung zwischen Chance und Zwang: Demokratietheoretische und gesellschaftspolitische Implikationen von „Cognitive Enhancement“
    (Projektleiter: Univ.-Prof. Dr. Ruth Zimmerling, Institut für Politikwissenschaft)

Literatur

  • Huber, L. (2009). Exzeptionalismus „revisited“ oder: Von der Naturalisierung durch Technisierung. In: Oliver Müller, Jens Clausen und Giovanni Maio (Hg.): Das technisierte Gehirn. Neurotechnologien als Herausforderung für Ethik und Anthropologie. Mentis: Paderborn 2009: 118-136
  • Paul, N. W. (1998). „Incurable Suffering from the „hiatus theoreticus“? Some Epistemological Problems in Modern Medicine and the Clinical Relevance of Philosophy of Medicine.” Theoretical Medicine and Bioethics 19(3): 229-251
  • Paul, N. W. (2006). Wissenschaftstheoretische Aspekte medizinischer Forschung. In: S. Schulz, K. Steigleder, H. Fangerau und N. W. Paul (Hrsg.). Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin: Eine Einführung. Frankfurt/M., Suhrkamp: 268-282
  • Rheinberger, H.-J. (1997). Toward a History of Epistemic Things: Synthesizing Proteins in the Test Tube. Stanford, CA, Stanford University Press
  • Schick, A. (2005). “Neuro Exceptionalism?” Am J Bioeth 5(2): 36-8; discussion W3-4

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