Die stadienspezifische Therapie von Patienten mit HCC umfasst gemäß der BCLC-Klassifikation kurativ intendierte Therapien wie Lebertransplantation/-resektion oder lokal-ablative Verfahren sowie palliative transarterielle und systemische Tumortherapien. Welche Therapie bei welchem Patienten möglich und sinnvoll ist, hängt u.a. vom klinischen Zustand des Patienten, der Leberfunktion sowie der Anzahl und Größe der Tumorherde in den Schnittbilduntersuchungen ab (CT und MRT). Diese sind jedoch nicht nur für die initiale Diagnosestellung essentiell, sondern in gleichem Maße für die Beurteilung des Therapieansprechens im weiteren Verlauf der Behandlung.
Als Konsequenz repetitiver Re-Staging-Untersuchungen werden im klinischen Alltag permanent gewaltige Schnittbild-Mengen generiert, deren zugrunde liegende Daten jedoch nur zu einem Bruchteil verarbeitet werden können. Konkret beinhaltet ein einzelnes CT-Bild beispielsweise 4096 Graustufen, von denen das menschliche Auge jedoch nur ca. 50-70 erfassen kann. Radiomics ist erstmals in der Lage, aus Bildinformationen quantitative Merkmale zu extrahieren und so eine tiefergehende Analyse von Tumor oder prä-tumorösem Gewebe zu ermöglichen (LIFEx; Nioche C, et al. LIFEx: A Freeware for Radiomic Feature Calculation in Multimodality Imaging to Accelerate Advances in the Characterization of Tumor Heterogeneity. Cancer Res. 2018 Aug 15;78(16):4786-4789) (Abb. 1). Mittels Radiomics können auf diese Weise beispielsweise Informationen über dysplastische Veränderungen, Gefäßumbauprozesse oder Störungen in der Gewebe-Mikroarchitektur des HCC gewonnen werden ("tissue at risk"). Dadurch ist es möglich, eine über die Tumorgröße und -morphologie hinausgehende Gewebecharakterisierung zu etablieren.
Ein Forschungsschwerpunkt der AG beschäftigt sich mit der makrovaskulären Infiltration (MVI) von Pfortader und Lebervene (PVTT und HVTT) bei Patienten mit HCC (Abb. 2). Die MVI ist klinisch hochgradig relevant. Denn sie tritt in bis zu 40% der Fälle auf und führt zu einer signifikant schlechteren Überlebenszeit (6,4 Monate mit Infiltration vs. 35,6 Monate ohne Infiltration). Zudem stellt die MVI eine absolute Kontraindikation für eine potentiell kurative Lebertransplantation dar und impliziert eine palliative Systemtherapie gemäß BCLC. Obwohl es sich bei der MVI also um einen extrem relevanten prognostischen Faktor handelt, ist die korrekte Diagnosestellung eine Herausforderung und gelingt oftmals erst retrospektiv. Da Patienten mit MVI meistens einen raschen Tumorprogress zeigen, muss das übergeordnete Ziel eine möglichst frühzeitige Diagnose bzw. sogar Vorhersage der MVI sein. In einem Radiomics-basierten Ansatz wurden daher Schnittbilddaten von Patienten mit MVI identifiziert und mittels quantitativer Texturanalyse untersucht. Anhand dieser Daten gelang es, ein Radiomics-Model zur Vorhersage einer MVI bei Patienten mit HCC zu entwickeln, um zukünftig die Therapie potentiell individualisierter gestalten zu können.
Darüber hinaus beschäftigt sich die AG mit der intelligenten Analyse des Therapieansprechens während transarterieller Chemoembolisation (TACE). Diese ist gemäß der BCLC-Klassifikation die empfohlene Therapie im Stadium B. Diese Subgruppe ist allerdings ausgesprochen heterogen und es ist in der klinischen Realität eine konstante Herausforderung, 1. dem richtigen Patienten die richtige Therapie zukommen zu lassen und 2. den richtigen Zeitpunkt für einen eventuell notwendigen Therapiewechsel bei Tumorprogress zu identifizieren. In der Vergangenheit wurden daher verschiedene Scoring-Systeme entwickelt (u.a. ABCR, ART, SNACOR), welche als Entscheidungshilfe dienen sollen. In diversen externen Validierungen konnten wir jedoch zeigen, dass die o.g. Scoring-Systeme insgesamt nur moderate Ergebnisse bzw. eine nur mäßige Reproduzierbarkeit zeigen. Erste Ergebnisse aus unserer AG legen nahe, dass intelligente Algorithmen, die auf maschinellem Lernen oder neuronalen Netzen basieren, in der Lage sind, das Therapieansprechen weit besser als die bis dato genutzten Scoring-Systeme vorherzusagen (Abb. 3).
Aufgrund dieser vielversprechenden ersten Ergebnisse sind wir davon überzeugt, dass intelligente Analysesysteme zukünftig zwingend notwendig sein werden, um in einer immer komplexer werdenden klinischen Realität eine möglichst objektive und transparente Entscheidung zu ermöglichen.