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Forschungsgegenstand

Seit dem Jahr 2008 entwickelt und erforscht das Kompetenzzentrum Spielerschutz & Prävention (KSP) an der Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie präventions- und interventionsorientierte Spielerschutzkonzepte. Unser interdisziplinäres Team bestehend aus Diplom-Psycholog*innen, Mediziner*innen, Gesundheitskommunikationswissenschaftler*innen und Gesundheitswissenschaftler*innen berät und begleitet staatlich konzessionierte Glücksspielanbieter bei der Entwicklung, Implementierung und Evaluierung praxistauglicher Sozialkonzepte. Seit 2010 führen wir als akkreditierte Auditoren Zertifizierungen nach dem Europäischen Standard für Verantwortungsvolles der European Lotteries and TOTO Association durch. Forschungsschwerpunkt des KSP ist die Durchführung von Konsumentenbefragungen zur Inanspruchnahme und zu den Effekten universeller, selektiver und indizierter Spielerschutzmaßnahmen (online und terrestrisch). Dabei kommen quantitative und qualitative Methoden (Fokusgruppen) der empirischen Sozialforschung zur Anwendung.

Aktuelle Forschungsprojekte

Evidenzbasierung in der Spielerschutzkommunikation: Eine Fokusgruppen-Evaluierung von Informationsangeboten zum Thema Glücksspielsucht und Spielerschutz

Forschungsbefunde quantitativer Verbraucherbefragungen legen nahe, dass die Reichweiten der gemäß § 6 Glücksspielstaatsvertrag zur Vermeidung und Bekämpfung der Glücksspielsucht gesetzlich verankerten Präventionsmaßnahmen in Deutschland begrenzt sind. Die Nutzung der präventions- und interventionsorientierten Spielerschutzmaßnahmen durch Glückspieler*innen liegt auf einem durchschnittlichen bis geringen Niveau. Auch die aus Spielerschutzperspektive besonders relevante Gruppe der Problemspieler*innen werden von den gemäß GlüStV implementierten Spielerschutzmaßnahmen derzeit kaum erreicht (Quack, 2020; Quack et al., 2022). 

Auch die national und international geforderte Evidenzbasierung von Gesundheitsinformation (Lühnen et al., 2017) wurde für den Bereich der Spielerschutzkommunikation in Deutschland bisher nicht berücksichtigt. So wurde es bislang versäumt, bei der Entwicklung von Spielerschutzinformationen die Perspektive spielerschutzrelevanter Teilzielgruppen einzubeziehen.

Gegenstand des Forschungsvorhabens ist die Durchführung von Fokusgruppendiskussionen mit Glücksspieler*innen unterschiedlicher Glücksspielintensität zur Nutzung und Bewertung der gemäß GlüStV implementieren Spielerschutzmaßnehmen. Es ist geplant drei Fokusgruppen mit circa 6-8 Teilnehmer*innen pro Gruppe zu bilden: Gelegenheitsspieler*innen (mindestens eine Glücksspielteilnahme in den letzten 12 Monaten), regelmäßige Glücksspieler*innen (Glücksspielteilnahme mind. 3- 4x monatlich) und problematische/pathologische Glücksspieler*innen (Problem Gambling Severity Index (PGSI) ≥ 8, Ferrris u. Wynne, 2001). 

Im Rahmen der Diskussionsgruppen soll vertiefend untersucht werden, wie Glücksspielteilnehmer*innen Informationsangebote zum Thema Glücksspielsucht und Spielerschutz nutzen, wie sie die Inhalte und Botschaften bewerten und welche Informationsbedürfnisse in den drei spielerschutzrelevanten Teilzielgruppen bestehen. Anhand beispielhafter Spielerschutzmaßnahmen sollen zudem Verbesserungsvorschläge für die Botschaften und Maßnahmen der Spielerschutzkommunikation herausgearbeitet werden. Es werden Videoaufzeichnungen (Bild und Ton) der Fokusgruppen angefertigt und anschließend mit der Software f4transkript transkribiert. Die Auswertung erfolgt mittels qualitativer Inhaltsanalyse nach Mayring (1991). 

Das Forschungsvorhaben will damit zur Weiterentwicklung einer evidenzbasierten, laienverständlichen und zielgruppenadäquaten Spielerschutzkommunikation beitragen und so die Reichweiten von Spielerschutzmaßnahmen in spielerschutzrelevanten Teilzielgruppen weiter erhöhen. 

Laufzeit: 2023

Förderung: Land Brandenburg Lotto GmbH (Teilfinanzierung)

Abgeschlossene Forschungsprojekte

1. Glücksspielkultur in Deutschland und Implikationen für den Spielerschutz: Eine repräsentative Untersuchung am Beispiel rheinland-pfälzischer Lottokunden

Seit Inkrafttreten des GlüStV sind staatlich konzessionierte Glücksspielanbieter verpflichtet, Spielerschutzkonzepte und Maßnahmen der universellen, indizierten und selektiven Prävention umzusetzen. Der Deutsche Lotto- und Totoblock mit seinem weitverbreiteten Vertriebsnetz hat in den vergangenen 10 Jahren maßgeblich dazu beigetragen, bundesweite Standards für den Spielerschutz zu setzen. Darüber hinaus hat Lotto das Potential weite Teile der Bevölkerung mit primärpräventiven Spielerschutzmaßnahmen zu erreichen und Wissen und Einstellungen bezüglich einer Glücksspielteilnahme bzw. die Spielkultur in Deutschland zu prägen.

Die hohe gesellschaftliche  Akzeptanz von Lottoprodukten und deren weite Verbreitung bieten ideale Voraussetzungen, um glücksspielbezogenes Wissen, Einstellungen und Verhalten - hier auch die Anwendung präventiver Verhaltensregeln - zu identifizieren, um damit die Spielkultur der allgemeinen Bevölkerung zu beschreiben, Aussagen über die Akzeptanz bzw. Wirksamkeit von Präventionsbotschaften zu treffen sowie eine zielgruppenadäquate Weiterentwicklung der Spielerschutzmaßnahmen zu ermöglichen.

Mit Hilfe einer repräsentativen Erhebung im Vertriebsnetz von Lotto Rheinland-Pfalz sollen mittels eines theoriegeleiteten Fragebogens online und offline die glücksspielbezogene Einstellungen und Überzeugungen bezüglich einer Glücksspielteilnahme identifiziert werden. Es soll analysiert werden, wie bekannt die zentralen präventiven Botschaften für einen verantwortungsvollen Umgang mit dem Glücksspiel sind, welche Motive für die Teilnahme bestehen und wie hoch der Anteil von Problemspielern ist.  Ferner soll untersucht werden ob Lottokunden selbstlimitierende Strategien nutzen und ob es Unterschiede zwischen Online-Kunden und Kunden in den Annahmestellen gibt.


Förderung: Lotto RLP

Publikation: 
Quack, A., Sielaff, M., Wejbera, M., & Beutel, M. E. (2022). Glücksspielsuchtprävention im staatlichen Glücksspielwesen: Werden Problemspielende erreicht?. Sucht, 68(3). doi.org/10.1024/0939-5911/a000766

2. Telefonische Beratung für Glücksspielsüchtige: Akzeptanz und Nutzung der Mainzer Hotline Verhaltenssucht

Telefonische Beratungsangebote (Hotlines) stellen weltweit eine zentrale Maßnahme der indizierten Glücksspielsuchtprävention dar [Kalke et al., 2012]. Merkmale von Hotlines wie Anonymität, Distanz, geringer Zeitaufwand, keine oder geringe Kosten, Standortunabhängigkeit und Flexibilität sollen dazu beitragen, Zugangsbarrieren abzubauen und Betroffenen und Angehörigen den Weg in das Suchthilfesystem zu erleichtern [Meyer & Bachmann, 2017].
Seit Oktober 2007 bietet die Klinik und Poliklinik für psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universitätsmedizin Mainz, eine bundesweite, kostenlose und auf Wunsch anonyme telefonische Beratung für Betroffene und Angehörige mit dem Schwerpunkt problematisches Glücksspiel- und Computerspiel-/Internetverhalten an. Die Hotline wird von therapeutisch weitergebildeten klinischen Psycholog*innen betreut und ist sowohl Informations- als auch Krisenhotline. Sie ist von montags bis freitags von 12 bis 17 Uhr erreichbar. Ziele des Hotline-Angebotes sind die niedrigschwellige Beratung und Vermittlung an weiterführende Beratungs- und Behandlungseinrichtungen in Wohnortnähe des Betroffenen. Das telefonische Beratungsangebot soll Krankheitseinsicht und Veränderungsmotivation fördern und die Schwellen abbauen, weiterführende Hilfsangebote in Anspruch zu nehmen.

In Deutschland sind staatlich konzessionierte Glücksspielanbieter seit dem Jahr 2008, gesetzlich verpflichtet, eine bundesweit einheitliche Telefonberatung anzubieten (§ 6 GlüÄndStV). Forschung zur Inanspruchnahme und den Effekten eines solchen Angebotes fehlen jedoch bislang.

Die Auswertung der Anrufe auf der Hotline Verhaltenssucht (Auswertungszeitraum 2013-2016) an der Klinik und Poliklinik für Psychosomatischen Medizin und Psychotherapie, Universitätsmedizin Mainz, will dazu  beitragen, ob und in welchem Umfang telefonische Beratungsangebote, Glücksspielsüchtigen den Weg in das Suchthilfesystem bahnen.


Förderung: Keine.

Publikationen:
Aster, R., Quack, A., Wejbera, M., Beutel, M. E. (2018). Telefonische Beratung für Glücksspielsüchtige - der heiße Draht ins Hilfesystem? Akzeptanz und Nutzung der Mainzer Hotline Verhaltenssucht. Gesundheitswesen, DOI doi.org/10.1055/a-0592-7006

3. Spielerbefragung zur Akzeptanz und Nutzung präventiver und interventionsorientierter Spielerschutzmaßnahmen in staatlich konzessionierten Spielbanken

Die Durchführung von Spielerbefragungen zur Akzeptanz und Nutzung universeller, selektiver und indizierter Spielerschutzmaßnahmen sind ein wichtiges Steuerungsinstrument für die Qualitätssicherung und Weiterentwicklung der umgesetzten präventions- und interventionsorientierten Maßnahmen in der Praxis.

Obgleich gesetzlich verankert, existieren insbesondere im deutschsprachigen Raum derzeit nur wenige Forschungsbefunde zur Wirksamkeit von Spielerschutzangeboten. Im Rahmen der Spielerbefragungen werden Akzeptanz und Nutzung von Spielerschutzangeboten erfasst und mit glücksspielbezogenen Kognitionen sowie den Glücksspielverhaltensmerkmalen der Befragungsteilnehmer in Beziehung gesetzt. Dabei wird auch der Frage nachgegangen, inwieweit soziodemografische Faktoren wie Geschlecht, Alter, Nationalität und Bildungshintergrund die Akzeptanz und Nutzung von Spielerschutzmaßnahmen beeinflussen.

Ziel der Befragung ist es, anhand empirischer Daten konkrete Anhaltspunkte für eine zielgruppenadäquate Weiterentwicklung von Spielerschutzkonzepten und Einzelmaßnahmen zu erhalten.

Förderung: Drittmittel staatlich konzessionierte Glücksspielanbieter

Publikationen:

Quack, A. (2020). Spielerschutz im staatlichen Glücksspielwesen – Was kommt beim Verbraucher an?. Peter Lang Verlag. https://doi.org/10.3726/b17373